Autos benötigen mitunter 45 Prozent mehr Kraftstoff, als Hersteller angeben. Das berechtigt Käufer unter Umständen sogar zur Rückgabe.

Prospekte wälzen, Hersteller vergleichen, im Internet recherchieren: Der Erwerb eines Neuwagens muss gut überlegt sein. Dabei blicken Interessenten nicht nur auf den Preis. Ein entscheidendes Kaufkriterium in Zeiten steigender Benzinkosten ist vor allem der Verbrauch. Mit einem in der Anschaffung etwas teureren fahrbaren Untersatz lässt sich im Vergleich zu Spritfressern über die Jahre viel Geld sparen. Doch wem Glauben schenken, wenn es darum geht, reale Werte für den Durchschnittsverbrauch eines Pkw zu erfahren? Viele Hersteller geben in ihren Hochglanzbroschüren Zahlen an, die offenbar nicht der Realität entsprechen. Ein Test der "Auto Bild" ermittelte, dass der Verbrauch bei Dutzenden Neuwagen 40 Prozent und mehr über dem angegebenen Normverbrauch lag.

Wie also kann es zu so starken Abweichungen zwischen Händlerangabe und Test kommen? Um Autos vergleichen zu können, hat der EU-Gesetzgeber einen Messzyklus unter festgelegten Laborbedingungen vorgeschrieben, der für alle gleich ist - auch international. Dabei wird der Verbrauch des Wagens auf dem Rollenprüfstand ermittelt. "Auto Bild" testete hingegen nicht im Labor, sondern im realen Straßenverkehr. Gefahren wurde zügig, aber nicht sportlich.

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Trotzdem: Die Hersteller sehen sich nicht im Unrecht. "Eine so weitreichende Vergleichbarkeit bei extrem wechselnden Bedingungen herzustellen - zum Beispiel Straßenlage, Temperatur, Fahrer, Fahrzeugausstattung - ist nahezu unmöglich", sagte Holger Eckhardt, Leiter Produktpresse/Sportwagen bei Porsche dem Abendblatt. Dennoch gibt er zu, dass "Kunden den Normverbrauch auf Nachfrage nicht als Alltagswert verkauft bekommen". Im Jahr 2011 habe es bei Porsche laut Eckhardt zehn bis 15 Beanstandungen gegeben. Diese betrafen hauptsächlich die Cayenne-Modelle. Bei Opel wird vor allem betont, dass das Potenzial für effizientes Fahren bei der Person am Steuer selbst liege. "Den meisten Kunden ist bewusst, dass der Normverbrauch als Orientierungshilfe zwischen den einzelnen Fahrzeugen zu werten ist und sie selbst für den tatsächlichen Verbrauch verantwortlich sind", heißt es in einer Stellungnahme der Rüsselsheimer.

Unter Hamburgs Autoverkäufern sind die Herstellerangaben nicht unumstritten und sorgen für reichlich Gesprächsstoff. "Ich verkaufe seit Jahren Neuwagen unterschiedlicher Marken, und natürlich haben wir auch Kunden, die über einen deutlich höheren Verbrauch klagen, ohne den Gasfuß benutzt zu haben. Ausbügeln müssen es immer die Händler. Ich kenne viele Verkäufer, die darauf hinweisen, dass es sich nur um DIN-Werte handelt, die im täglichen Stadt- und Autobahnverkehr nicht zu erreichen sind", sagt der Verkaufsleiter eines Hamburger Autohauses, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Das Abendblatt wollte es genau wissen und prüfte - als Interessent für den Kauf eines Neuwagens und unter falschem Namen - per Stichprobe, ob der Kunde auf Nachfrage tatsächlich über die Ambivalenz informiert wird. Anruf bei Volkswagen in der Horner Landstraße. Das Objekt der Begierde: ein Polo 1.2 TDI BlueMotion mit 75 PS. Laut VW verbraucht der Dreizylinder 3,3 Liter Diesel auf 100 Kilometer, im Test waren es 4,8 Liter - also eine Abweichung um 45,5 Prozent. Hersteller geben Werte an, die man als Normalfahrer erreichen könne, sagt der Verkäufer, gibt aber zu, dass man in der Stadt mit durchschnittlich 4,5 Litern rechnen müsse.

Mit ganz offenen Karten wird beim Audi Zentrum Hamburg in der Kollaustraße gespielt. "Herstellerangaben sind mit Vorsicht zu genießen. Als normaler Autofahrer erreicht man diese Werte nicht", sagt der Verkäufer. Der Audi A3 1.6 TDI mit 105 PS (3,8 Liter laut Unternehmen, Testwert 5,3 Liter) verbrauche bestimmt mehr. Man solle sich mal in Internet-Foren umschauen, so der Tipp. Keine fünf Minuten nach der Anfrage meldet sich der Audi-Fachmann noch einmal. Er habe im Netz recherchiert. Bei einer Sparfahrt komme man auf circa 4,3 Liter, sonst sind es so um die 5,0 Liter - ein klasse Service. Auch beim Toyota-Spezialisten Autohaus Renzing in Hamburg-Lurup rückt man vom Herstellerwert des Auris 1.8 Hybrid (3,8 Liter) schnell ab. Er fahre auch dieses Modell, so der Verkäufer. "Da komme ich im Schnitt auf 4,7 Liter." Der Testwert liegt bei 5,3 Liter.

Was kann der Kunde also machen, wenn die Verbrauchswerte seines Neuwagens weit über denen des Herstellers liegen, er den Pkw deshalb zurückgeben möchte, sich das Autohaus aber dagegen sträubt? Heike Bellmann, Justiziarin beim ADAC in Hamburg, kennt diese Problematik aus der Praxis. Sie weiß von Prozessen zu berichten, an deren Ende der Käufer den Gerichtssaal als Sieger verließ.

"Werte in Hochglanzprospekten der Hersteller sind keine zugesicherten Eigenschaften. Der Kunde muss eine Toleranz von bis zu zehn Prozent hinnehmen. Bei einem höheren Wert kann man von einem Mangel reden. 12, 13 oder 14 Prozent mehr Kraftstoffverbrauch sind für den Käufer schon erheblich und berechtigen ihn zum Rücktritt vom Kaufvertrag", sagt die erfahrene Rechtsanwältin.

Der Weg dahin ist mitunter sehr kostenaufwendig, schließlich liegt die Beweispflicht beim Pkw-Besitzer. Der müsse laut Bellmann zuerst ein Gutachten anfertigen lassen, das aus der Privatschatulle zu bezahlen sei. Kosten: bis zu 6000 Euro. Eventuell springe auch die Rechtsschutzversicherung ein. Spezialisten für so einen Check gibt es zum Beispiel an der Technischen Universität Hannover. Entsprechen die Werte des Gutachtens den Angaben des Käufers, kann es vor Gericht gehen. Gewonnen ist damit aber noch nichts. Erst wenn ein zweites, von den Richtern angeordnetes Gutachten die Zahlen bestätigt, muss der Hersteller den Wagen zurücknehmen. Tritt dieser Fall nicht ein, hat der Käufer seinen Kleinwagen gleich doppelt bezahlt.