Für alle Neuwagen sind elektronische Reifendruckkontrollsysteme dann Pflicht. Der Verbrauch der Reifen soll dadurch gesenkt werden und die Lebensdauer steigen. In den USA gibt es dies schon seit 2008.

Der Durchschnittsdeutsche fährt seinen Wagen lieber fünfmal durch die Waschanlage, ehe er einmal zur Luftpistole an der Reifendruckkontroll-Station greift. Eine Umfrage von Reifenlieferant Bridgestone ergab auch: Nur 40 Prozent überprüfen regelmäßig den Luftdruck. Der TÜV Süd empfiehlt mindestens einen Check pro Monat, beim Übergang zwischen warmer und kalter Jahreszeit wie zurzeit sogar am besten wöchentlich. Denn 75 Prozent aller Reifenpannen sind die Folge eines schleichenden Druckabfalls.

Damit soll nach dem Willen der Gesetzgeber nun Schluss sein. EU-weit sind ab 1. November für alle Neuwagen elektronische Reifendruckkontrollsysteme (RDKS) vorgeschrieben, wie in den USA schon seit 2008.

Mit steigenden PS-Zahlen und Geschwindigkeiten wurden die Reifen in den Jahrzehnten nach dem Krieg immer kompetenter. Und der Druck, mit dem wir sie aufblasen mussten, tendenziell eher niedriger. Doch außer für Breitreifen-Fetischisten gehören sie bis heute zu den Autoteilen mit dem niedrigsten Emotionslevel. Reifen sind schwarz und rund und sollen vor allem eins: möglichst lange halten. Lästig ist es, den Druck regelmäßig zu prüfen. Denn beim Abdrehen der Ventile sind schmutzige Finger garantiert. Nein, in unserer zunehmend digitalisierten Autowelt wirkt Luftdruck prüfen wie ein Rückfall in analoge Ur-Zeiten.

Der ADAC musste im vergangenen Jahr 146.790 Mal wegen Reifenpannen ausdrücken – der dritthäufigste Schadensfall nach Batterie- und Elektrikdefekten. Trotzdem tobt beim Thema Drucksensoren-Pflicht gerade ein Shitstorm durch die sozialen Netzwerke. Reflexartig wird da „Brüssel“ und „den Politkern“ Aktionismus, Reglementierungswut und Beutelschneiderei unterstellt. Dass die 50-Cent großen Sensoren vielleicht auch etwas Gutes bewirken könnten, kommt nur wenigen in den Sinn. Zumal das Gesetz zunächst einmal nur jene betrifft, die in diesen Tagen einen Satz Winterreifen aufziehen lassen wollen. Denn auch die müssen mit ihrem eigenen Sensoren-Quartett bestückt sein.

Und zwar am besten gleich mit so genannten direkten Sensoren, raten Experten. Denn anders als die älteren indirekten Systeme – die über die ABS-Sensoren nur die Radumdrehungen und damit den Abrollumfang erfassen – messen die direkten Fühler weitaus schneller und exakter.

Direkt am Ventil montiert oder direkt in der Lauffläche des Pneus verklebt, erfassen sie neben dem Druck auch die Reifentemperatur. Zudem müssen sie bei einem Reifenwechsel auch nicht aufs Neue neu „angelernt“ und abgestimmt werden. Die Daten werden per Funk an einen Empfänger im Innenraum geschickt – die integrierten Batterien halten sechs bis sieben Jahre lang.

Korrekt aufgepumpte Pneus haben nicht nur eine längere Lebensdauer, sondern senken den Verbrauch und die CO2-Emissionen. Schon 0,2 bar Unterdruck treibt laut TÜV den Konsum um bis zu fünf Prozent nach oben. Der ADAC spricht von 0,4 Liter/100 km Mehrverbrauch – bei 0,5 bar zu wenig Luft. Jährlich könnten korrekt aufgepumpte Autoreifen über zehn Millionen Tonnen CO2 in Europa einsparen, behauptet Continental.

Und weist auf einen weiteren Vorteil hin: die kürzeren Bremswege. Aus 100 km/h kam ein Testwagen mit optimalem Druck im Gummi auf nassem Asphalt nach 51,1 Metern zum Stehen. Mit 1,6 statt 2,1 bar Druck verlängerte sich die Distanz auf 57,2 Meter.

Da die Autobauer die Produktion schon im Februar/März umgestellt haben, könne man davon ausgehen, dass jedes seit April bei uns verkaufte Neufahrzeug schon Sensoren hat, teilte der Bundesverband Reifenhandel mit. Wer es nachprüfen wolle, sollte auf die beim Starten des Motors kurz aufleuchtende Kontrollleuchte achten.

Für einen Satz Winterreifen mit Stahlfelgen der Größe 205/55 R16 und vier Sensoren sind statt wie früher rund 600 schnell 1000 Euro fällig. Ein Aufpreis, der sich laut Verband jedoch schnell amortisiere. 40 Liter weniger Sprit entlaste das Budget um 65 Euro, die 45 Prozent längere Laufleistung der Reifen führe zu nochmals 65 Euro Ersparnis. Unterm Strich habe man bei einer jährlichen Fahrleistung von 14.210 km (deutscher Durchschnitt) die Mehrkosten so schon nach drei Jahren reingeholt, rechnet der BRV vor.