Immer mehr Hersteller gestalten jetzt Gegenstände – von der Brille bis zur Yacht

Matthias Fink hat einen Volltreffer gelandet. Der junge Mann hatte gerade erst im Audi-Design angefangen, und gleich sein erster Entwurf wurde als Vorlage für den kleinen Geländewagen Q2 ausgewählt. Viel Zeit für andere Projekte ist ihm deshalb in den vergangenen vier Jahren ganz sicher nicht geblieben. Zuvor sah das anders aus. Denn Fink war in einem Außenstudio der VW-Tochter in München tätig. Dort arbeiten die Audi-Designer nicht nur an den Autos der Zukunft, sondern auch an Objekten aus dem Bereich des Industrial Design. In Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen entstehen dort Gebrauchsgegenstände, die mit dem Auto nicht einmal ansatzweise ­etwas zu tun haben, berichtet Fink. Das Portfolio reicht von einem Konzert­flügel im Audi-Look über Carbon-Skier und Fahrräder bis hin zu Fotoapparaten, Tischfußball-Geräten und Kaffeemaschinen.

Kreative Beschäftigung mit anderen Dingen inspiriert

„Nicht immer steht am Ende das Label Audi Design auf den Produkten“, sagt Fink. Doch viele der Münchner Entwürfe wie etwa die Systemkamera Leica T kann man tatsächlich kaufen. ­Genau wie natürlich die ganzen Devotionalien und Accessoires aus der offiziellen Audi-Kollektion, die vielfach von den eigenen Designern entworfen werden.

Eine ähnliche Entwicklung gibt es bei den meisten Autoherstellern. Immer öfter präsentieren die Designer dort nicht nur neue Autos, sondern gleich auch die passenden Begleitartikel. Zum Beispiel eine Serie von Mercedes-Sonnenbrillen pünktlich zum Start des neuen Cabriolets der S-Klasse. Nach dem Vorbild von ausgelagerten oder ganz eigenständigen Firmen wie Designworks von BMW oder Porsche Design treten die Kfz-Kreativen auch als Designdienstleister auf und bringen Auftragsarbeiten in Form.

Am rührigsten ist dabei in jüngster Zeit Mercedes. Die Stuttgarter haben dafür eigens den Ableger Mercedes-Benz Style gegründet. Dort haben sie nach Interieurs für Hubschrauber und Privatflugzeuge ­gerade ihre erste selbst entworfene ­Luxusyacht vorgestellt. Und mit exklusiv gestalteten Luxusappartements wollen sie beweisen, dass sie auch ein kreatives Händchen für im-mobile Gestaltungsaufgaben haben.

Gerade diese Kontraste machen für die Autodesigner den Reiz und den Wert solcher Abwege aus, sagt Lutz Fügener. Er ist Design-Professor an der Fachhochschule Pforzheim. Oft gehe es darum, Aufmerksamkeit zu erregen, den Namen im Gespräch zu halten oder aus der Marke mehr Kapital zu schlagen. Doch vielfach sei die Beschäftigung mit anderen Bereichen inspirierend und bringe die Designer auf neue Ideen: „Erst recht, wenn die Trends immer häufiger aus anderen Produktwelten wie der Consumer Electronic oder der Möbelbranche kommen.“ Und ganz nebenbei durchbrechen solche Arbeiten auch noch die tägliche Routine, machen den Kopf frei und sind deshalb wertvolle „Lockerungsübungen“.

Wie fruchtbar die Fremdgänger sein können, haben laut Fügener längst auch die Konzernvorstände erkannt. Sie wissen nicht nur um die Millionen, die mit erfolgreichen Fremdaufträgen verdient werden können, sondern auch um den kreativen Input. So ganz neu ist die Entwicklung allerdings nicht, sagt Fügener und lenkt den Blick auf die italienischen Designstudios wie ­Pininfarina oder Giugiaro. „Die haben nicht nur einige der schönsten Ferrari oder Alfa Romeo aller Zeiten gezeichnet, sondern nicht minder berühmte Alltagsgegenstände wie Mineralwasserflaschen oder Espresso-Tassen.“ Vielleicht jedes Produkt für sich nicht ganz so wertvoll, aber dafür in viel mehr Händen als jeder Ferrari.

Q2-Designer Fink kann sich vorstellen, zwischendurch wieder mal etwas anderes zu zeichnen als Autos. Doch für die nahe Zukunft sieht er da wenig Freiraum. Die Anzahl der Modelle und Baureihen wachse immer weiter, und die Karosserievarianten werden immer zahlreicher. „Deshalb haben wir meist so viele Projekte in der Pipeline, dass für die Arbeit abseits des Autos kaum Zeit bleibt.“