Der AMG GT ist so gut geworden, dass auch der Porsche-Vorstand den Wettbewerber sehr ernst nimmt – und sogar zu sticheln beginnt.

Drei „Goldene Lenkräder“ hat Porsche in diesem Jahr gewonnen, ein einzigartiger Erfolg für die bedeutende, aber kleine Marke. Doch anstatt sich einfach nur darüber zu freuen, konnte sich Porsche-Chef Matthias Müller eine Spitze in Richtung der Konkurrenz nicht verkneifen. Als der Vorstandsvorsitzende den Auto-Preis der Axel Springer SE für den Porsche 911 Targa als bestes Cabriolet entgegennahm, sagte er: „Das schönste Kompliment für uns ist, dass ein schwäbischer Hersteller versucht, unseren 911 nachzubauen.“

Das ist zwar technisch falsch, denn der neue Mercedes-AMG GT, um den es hier geht, unterscheidet sich in praktisch allen Details erheblich vom Porsche 911. Andererseits zielt Müllers Bemerkung doch in die richtige Richtung, denn das Auto von AMG buhlt natürlich um Porsche-Kunden. Um Menschen also, die rund 100.000 Euro, gerne auch etwas mehr, für einen Sportwagen mit rund 500 PS ausgeben. Die exakte Entsprechung zum AMG GT gibt es zwar nicht im Porsche-Universum, aber wer die Stoßrichtung nicht sieht, der muss schon Tomaten auf den Augen haben.

Matthias Müller hat da natürlich einen klaren Blick, aber ganz offensichtlich hat er auch ein kleines Problem: Er nimmt den neuen Wettbewerber so ernst, dass er, obwohl souveräner Marktführer im Segment, anfängt zu sticheln. Vielleicht liegt das daran, dass der AMG GT so gut geworden ist. Erste Testfahrten auf öffentlichen Straßen und der Rennstrecke ergaben, dass das neue Auto aus Affalterbach einen Vergleich mit dem Maßstab der Sportwagenklasse definitiv nicht scheuen muss. Aus drei Gründen.

Erstens: Der AMG GT, jedenfalls der getestete GT S, ist schnell, verteufelt schnell. 510 PS entwickelt der vier Liter große Biturbo-V8 (467 PS im einfachen GT), außerdem liegt das maximale Drehmoment bei 650 (600) Newtonmeter – aus diesen Daten ergibt sich ein Sprintwert von 3,8 (4,0) Sekunden auf Tempo 100 und eine Endgeschwindigkeit von 310 (304) km/h.

Zweitens: Der GT S produziert einen Sound, von dem man nicht gedacht hätte, dass man so etwas noch erleben darf. Ungeniertes Brabbeln, Spucken und Sprotzen entfährt den Auspuffrohren; wer hier nicht sofort den V8 erkennt, der hat etwas an den Ohren.

Die Soundingenieure jedenfalls haben ganze Arbeit geleistet – und die eher lärmfreundliche Gesetzeslage ungeniert ausgenutzt, das muss man gegenüber den Freunden des leisen Automobils auch zugeben. Besonders wenn man die Fahrmodi Sport, Sport Plus und Race wählt, kann es selbst den Insassen auf Dauer zu viel werden mit dem Krach.

Drittens: Der neue Sportwagen aus Affalterbach fährt sich mit geradezu chirurgischer Präzision. Das gilt auch für die normale Landstraße, wo man das Auto seinem Namen gemäß bewegen kann – wie einen Gran Turismo eben, also lässig, souverän und in wechselnden Kurven mit einem schönen Flow.

Das liegt zum einen am guten Leistungsgewicht: Der AMG GT S wiegt 1645 Kilogramm (GT: 1615 kg), und jedes PS muss hier nur 3,22 (3,49) Kilo schleppen. Zum anderen ist die Lenkung gut geworden, nur der spröde Fahrkomfort, jedenfalls auf schlechtem Asphalt, trübt den Eindruck etwas. Die Niederquerschnittsreifen (vorn 265/35 auf 19 Zoll, hinten 295/30 auf 20 Zoll) tragen ihren Teil zur trockenen Federung bei, auch Abrollgeräusche sind stets sehr präsent.

