Der Bioethanol-Hype ist schon wieder vorbei, heute geht es vor allem um alternative Antriebemit Strom und Gas. Was Hersteller planen

Es ist eine unbequeme Wahrheit: Selbst ein Elektroauto ist erst dann wirklich CO2-neutral, wenn es wie in Norwegen mit aus Wasserkraft erzeugtem Strom betankt wird. Beim deutschen Strom-Mix – noch immer zu rund 40 Prozent von Stein- und Braunkohle eingeschwärzt – relativiert sich der Umweltbonus gegenüber einem Auto mit Verbrennungsmotor recht schnell. Was dennoch bleibt, ist eine deutliche Verbesserung der Luftqualität in hoch belasteten Innenstädten. Denn lokal sind die Stromer in der Tat absolut CO2-frei und dazu zumindest bis etwa Tempo 40 zudem noch leiser unterwegs.

Auch wenn Audi sein erstes rein elektrisches Modell, den Q6 e-tron, nicht vor 2018 lancieren wird, sind die Ingolstädter beim Aufbau einer nachhaltig aufgebauten Energiekette schon jetzt erfolgreich. In der 2013 eröffneten „Power-to-gas“-Anlage im niedersächsischen Werlte werden pro Jahr klimaneutral ­etwa 1000 Tonnen des neuen e-Gases erzeugt. Die von Offshorewindmühlen in der Nordsee erzeugte Windenergie gelangt über das öffentliche Stromnetz zunächst zu einer Elektrolyseanlage, in der Wasser in Sauer- und Wasserstoff zerlegt wird. Der Anteil an Wasserstoff, der nicht direkt ins riesige deutsche Erdgasnetz eingespeist wird, strömt danach in eine Methanisierungsröhre. Dort reagiert er mittels der Sabatier-Methode mit CO2, wodurch Methan entsteht.

„Neu ist, dass wir nun Gas aus Strom gewinnen und dafür Elektrolyse und Methanisierung hintereinander schalten“, sagte Reiner Mangold, Leiter Nachhaltige Produktentwicklung Audi. Weil das für den Prozess benötigte CO2 aus einer benachbarten Abfallbiogasanlage kommt, entsteht ein geschlossener Kreislauf. Mangold: „Rund 2800 Tonnen Kohlenstoffdioxid kommen so pro Jahr nicht in die Atmosphäre“.

Die verringerte Abhängigkeit von russischen Erdgasimporten und die Chance, das Erdgas für Autos aus Windrädern in der Deutschen Bucht und CO2 aus einer Abfallbiogasanlage im Emsland zu erzeugen, führte bei Audi zur Vorstellung des ersten g-tron-Modells. Für den 110 PS starken A3 Sportback ­g-tron 1.4 TFSI gibt Audi CO2-Emissionen von 89 g/km an. In der Gesamtenergiebilanz sei der Wagen auf ähnlichem Niveau wie ein Elektroauto, sagt Mangold. „Betrachtet man die ganze Wirkungsgradkette, produziert ein mit e-Gas betriebenes Auto wegen der energieintensiven Batteriefertigung kaum mehr CO2 als ein Elektroauto. Im Vergleich zu einem Benziner sind die CO2-Emissionen um 25 Prozent niedriger. Dazu kommen deutliche Kostenvorteile: Mit 10 Euro fährt ein Erdgasauto 235 Kilometer weit, ein Diesel schafft 180, ein Benziner nur etwas über 110.“

Mit einer im vergangenen Februar zusammen mit dem Heiztechnikunternehmen Viessmann im hessischen Allendorf eingeweihten Pilotanlage geht Audi in Sachen e-Gas nun sogar noch einen Schritt weiter. Denn bei diesem Verfahren erfolgt die Methanisierung nun rein biologisch. Dabei nehmen hoch spezialisierte Mikroorganismen den in Flüssigkeit gelösten Wasserstoff und das Kohlendioxid durch ihre Zellwand auf. Aus diesen Molekülen bauen sie dann das neue Molekül Methan. „Die Pilotanlage ist deutschlandweit die erste Power-to-gas-Anlage mit biologischer Methanisierung im industriellen Maßstab“, sagt Mangold nicht ohne Stolz. „Ihre Stärke liegt darin, dass sie das im Rohbiogas enthaltene Kohlen­dioxid direkt verarbeitet. Anders als bei der chemischen Methanisierung muss das CO2 nicht in hoch konzentrierter und gereinigter Form vorliegen. So kommen auch kleinere Klär- und Biogasanlagen als CO2-Quellen infrage.“

Neben dem A3 g-tron wird Audi noch in diesem Jahr ein zweites Erdgasmodell vorstellen: den A4 Avant g-tron. Beide haben neben dem Erdgastank auch einen Benzintank. Der streckt die Reichweite auf 1200 Kilometer.

BMW hat zwar bislang keine Erdgasfahrzeuge, dafür aber mit dem i3 das neben Tesla sicher ausgefeilteste Elektroauto im Programm. Glaubt man dem Tüv Süd, ist die Produktion des i3 im Werk Leipzig zwischen 30 und 50 Prozent weniger CO2-lastig als beim Bau eines konventionellen Modells. Für die Herstellung der Kohlefasern im Werk Moses Lake (US-Bundesstaat Washington) wird Wasserkraft eingesetzt, wobei das Chassis schon heute zu zehn Prozent aus recyceltem Material besteht. Auch in Leipzig versorgt man sich aus regenerativen Quellen wie einer Windkraftanlage auf dem Werksgelände. Insgesamt sinken so die klimaschädlichen Substanzen gegenüber einem BMW 118d laut Hersteller um rund die Hälfte – und der war 2008 immerhin noch „Green Car of the Year“.

