Stürzt ein Biker, bleibt ein mulmiges Gefühl zurück. Kann sicheres Fahrgefühl wiederkommen? Ja, aber nur in Begleitung

Plötzlich ist er da, der Schock. Der Puls rast und das Herz pocht. Eben noch fuhr man sorglos über die Landstraße, nun liegt man auf dem Asphalt und das Motorrad ein Stück entfernt. Man realisiert: Das war ein Sturz. In der Kurve haben die Räder die Bodenhaftung verloren. Nur Schürfwunden, doch eine Unsicherheit bleibt.

Laut Statistischem Bundesamt gab es 2014 etwa 45.500 Unfälle mit Beteiligung von Kradfahrern. 675 Biker starben dabei. Etwa jeder dritte Sturz
(31 Prozent) kommt nach ADAC-
Unfall­forschung ohne Fremdeinwirkung zustande. Häufig machen Biker in Kurven Fehler, fahren bei geringer Schräglage mit hoher Geschwindigkeit in die Leitplanke oder geraten in den Gegen­verkehr. Manchmal führt auch ein Bremsfehler zum Sturz. „Das kann schnell passieren, auch ohne riskante Fahrweise“, sagt Wolfgang Stern, Pädagoge und Fahrtrainer am Institut für angewandte Verkehrspädagogik.

Weitere Unfälle vermeidet nur, wer sich mit dem Sturz auseinandersetzt

Stern hat selbst zahlreiche Stürze erlebt. Er sagt: „Man denkt über jeden Sturz nach.“ Viele steigen sofort wieder aufs Rad, um zu vermeiden, den Unfall mental zu verschleppen. Sie wollen beweisen, dass sie noch fahren können. Doch das kann laut Karl-Friedrich Voss, Vorsitzender des Bundesverbandes Niedergelassener Verkehrspsychologen, gefährlich sein: „Wer weitermacht, ohne die Ursachen des Unfalls zu hinterfragen, fährt mit derselben Haltung weiter.“ Sich mit dem Sturz auseinanderzusetzen sei wichtig, um weitere Unfälle zu vermeiden.

Viele Motorradfahrer seien nach einem Sturz blockiert, und das kann in ein Trauma münden. „Schlaflosigkeit, ständige Wiederkehr der Bilder und die Unfähigkeit, das Erlebte zu verarbeiten, sind Anzeichen“, sagt Hartmut Kerwien vom Institut für angewandte Verkehrspädagogik. In diesen Fällen helfe nur noch ein Verkehrspsychologe.

Häufig leiden gestürzte Biker unter Nervosität. Fahren ist kein Problem, doch die Souveränität ist weg. „Hilfreich sind dann Brems- und Kurventrainings“, sagt Achim Kuschefski vom Institut für Zweiradsicherheit. Jochen Oesterle vom ADAC sieht es ähnlich: „Jede Angst kann man verlernen. Motorradfahrer müssen aber ehrlich mit sich sein und ein Training angehen.“

Nahezu alle Automobilclubs wie der ADAC, Auto Club Europa (ACE), der Automobilclub von Deutschland (AvD) und Institutionen wie die Deutsche Verkehrswacht, das Institut für Zweiradsicherheit, das Institut für angewandte Verkehrspädagogik oder der Bundesverband der Motorradfahrer bieten entsprechende Trainings an. ­Dabei werden Biker speziell an das Kurvenfahren herangeführt. Sie fahren erst weite Kurven bei geringer Geschwindigkeit. Dann steigern sie ihr Tempo und versuchen, die Linie beizubehalten. Entscheidend ist nach einem Unfall der Blick von außen. „Beobachter entdecken möglicherweise Fahrfehler, die zum Sturz geführt haben können“, sagt Bartels. Eine falsche Blicktechnik lässt sich relativ schnell erkennen. Unterbewusst schauen viele Biker beim Kurvenfahren auf die Leitplanke oder die Bäume am Straßenrand. Automatisch trägt das Motorrad den Fahrer dann nach außen – bis es kracht. Um Stürze zu vermeiden, sollten Motorradfahrer den Kopf aufrecht halten und bereits eingangs der Kurve in den Kurvenausgang blicken.