Und dies alles gilt für die komfortabelste der vier Einstellungen, die man mit einem Drehschalter auf der Mittelkonsole vorwählen kann. Die anderen drei Fahrmodi sind straffer, lauter, schneller, um es kurz zusammenzufassen. Man beeinflusst unter anderem das Ansprechverhalten des Motors (das übrigens für einen Turbo sensationell ist – jedes kleine Zucken im rechten großen Zeh wird sofort in Vortrieb umgesetzt), die Schaltgeschwindigkeit des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes, den Auspuffsound, Direktheit und Leichtgängigkeit der Lenkung sowie die Feder-Dämpferabstimmung. Und vor allem die Arbeit des ESP.

Um die Unterschiede sauber und vor allem sicher herauszufahren, sollte man sich auf eine abgesperrte Strecke begeben. Ganz allgemein ist der regelmäßige Besuch von Fahrtrainings auf Rennstrecken jedem Besitzer eines Sportwagens der 100.000-Euro-Klasse dringend anzuraten. Nicht nur, weil der Mensch da etwas lernt, sondern auch, weil das Auto sich eigentlich nur da in seinem natürlichen Lebensraum bewegt. Und sich auch nur dort einigermaßen seriös ausloten lässt, ob der Sportwagen hält, was sein Äußeres und seine technischen Daten versprechen.

Der AMG GT S zumindest ist auf einem Rundkurs ohne Gegenverkehr ein wahrer Quell der Freude. Der Modus Race schärft bei Mensch und Maschine enorm die Sinne, und das ESP lässt spürbare Driftwinkel zu, ehe es das dann und wann ausbrechende Heck schnell und effektiv wieder auf den Pfad der Tugend führt. Mit jeder weiteren Runde entpuppt sich das Auto mehr als vertrauensbildende Maßnahme, sodass man irgendwann auch mal wagt, das ESP komplett auszuschalten. Nun ist es am Fahrer, durch schnelles Gegenlenken ein schwänzelndes Hinterteil zu zähmen – und das gelingt gut, weil der AMG GT S in keiner Phase unberechenbar ist.

Die Traktion ist unglaublich, die Haftung der aufgezogenen Michelin Pilot Super Sport enorm, und man spürt rechtzeitig, wenn sich hinten etwas tun sollte. Das liegt auch am technischen Layout des Wagens mit einem weit hinter der Vorderachse platzierten Frontmittelmotor und dem Getriebe an der Hinterachse. Daraus ergibt sich eine Gewichtsverteilung leicht zugunsten des Hecks (53 zu 47 Prozent), was das Auto gleichermaßen agil und beherrschbar macht.

Ab und an bekommt man dennoch einen kleinen Schreck: Wenn man zufällig auf den Tacho schaut – wie bitte, so schnell? Das fühlt sich gar nicht so an.

Im März 2015 kommt der AMG GT S auf den Markt, er kostet 134.351 Euro (als Edition 1 mit besonderer Ausstattung 14.161 Euro mehr). Später im Jahr folgt der AMG GT für 115.430 Euro, an weiteren Varianten wird laut AMG-Chef Tobias Moers gearbeitet.

Vorstellbar ist natürlich ein Roadster, vielleicht auch eine Variante mit Allradantrieb, aber das ist derzeit Spekulation. Fest beschlossen ist bislang nur ein Rennwagen für die GT3-Klasse, der heute bereits entwickelt wird und 2016 in kompletten Rennserien antreten soll. Auch da dürfte er dem Porsche 911 das Leben schwer machen – dem Vorgänger des GT-Rennwagens, dem Flügeltürer SLS GT3, ist das jedenfalls gelungen.

Nur der 571 bis 625 PS starke Serien-SLS war mit Preisen von rund 185.000 bis weit über 200.000 Euro in einer anderen Liga angesiedelt und spielte daher in den Überlegungen der meisten 911er-Kunden keine Rolle. Das wird jetzt anders werden. Und daher ist es auch kein Wunder, wenn der AMG GT ab und zu in den Äußerungen des Porsche-Chefs eine Rolle spielt.