Im Interieur des i3 erfreuen sich die Insassen an naturbelassenen, offenporigen und wellenartig ausgebreiteten Paneelen aus Eukalyptusholz. Dazu kommt ein ungewöhnlich hoher Anteil an natürlich bearbeiteten Materialien. Beispiel Leder: Die im Innenraum verwendeten Häute werden ausschließlich mit Naturstoffen bearbeitet. Als Gerbstoff dient dabei ein Extrakt aus Olivenbaumblättern. Der Träger der Instrumententafel und die Türverkleidungen sind aus Fasern der Kenaf-Pflanze gefertigt, die zunächst zwar etwas billig, aber mit der Zeit sehr authentisch wirken. Außerdem wurden im Innenraum 25 Prozent des Gewichts an Kunststoffen durch recycelte Materialien oder nachwachsende Rohstoffe ersetzt.

Wie schnell sich ein vermeintlich umweltpolitisch positiver Trend auch ins Gegenteil verkehren kann, zeigt dagegen das Beispiel Bioethanol. Scheinbar inspiriert von Henry Fords Prophezeiung – „Der Treibstoff der Zukunft kommt aus den Sträuchern, vom Straßenrand oder aus Äpfeln, Unkraut, Sägemehl, praktisch allem“ – läutete passenderweise Ford 2005 die Ära der sogenannten Flexifuel-Fahrzeuge ein. Diese konnten alternativ mit Benzin oder einer Mischung aus bis zu 85 Prozent Ethanol und 15 Prozent Benzin gefahren werden. Ab 2006 folgten Saab, Volvo und die französischen Hersteller.

Damit reagierte Europa auf einen Trend, der in den 70er-Jahren in Brasilien seinen Anfang nahm. Dort liegt der Anteil der mit Alkohol aus Zuckerrohr betriebenen Neuwagen traditionell bei über 75 Prozent. Auch in den USA, wo der Biosprit vor allem aus Mais destilliert wurde, erlebten E85-Autos eine vorübergehende Hochblüte. Prinzipiell schien Bioethanol ein idealer Treibstoff: Denn der aus Biomasse gewonnene Saft setzt bei der Verbrennung nur so viel CO2 frei, wie die Pflanzen zuvor während des Wachstums aufgenommen haben. Im besten Fall ist die CO2-Bilanz um bis zu 70 Prozent günstiger als im Benzinbetrieb, sagten die Befürworter. Je nach Pflanzenart deutlich geringer, hielten Kritiker dagegen. Unbestritten war dagegen die geringere Energiedichte – daher verbrauchen E85-Autos rund 30 Prozent mehr als Benziner. Der größere Durst wurde jedoch durch Literpreise von um die 90 Cent wieder ausgeglichen.

Zellulose-Ethanol verspricht einen höheren Energieertrag

Die Ernüchterung folgte schnell. Denn es reifte die Erkenntnis, dass nur eine zweite Generation regenerativer Kraftstoffe das Prädikat „Bio“ rechtfertigen würde. Zellulose-Ethanol aus Biomasse oder synthetischer BtL-Kraftstoff (Biomass-to-Liquid) versprechen einen dreimal höheren Energieertrag pro Fläche und stehen in keiner Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Anders als bei Biokraftstoffen, die nur aus der Pflanzenfrucht gewonnen werden, würden solche Sorten zudem die Verarbeitung der ganzen Pflanze und auch von Resten wie Stroh erlauben.

Um die Biodiversität (Artenvielfalt) zu sichern, Monokulturen zu vermeiden und ethische Probleme („Sprit statt Brot“) auszuschließen, fordern Umweltschützer von künftigen Biokraftstoffen einen verlässlichen Herkunftsnachweis. Als warnende Beispiele führen sie Palmölplantagen an, für die zum Beispiel in Indonesien Regenwald abgeholzt wird. Oder die „Tortilla-Krise“ in Mexiko – hier waren aufgrund der starken Nachfrage aus den USA die Maispreise fast über Nacht auf das Doppelte gestiegen – daraufhin kam es zu Massenprotesten.

Die wird es sicher nicht geben, wenn Toyota im November die Plug-in-Version des neuen Prius vorstellen wird. Schon in seiner aktuellen Version erlaubt die vierte Generation des Hybridpioniers Verbräuche von 4,5 Litern, erzielt durch einen gestiegenen Anteil an rein elektrisch zurückgelegten Passagen. Der Plug-in soll 50 Kilometer rein elektrisch fahren können und ein Solarpanel aufs Dach bekommen. Zwar gewinnt ein den ganzen Tag in der prallen Sonne stehender Prius nur fünf Kilometer an zusätzlicher Reichweite – aber in Gefilden wie Arizona kann das über eine Woche gerechnet 80 Prozent der Akkukapazität ausmachen. So kommt nach der Windkraft nun auch die Fotovoltaik langsam aber sicher ins Automobil.