Carsharing liegt im Trend – und beflügelt zunehmend die Fantasien der PS-Branche. Verbraucherschützer sind skeptisch.

James ist Programmierer im Silicon Valley und für seinen Job viel mit dem Flugzeug unterwegs. Früher sind allein fürs Parken am Airport horrende Kosten aufgelaufen. Jetzt verdient der junge Mann mit seinem Mini sogar noch Geld, während er durch die Weltgeschichte jettet. Denn statt den Wagen ins Parkhaus zu stellen, lässt er ihn am Straßenrand stehen. Und jeder, der möchte, kann ihn benutzen – gegen eine Gebühr. Denn sein Mini gehört zur Carsharing-Flotte des BMW-Ablegers Drive Now.

Noch ist das nur ein Gedankenspiel. Doch im nächsten Jahr will Mini das in einem Pilotprojekt in den USA umsetzen. Die entsprechenden Steuer- und Lesegeräte, die man benötigt, um das Fahrzeug mit der Drive-Now-Chipkarte zu öffnen und zu starten, wollen die Briten für einige Hundert Euro bald als Sonderausstattung anbieten. Und gemeinsam mit ihren Partnern tüfteln sie bereits an Preisstrukturen, den Tantiemen für den Besitzer und an entsprechenden Versicherungen, berichtet Mini-Sprecher Andreas Lampka.

Studien zeigen, dass grundsätzlich Eigentum gerne geteilt wird

Markenvorstand Peter Schwarzenbauer reagiert mit diesen Plänen auf den Trend zur Sharing Economy. Nicht umsonst haben Studien etwa der Unternehmensberatung PwC ergeben, dass bereits jeder zweite Deutsche in den vergangenen zwei Jahren ein Angebot genutzt hat, bei dem die Wohnung, das Fahrzeug, Musik oder technisches Knowhow geteilt wurden. „Mini-Kunden zählen zu den progressivsten und aufgeschlossensten Zielgruppen“, sagt Schwarzenbauer, deshalb sei die Marke ganz vorn dabei.

Beim Eingliedern in die Drive-Now-Flotte soll es nicht bleiben. Später will Mini den gleichen Service auch für eine vom Kunden definierte Teilnehmergruppe anbieten. Dann kann der Fahrer die Weitergabe seines Wagens auf die Familie, die Freunde oder die Nachbarn beschränken, die Übergabe mit einer speziellen Buchungsplattform im Netz abwickeln und seine eigenen Preise verhandeln, so Lampka.

Was der Autohersteller als Experiment mit offenem Ausgang ankündigt, hat das Start-up Drivy bereits umgesetzt: Auf der Internetseite drivy.de können die Teilnehmer nach Angaben des in Frankreich bereits seit mehreren Jahren aktiven Unternehmens ihr Fahrzeug immer dann zur Miete anbieten, wenn sie es selbst gerade nicht brauchen. Für Deutschland seien dort bereits 11.000 Autos registriert.

Allerdings müssen sie die Schlüssel dafür persönlich an den Gelegenheitsnutzer übergeben sowie vorher dessen Ausweis und Führerschein kontrollieren, erläutert das Unternehmen. Angst vor Schäden während der Überlassung seien unbegründet. Von den 30 Prozent Provision, die Drivy als Vermittler einbehält, werde auch eine umfassende Versicherung bezahlt.

Opel engagiert sich mit der neuen App CarUnity in der Sharing Economy: Wo man bei Car2Go von Daimler oder DriveNow von BMW nur die Fahrzeuge des Herstellers übernehmen kann, bietet der Hersteller nach eigenen Angaben eine Plattform für alle Marken.

Zwar seien dort auch Opel-Mitarbeiter und -Händler als Anbieter gemeldet, doch sei die Smartphone-App nicht darauf beschränkt: „CarUnity ermöglicht überall in Deutschland individuelle Mobilität – jederzeit und flexibel“, sagt Opel-Marketingchefin Tina Müller. Die Preise und den Kreis der möglichen Nutzer bestimmen die Teilnehmer, erläutert Opel. Und wie bei Drivy deckt auch der Hersteller das Risiko über eine Versicherung ab.

Gunnar Nehrke beobachtet solche Entwicklungen mit großer Neugier. Er ist Sprecher des Bundesverbandes Carsharing in Berlin und registriert seit Jahren eine wachsende Nachfrage nach Teilzeitfahrzeugen. Nicht umsonst sind die Carsharing-Flotten in Deutschland im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent gewachsen und umfassen derzeit gut 15.000 Fahrzeuge, die von über einer Million registrierter Teilnehmer genutzt werden können.

„Dass es solche neuen Angebote für privates Autoteilen gibt, belegt nur, wie aktuell das Thema Teilen gerade ist“, sagt Nehrke. Trotzdem macht er deutliche Unterschiede zwischen den eta­blierten und den neuen Angeboten aus. Stationsbasierte Dienste wie Flinkster hätten den Nachweis erbracht, dass damit die Zahl der Autos auf der Straße tatsächlich gesenkt werden kann.

„Ein Sharing-Fahrzeug ersetzt bis zu zehn Privatwagen“, zitiert Nehrke die Statistik. „Ob auch die neuen Angebote diesen Effekt haben, wird sich erst noch zeigen müssen.“ Wenn sich im Ergebnis ebenfalls eine Entlastungsleistung ergibt, wäre das sicherlich positiv. Aktuell geht es in seinen Augen aber bei vielen Angeboten vor allem darum, die hohen Anschaffungskosten für das eigene Auto durch die Hintertür wieder hereinzuholen oder zumindest zu drücken.

Eine gewisse Skepsis gegenüber solchen Projekten hegen auch Experten wie Hans-Georg Marmit von der Sachverständigen-Organisation KÜS: Der Verbraucherschützer hebt mahnend den Zeigefinger und rät dringend zur Lektüre des Kleingedruckten.

„Solange nichts passiert, sind solche Konzepte prima“, sagt Marmit. Doch die Lebenserfahrung zeige: Sobald es bei geliehenen Dingen einen Schaden gibt, steigt das Risiko für Streit und Scherereien. „Und da macht es kaum einen Unterschied, ob man früher im Freundeskreis eine Schallplatte weitergegeben hat oder heute einem Unbekannten sein Auto überlässt.“