Als Kinder lernten sie sich kennen, als Jugendliche wurden sie ein Paar und blieben es 78 Jahre lang bis zum Tod von Paul Himmel im vergangenen Februar.

Das Leben von Lillian Bassman (*1917) und Paul Himmel (1914-2009) war eine Romanze. Aber es war auch ein langes Leben gemeinsamer Arbeit, großen Erfolges, von Enttäuschungen und Neubeginn. Vor allem aber prägte das Leben der beiden der Mut zum Unkonventionellen und ein ungeheurer kreativer Wille.

Lillian Bassmann und Paul Himmel waren Fotografen. Mit ihrem Interesse am Bild und der Lust an seiner Verfremdung revolutionierten sie die Modefotografie der Nachkriegszeit. "Was sie macht, hat eine geradezu magische Kraft. In der Geschichte der Fotografie ist es niemand anderem gelungen, diesen atemberaubenden Moment zwischen dem Erscheinen der Dinge und ihrem Verschwinden sichtbar zu machen", sagt der berühmte Fotograf und Freund des Künstlerpaars Richard Avedon über Lillian Bassmann. Dennoch gerieten Bassman und Himmel nach einer verheißungsvollen Karriere im New York der 40er- und 50er-Jahre nahezu in Vergessenheit.

Das Haus der Photographie stellt nun mit der Schau "Lillian Bassman & Paul Himmel" weltweit erstmals das Lebenswerk dieser beiden Künstler vor. Die von Brigitte Woischnik und Ingo Taubhorn kuratierte Retrospektive zeigt mit 400 Exponaten neben Aufnahmen, die in "Vogue", "Harper's Bazaar" oder in Buchpublikationen erschienen sind, noch nie veröffentlichte Fotografien. Und obwohl beide ganz unabhängig gearbeitet haben, wird ihre enge künstlerische Beziehung in der Schau deutlich.

"Pauls Arbeit ist männlich, sie ist direkter und behandelt die Welt, wie sie tatsächlich ist. In fotografischem Sinne sind wir uns wahrscheinlich so nahe, wie sich Gegensätze nahe sind. Ich stehe für Weichheit, Fragilität und die persönlichen Probleme der weiblichen Welt", beschreibt Lillian 1951 beider Arbeit. Doch gerade in dieser Polarität bilden etwa die frühen Werke eine Einheit.

Lange bevor Lillian Bassman zu fotografieren begann, experimentierte sie bereits in der Dunkelkammer. Als Assistentin des legendären Art-Direktors Alexey Brodovitch war sie als junge Frau für die Gestaltung des Modemagazins "Harper's Bazaar" mitverantwortlich. Und prägte mit solcherlei Experimenten das fortschrittliche Layout des Heftes wesentlich. Zwischen 1945 und 1948 war sie Art-Direktorin von "Junior Bazaar", einer New Yorker Modezeitschrift für Teenager. Ihre erste Modestrecke fotografierte sie 1949 in Paris. Lillian Bassmans frühe Schwarz-Weiß-Aufnahmen feierten die Eleganz und Schönheit der Frauen. Die Fotografin liebt die lange geschwungene Linie und an ihren Modellen vor allem den gestreckten Hals. Im Fotolabor verfremdet sie die Arbeiten, bleicht aus, verwischt Konturen oder hebt sie hervor. So erscheinen die Bilder fast wie Radierungen.

Paul Himmels fotografisches Werk ist ebenfalls von großer Experimentierfreude geprägt. Er strebt mit ungewöhnlichen Belichtungszeiten danach, Bewegung und Zeit im Bild festzuhalten. Fotografiegeschichte geschrieben haben vor allem seine Aufnahmen vom New York City Ballet aus den 50er-Jahren. Es sind wirbelnde Bewegungsstudien, die seinen grafisch anmutenden Stadtaufnahmen gegenüberstehen. Die konzentrieren sich zwar auf Strukturen der Stadt - schmiedeeiserne Gitter, Hausfassaden - erweitern das Starre aber um den Aspekt der Zeit. So geraten durch lange Belichtung wirbelnde Schneeflocken zu einer Strichzeichnung. Bekannt wurde Paul Himmel durch die Teilnahme an der berühmten von Edward Steichen kuratierten Ausstellung "The Family of Man", die das Museum of Modern Art 1955 zeigte. Doch die radikalen Experimente mit Über- oder Langzeitbelichtungen waren schon bald ihrer Zeit voraus, sodass er keine Auftraggeber mehr fand. Im Alter von 52 Jahren entschloss er sich deshalb zu einem Studium und wurde erfolgreicher Psychotherapeut.

Lillian Bassman musste ungefähr zum gleichen Zeitpunkt erleben, wie eine jüngere Generation die Macht übernahm. Sie beginnt eine Lehrtätigkeit an der Parson's School of Design. Im hohen Alter von fast 80 Jahren fängt sie wieder an zu fotografieren. Diesmal Modestrecken für die "Vogue". Beider Werke wirken ungewohnt frisch und besitzen selbst 50 Jahre nach ihrer Entstehung ungebrochene Modernität.

Retrospektive Lillian Bassmann & Paul Himmel 27.11. bis 21.2. Haus der Photographie/Deichtorhallen, Deichtorstr. 1-2, Di-So 11-18 Uhr