Mercedes wagt ein mutiges Duell mit Porsche

An Selbstbewusstsein herrscht bei Mercedes kein Mangel: „Wir wissen, dass das Segment der Sportwagen von den Wettbewerbern bereits hochkarätig besetzt ist“, räumt Thomas Weber ein. Doch für den Daimler-Entwicklungschef ist das Ansporn und Antrieb zugleich. Er will den Vollgas-Fanatikern in aller Welt beweisen, zu welcher Performance seine Mannschaft fähig ist, und lässt deshalb jetzt den neuen GT von der Leine. Im kleinen Kreis bei AMG in Affalterbach enthüllt, feiert das Coupé seine Publikumspremiere Anfang Oktober auf dem Pariser Salon und kommt im Frühjahr 2015 zu Preisen ab etwa 115.000 Euro auf die Straße.

Zwar nutzt der GT den gleichen Aluminium-Spaceframe wie der SLS und fährt ebenfalls als Front-Mittelmotor-Sportwagen mit Transaxle-Konzept sowie Heckantrieb vor. Doch die Positionierung ist diesmal eine andere: War der SLS vor allem Traumwagen und Showstar und unter anderem deshalb mit den spektakulären Flügeltüren ausgestattet, will der GT ein ernsthafter Sportwagen sein, der so einen Schnickschnack nicht nötig hat. Etwas kompakter, nicht mehr ganz so opulent motorisiert, aber dafür stärker aufs Fahren fokussiert, zielt er nicht mehr auf Ferrari & Co., sondern räubert erstmals ernsthaft im Revier des Porsche 911. Für die Kunden hat das mindestens zwei Vorteile: Der GT dürfte noch besser auf der Straße liegen und noch schneller durch die Kurven schneiden als sein Vorgänger, und er wird vor allem ein gutes Drittel billiger.

Angst, im Mainstream unterzugehen, muss man mit diesem Mercedes trotzdem nicht haben. Zu breit ist der Bug mit dem gierig aufgerissenen Grill, zu lang die Haube, zu schlank die Flanke und zu knackig die Kehrseite, als dass der GT nicht zum Blickfang werden würde. Und innen wartet er mit allem Luxus auf, den man bei Mercedes gewohnt ist. Bis in die Decke reichen die Schalter für all die vielen Extras, die den GT einerseits zur S-Klasse unter den Sportwagen machen, ihm aber andererseits auch so manches zusätzliche Pfund aufbürden. Denn so gerne AMG das Coupé als Leichtgewicht darstellen möchte, stehen am Ende eben trotzdem mindestens 1540 Kilo auf der Waage – trocken, also ohne Sprit, ohne Öl und vor allem ohne den Fahrer.

Aber keine Sorge, der GT wird schon ordentlich vom Fleck kommen. Selbst wenn der komplett neu entwickelte V8-Motor nur noch 4,0 statt bislang 6,3 Liter Hubraum hat. Nicht umsonst spendiert AMG dem intern M178 genannten Triebwerk zwei Turbos, die erstmals bei einem Sportwagen mitten im V des Motorblocks montiert sind. Sie holen im Basismodell 462 PS aus den Zylindern. Wer den GTS bestellt, der kann sogar auf 510 PS bauen und damit ziemlich lange am Porsche 911 Turbo dran bleiben: Die 3,1 Sekunden von null auf 100 km/h und die maximal 318 km/h des Konkurrenten aus Zuffenhausen schafft der Bolide von Benz zwar nicht ganz. Aber mit 3,8 Sekunden und 310 km/h sieht der GT S im Stuttgarter Zweikampf besser aus denn je.

Der GT steht für wiederentdeckte Lust an Leistung bei deutschen Nobelmarken

Zwar lässt sich die Premiere in Affalterbach vorzüglich zum Showdown im Schwabenland hochschreiben. Doch der GT steht nicht nur für das mutige Duell von Mercedes mit Porsche. Sondern auch für wiederentdeckte Lust an der Leistung bei den deutschen Nobelmarken. Genauso, wie der SLS im GT weiterlebt, arbeitet Audi schließlich mit Hochdruck an einem Nachfolger für den R8. Und weil Porsche an der Zukunft des Elfers nie Zweifel gelassen hat, sind alle Premium-Hersteller bei der PS-Party mit dabei. Na ja, beinahe. Denn ausgerechnet BMW, wo angeblich die Freude am Fahren zu Hause ist, geht mit dem Öko-Sportler i8 einen eigenen Weg und hat sich vom Posing auf der Überholspur verabschiedet. Der CO2-Bilanz und dem grünen Gewissen mag das förderlich sein. Aber die Vollgas-Fraktion unter den Entwicklern in München dürfte die GT-Premiere vor diesem Hintergrund fast mehr schmerzen als die Kollegen von Porsche.