Jahrzehntelang vermisste die Ferrari-Szene einen 250 GT SWB California Spider. Bis er – und 60 wertvolle Klassiker – in einem Schuppen auftauchte

60 automobile Klassiker rotteten seit Jahrzehnten in westfranzösischen Blechschuppen vor sich hin, bis ein Team vom Auktionshaus Artcuriel sie entdeckte. Darunter der Ferrari 250 GT SWB California Spyder von Alain Delon, der alleine ein zweistelliges Millionenergebnis bei der Auktion am 6. Februar 2014 in Paris erzielen dürfte.

Was für den Sammler Roger Baillon eine Tragödie war, entpuppt sich für Auktionshaus und Erben als Goldregen. Denn der Erlös der Fahrzeuge dürfte die 20 Millionen Euro leicht überschreiten – fast die Hälfte von dem, was das Pariser Auktionshaus im Vorjahr überhaupt mit Autos erzielte.

Baillon war ein Pionier des Automobilbauses. Seine Groß-Lastwagen waren nach dem Krieg gefragt, und als Spediteur hatte er mit ihnen in den 50er- und 60er-Jahren aufgrund einer besonderen Tank-Konstruktion fast ein Monopol bei Gefahrguttransporten. Einen wesentlichen Teil seines Vermögens steckte er in wohl mehr als 100 automobile Kostbarkeiten. Vor allem aus französischer Produktion, mit denen er die wagemutigen Konstrukteure, Designer und Karosseriebauer in Erinnerung halten wollte, deren technische Innovationen selten mit ökonomischem Erfolg verbunden waren.

Jedes Monopol hat mal sein Ende, und als Baillon Ende der 70er-Jahre mehr als 50 Autos verkaufte, wurde vermutet, dass sein Plan, den Delahaye und Talbot Lagos, den Hispano-Suizas, all diesen Legenden in einem Museum ein Denkmal zu setzen, gescheitert war. Niemand ahnte, dass der Mann auf seinem Gelände nicht nur alte rote Lastwagen aus eigener Produktion und besseren Zeiten hortete, sondern auch noch eine Vielzahl eben dieser Traumwagen, die um den Zweiten Weltkrieg herum entstanden. Im Zeitablauf kamen noch weitere hinzu, die belegen, dass Baillon den Traum des eigenen Museums gänzlich aufgegeben hatte.

Das Auto, das auf die Fährte des einzigartigen Schatzes führte, war eben gerade jener Ferrari 250 GT SWB California Spyder Shortwheel Base, von dem in Maranello nur 55 Stück entstanden. Die werden heute für mehr als zehn Millionen Euro gehandelt. Dass das Baillon-Exemplar so lange nicht entdeckt wurde, hat vermutlich einen einfachen Grund: Den Erben war der Wert nicht bewusst, und die Fachwelt hatte seine Seriennummer irrtümlich einem 250 GT SWB Berlinetta Lusso zugeordnet. 2001 schrieb Hillary A. Raab jr. die Seriennummer 2935GT dem Baillion-Spyder zu – in seinem legendären „roten Buch“, in dem alle wesentlichen Ferrari mit Seriennummern aufgeführt sind, die eine eindeutige Identifikation zulassen. Heute erledigt das Matthias Urban von F-Register.com, dem wir diese Information auch verdanken.

Niemand wusste, wo sich das Auto befand. Erst vor drei Jahren soll ein englischer Händler versucht haben, das Auto von den Baillon-Nachfahren zu erwerben. Die Verhandlungen scheiterten, aber die Fährte, auf der Artcuriel in den Westen des Landes kam, war gelegt.

Was jener Händler offenbar nicht ahnte und was Matthieu Lamoure, Chef der Motorabteilung von Artcurie, und Pierre Novikoff, Autospezialist der Firma, unter Stapeln alter Motormagazine und mit Balken gesicherten Wellblech-Dächern entdeckten, darf wohl als Jahrhundert-Fund der Automobilgeschichte gelten. Neben dem erwähnten Ferrari, für den man bei der Auktion in Paris bis zu 12 Millionen Euro erwartet, ist das zweite Highlight ein 1956iger Maserati A66, für den man 1,2 bis Millionen Euro veranschlagt.

Die beiden Italiener sehen im Vergleich zum Rest vergleichsweise passabel aus. Und bei den diversen Auktionen und Concours d’Elegance sind sie gern und oft gesehen, was auch für einen von Baillon gehorteten Bugatti Typ 57 gilt. Bei den Wagen der Marken Avions Voisin, Delage, Delahaye, Hispano-Suiza, Lagonda, Packard oder Singer handelt es sich um Raritäten, deren Namen nur wenigen Enthusiasten geläufig sind.

Augenscheinlich erfüllen sie den Zustand, für den der Begriff Scheunenfund kennzeichnend ist: vollständig, aber marode. Und dieser Zustand ist manchem Käufer wegen seiner Authentizität viel Geld wert: 2013 erzielte bei einer Bomhams-Auktion ein Aston Martin DB6 Scheunenfund annähernd denselben Preis wie ein frisch restauriertes Exemplar: Über 100.000 Pfund, mehr als 130.000 Euro.

Der große Vorteil der Baillon-Fahrzeuge: Sie sind vollständig. Gerade bei Vorkriegsautos, die in zwei- oder dreistelliger Stückzahl gebaut wurden, sind Ersatzteile kaum verfügbar. Da lohnt sich schon die Beseitigung von Standschäden, die Bearbeitung von Kotflügeln, das Polstern der Sitze und die Aufarbeitung von fast zerstörten Einzelteilen. Im Zweifelsfall wiegt ein prominenter Vorbesitzer schwerer als die Qualität der Restaurierungsbasis.

Alleine neun Fahrzeuge tragen das Talbot-Markenzeichen: Manch einem ist die Marke noch als Versuch der französischen PSA-Gruppe geläufig, die Fahrzeugpalette der von Chrysler in den 70er-Jahren erworbenen Firma Simca aufzuwerten, die nicht eben im besten Ruf standen. Der Imagetransfer misslang. In Wahrheit war die Geschichte des Autobauers schon mit dem Kauf durch Simca 1959 zu Ende.

Nur 36 Exemplare des Typs 26 Grand Sport wurden von 1947 bis Mitte der 50er gebaut. Gleich drei davon stehen bei Baillion in einem erbarmungswürdigen Zustand. Eines davon ist ein Cabriolet Saoutchik mit prominentem Vorbesitz. Der Wagen gehörte mal dem ägyptischen König Faruk. Ob das den Wert des Wagens steigert, sei dahingestellt – für die Prosa in den Exposés der Auktionatoren eine farbige Facette.

Wie hoch die Preise sein werden, die diese drei Wagen erzielen, ist schwer einzuschätzen. Aber bereits im letzten Jahrzehnt wechselten die Einzelstücke schon mal für eine halbe Million Euro den Eigentümer. Weil kein Wagen dem anderen gleicht, sind die Preise fast unkalkulierbar.