Mercedes präsentiert ein LED-Licht mit kommunikativen Fähigkeiten

So höflich waren ein Mercedes und sein Fahrer wohl noch nie zu einem Passanten. Als dieser in der Dunkelheit unentschlossen am Straßenrand steht und mit der Überquerung zögert, hält unsere S-Klasse an und wirft aus ihren Scheinwerfern einen virtuellen Zebrastreifen auf die Fahrbahn. Der Fußgänger versteht den Hinweis und wechselt die Straßenseite. Wirkt irgendwie irreal, ist aber nur eine von vielen Möglichkeiten, die das künftige sogenannte Digital Light der Stern-Marke bieten wird. Dabei handelt es sich um eine ziemlich clevere neue Scheinwerfertechnologie, die nicht nur eine im Vergleich selbst zu modernen LED-Scheinwerfern nochmals verbesserte Lichtausbeute bietet. Vielleicht noch wichtiger sind die mit Digital Light verbundenen neuen Möglichkeiten, nicht nur im Bereich der Kommunikation mit der Umwelt, sondern auch bei der Fahrerassistenz.

Der Scheinwerfer funktioniert technisch wie ein Beamer

Der Scheinwerfer ist technisch im Kern mit einem Beamer vergleichbar, wie man ihn für Präsentationen oder fürs Heimkino nutzt. So könnten zum Beispiel in engen Baustellen oder auf unübersichtlichen Wegen Lichtlinien als Wegmarkierungen eingespielt werden, an denen sich der Fahrer dann orientiert. Oder der Spurhalteassistent wird aktiv unterstützt, in dem bei einer Annäherung des Fahrzeugs an den Fahrbahnrand Pfeile auf die Straße projiziert werden, die die nötige Lenk­richtungskorrektur anzeigen. Auch Straßenverkehrszeichen wie etwa das bekannte Stoppschild können bei Bedarf vor den Fahrer auf die Straße gebracht werden. Zudem wird es bei der Annäherung des Fahrers an sein parkendes Fahrzeug auch möglich sein, nützliche Informationen wie zur Außentemperatur oder zur Verkehrslage über die Scheinwerfer etwa auf eine Garagenwand zu projizieren. Theoretisch ist es sogar möglich, über den Hochleistungsbeamer einen ganzen Film ablaufen zu lassen. Pro Scheinwerfer sorgt ein Chip mit über einer Million Mikrospiegeln für präzise Ausleuchtung, denn jeder dieser Spiegel entspricht im Lichtbild einem Pixel. Beim „Digital Light“ deckt ein Pixel eine Fläche von 4 x 2,5 Zentimetern ab. So können mehrere und zudem kleinere Objekte, wie etwa nur das Gesicht oder die Augen eines entgegenkommenden Fahrers, ausgeblendet werden.

Mercedes will so ein komplett blendfreies Dauerfernlicht ermöglichen. Das LED-Licht wird bei diesem System auf die Spiegel geworfen. Durch eine Drehung jedes einzelnen Spiegels um 10 Grad wird das Licht nicht mehr durch den Projektor auf die Straße gelenkt, sondern in eine sogenannte Lichtfalle, wo es sozusagen verschwindet. Digital Light schaltet aber nicht nur kleinste Lichtfelder ein oder aus, sondern kann diese auch unterschiedlich stark ausleuchten. Dies geschieht, indem jeder Spiegel einzeln angesteuert sich bis zu 5000-mal pro Sekunde zwischen den beiden Stellungen „an“ und „aus/Lichtfalle“ hin und her bewegt. Für das menschliche Auge wirkt dies dann wie ein abgedimmtes Licht. So könnte zum Beispiel das LED-Licht eine Fahrbahn ohne Gegenverkehr mittig voll ausleuchten, zum Rand hin aber stufenlos dunkler werden, um nicht zu blenden.

Das System arbeitet heute eigentlich schon ziemlich perfekt. Nun muss es großserienfest gemacht werden, zudem stehen Verhandlungen mit dem Kraftfahrt-Bundesamt an, „denn im Prinzip ist ein solch blendfreies Dauerfernlicht heute noch gar nicht zulassungsfähig“, weiß Gunter Fischer, verantwortlich für die Karrosserieentwicklung Exterieur. Als weniger aufwendige, günstigere und energiesparende Lösung hat Daimler im Verbund mit Osram, Hella, dem Fraunhofer Institut und Infinion aber noch eine weitere Lösung entwickelt. Hier werden in einem Scheinwerfer vier Chips mit insgesamt 4096 Pixel zusammengefasst. Diese Lösung wird sich schon in naher Zukunft für Modelle der Marke Mercedes ordern lassen. Wer aber das ganz große Kino will, der muss noch warten, bis Digital Light endlich auf den Markt kommt.