Eine Prüffahrt auf öffentlichen Straßen misst realen Stickoxid-Ausstoß der Autos

Ab dem Herbst wird nachgemessen: Dann müssen alle neuen Pkw-Typen den sogenannten „Real Driving Emissions“-Test (RDE) absolvieren, eine Prüffahrt auf öffentlichen Straßen, bei denen der Stickoxidausstoß unter Alltagsbedingungen gemessen wird. Abgasbetrug mit Abschalteinrichtungen oder Schummeleien mit den umstrittenen Temperaturfenstern beim Diesel sollen dann nicht mehr ohne Weiteres möglich sein. Wer den Test nicht besteht, erhält keine Verkaufszulassung.

Autofahrer, die eine Tüv- oder Dekra-Niederlassung in der Nähe haben, dürften künftig öfters Begegnungen mit den Messfahrzeugen machen. Erkennbar sind sie an dem Heckkoffer, der die Messsensorik enthält. Das Portable Emissions Measurement System (PEMS) – kostet rund 100.000 Euro und misst den Ausstoß verschiedener Abgaskomponenten. Wichtig ist aber zunächst nur die Menge an Stickoxiden, die den Auspuff verlässt. Gefahren wird das Auto von einem Ingenieur mit einem Sachkundenachweis für die komplizierte Bedienung des Hightech-Geräts. Zusätzlich ist ein Zeuge an Bord. Insgesamt drei dieser Pärchen fahren jedes Auto zu verschiedenen Tageszeiten, aber auf der gleichen Strecke. Am Ende wird gemittelt.

Ab 2018 werden alle Neuwagen geprüft

Ausgewählt wird die Route von den Prüforganisationen selbst. Dazu gibt es genaue Vorgaben, was etwa Autobahnanteil, Geschwindigkeit und Geländeprofil angeht. Die Außentemperatur muss zwischen null und 30 Grad liegen, die Höhe über dem Meeresspiegel nicht mehr als 700 Meter betragen. So sollen möglichst alle gängigen Fahrprofile berücksichtigt werden. Ganz kann das aber nicht gelingen – die Höchst­geschwindigkeit im Test liegt bei 150 km/h, in der Realität fahren auf deutschen Autobahnen auch deutlich schnellere Autos.

Bei der Wahl der Teststrecken sind die Prüforganisationen relativ frei. Im Internet bieten pfiffige Dienstleister bereits vermeintlich „einfache“ Strecken an, Zulieferer Bosch hält derartige Optimierungsversuche jedoch für zwecklos und rechnet eher damit, dass die Prüfer auch im Interesse der Hersteller möglichst eher „harte“ Strecken wählen werden. Denn die Ergebnisse sollten allein deswegen nachvollziehbar ausfallen, weil die Messungen später auch von Dritten wiederholt werden können. Bei Abweichungen droht dann eine Anzeige beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA).

Eine weitere Lücke für Betrüger wird durch die geplanten offiziellen Nachprüfungen geschlossen. Künftig soll auch bei ausgelieferten Kundenfahrzeugen im Auftrag des Kraftfahrt-Bundesamtes nachgemessen werden, ob die Abgasreinigung wie versprochen funktioniert. Ähnlich handhaben es auch die USA beim Thema CO2 – regelmäßige Strafen für zu optimistische Herstellerangaben sind die Folge.

Für die Industrie sind die RDE-Messungen eine Herausforderung. Wie zuletzt zahlreiche Tests gezeigt haben, übertreffen ihre Dieselfahrzeuge die Grenzwerte häufig um ein Vielfaches. Bis 2020 darf der gemessene NOx-Wert beim Diesel noch 2,1-fach über dem Grenzwert von 80 Milligramm pro Kilometer liegen (Benziner: 60 mg/km), ohne dass das Folgen hat. Danach sinkt der sogenannte Konformitätsfaktor auf 1,5. Dass sogar der eigentliche Grenzwert eingehalten werden kann, hat Bosch – beim Diesel-Skandal ebenfalls ins Kreuzfeuer geraten – kürzlich mit einer Praxisvorführung belegt. Allerdings nicht mit einem Serienmotor, sondern mit einem modifizierten und speziell programmierten Diesel. Für die Abgasreinigung kam ein SCR-Katalysator zum Einsatz, den der Zulieferer künftig selbst für Kleinwagen für obligatorisch hält. Ohne die recht teure Technik seien Autobahnetappen und starke Steigungen nicht sauber zu absolvieren. Technisch ist das Erreichen der Grenzwerte also durchaus möglich.

Zunächst müssen sich nur neue Pkw-Typen dem RDE-Prozedere unterziehen, 2018 dann alle Neuwagen. Der CO2-Ausstoß – und damit der Verbrauch – wird während des Tests auch ermittelt.