Viele Entwicklungen am Auto werden heute am Computer erledigt. Doch das allein genügt nicht

Mit wimmernden Reifen dreht die Limousine ihre Runden auf der Nürburgring-Nordschleife. Sie bremst ruckartig, beschleunigt wieder und schlängelt sich durch die Kurvenkombinationen. Die Karosserie ist mit wilden Mustern versehen, die Scheinwerfer und Rückleuchten sind abgeklebt. Es ist ein Auto auf Erprobungsfahrt, hinter dem Lenkrad sitzt ein Ingenieur. Denn trotz leistungsstarker Computer, Windkanälen und 3-D-Animationen ist die Erprobung auf Test- und Rennstrecken noch immer notwendig.

„Grundsätzlich werden alle Fahrzeuge und Komponenten eines Autos getestet. Hierfür kommen eben auch Teststrecken zum Einsatz“, sagt Micha Lesemann, Oberingenieur am Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen University und Geschäftsführer des Aldenhoven Testing Centers (ATC). Außerdem benötige man für eine Simulation valide Eingangsdaten. „Man muss ermitteln, wie die Realität aussieht. Das kann auf einer Teststrecke erfolgen, die reproduzierbare Bedingungen bietet“, so Lesemann. Außerdem seien die Fahrzeuge so komplex, „dass sich alle Wechselwirkungen trotz der enormen Rechenleistungen nicht zu 100 Prozent simulieren lassen“. Die meisten Hersteller haben deshalb eigene Strecken, auf denen sie ungestört ihre Runden drehen können. Opel zum Beispiel prüft in Dudenhofen und Pferdsfeld, Ford im belgischen Lommel, VW in Ehra-Lessien. Zusätzlich gehen fast alle in die USA, nach Kanada, Skandinavien und Südeuropa sowie auf den Nürburgring.

Ein Ende für die Autoquälerei auf Asphalt ist nicht in Sicht. „Die Fahrzeugentwicklung findet zwar immer mehr am Computer statt, dafür wird aber andererseits auch immer mehr Aufwand für die Feinabstimmung betrieben“, sagt Norbert Kessing, Manager Vehicle Dynamics bei Ford Europa.

Dadurch können die Ingenieure bei Komponenten mehr ins Detail gehen. Auch die Haltbarkeit und ihr Verhalten unter verschiedenen Umweltbedingungen können nur durch reale Fahrzeugtests überprüft werden. Daimler plant deshalb ein neues Prüf- und Technologiezentrum in Immendingen, eine Stunde Fahrtzeit vom Produktionsstandort Sindelfingen entfernt. Fahrer-Assistenzsysteme, die zur Unfallprävention beitragen, und auch Systeme zum autonomen Fahren stehen im Fokus. Aber auch, um ein neues Auto für die Serie zulassen zu können, müssen bestimmte Dinge geprüft werden, zum Beispiel Fahrgeräusche.

Uwe Schneider, Leiter Entwicklung Gesamtfahrzeuge Erprobung und Qualität bei Porsche, ist ebenfalls der Ansicht, dass die Entwicklung am Computer alleine nicht zur Serienreife ausreicht. Zwar hätten Prototypen durch die Computersimulation einen verhältnismäßig hohen Reifegrad. „Aber immer, wenn es darum geht, wie Systeme in einem realen Fahrzeug funktionieren und zusammenspielen, dann geht es in der Regel auf die Straße oder Teststrecke.“ Und dabei wird nicht nur dem Auto alles abverlangt, sondern oft auch den Prüfingenieuren.