Jaguar und Land Rover planen das superintelligente Auto: Es wird zum rollenden Butler

Wer viel auf deutschen Straßen unterwegs ist, konnte ja schon länger den Verdacht haben: Manche Autos haben mehr Grips als ihre Fahrer: Intelligente Motorsteuerungen, Automatikgetriebe oder Navigationstouchscreens machen moderne Fahrzeuge längst zum rollenden Superhirn.

Ein Tag in den Geheimlabors der Entwickler bei Jaguar und Land Rover (JLR) in Gaydon macht klar: Der Vorsprung an Klugheit wird steigen.

JLRs Direktor Forschung und Entwicklung, Wolfgang Epple, ist sich sicher, dass seine Autos in fünf, sechs Jahren schon ihren Fahrer besser kennen als dessen eigene Frau. Die Gattin weiß zum Beispiel nicht, dass ihr Mann am Nachmittag nach einigen Geschäftsterminen zum Tennisspielen gehen möchte, seine Heimfahrt am Abend durch eine Baustelle behindert wird und der Tank sich dann Richtung Reserve leert.

Sein Land Rover weiß es. „Dabei hilft die Synchronisierung mit dem Smartphone-Kalender und den Fahrzeugsystemen“, erklärt Epple. Das britische Auto kann dadurch vorausdenken – und wird zum perfekten Butler. Beim Einsteigen am Morgen erkennt er per App seinen Fahrer, stellt Sitz, Lenkrad, Spiegel und Musik ein – und erinnert daran, die Sportausrüstung nicht zu vergessen. Die Ziele im Navi hat er bereits eingestellt.

Das Auto lernt ständig dazu und vergisst dann nichts mehr

Klar, dass der Wagen-Butler nach dem Sport am Abend eine andere Strecke als die gewohnte vorschlägt, um den Stau zu umgehen. „Bitte die Gattin anrufen – es wird etwas später“, sagt er und zeigt schon mal die Nummer im Telefondisplay. Die Klimaanlage hat er übrigens eine Spur kühler als gewohnt voreingestellt – der Fahrer ist vom Sport noch etwas erhitzt. Und an die nächste Tankstelle erinnert das Auto selbstverständlich rechtzeitig.

Dass es auch andere Passagiere erkennt und auf deren Vorlieben ähnlich eingeht, ist schon im Bordcomputer vorgesehen. Dazu gehört übrigens auch deren Fahrstil. Mittels Auto Adaptive Cruise Control sammelt das System Daten zu Abstand, Geschwindigkeit oder Beschleunigung – und programmiert die Regelung so, wie der Mensch am Steuer üblicherweise fährt. Fummelei an Sitzen, Navi, Fahrdynamikschalter, Telefon oder Klimaanlage nimmt ihm das Auto ab. Und es lernt ständig dazu: Lieblingsstrecken, Ziele, typische Einstellungen ...

In wenigen Jahren wird das Fahrerlebnis aber auch noch auf eine ganz andere Weise revolutioniert: Per Wischbewegung in der Luft etwa sollen dann typische Befehle erteilt werden. „Gestensteuerung kennt fast jeder schon von Smartphones oder Spielkonsolen“, so Epple. Sensoren messen eine Veränderung des elektrischen Feldes – und ahnen so den Befehl auch ohne direkte Berührung voraus.

Moderne Smartphones können das heute schon auf eine Distanz von fünf Millimetern vor dem Bildschirm. Das System von Jaguar Land Rover erweitert die Reichweite des Messfeldes auf 15 Zentimeter. Eine Handbewegung oder jede andere innerhalb des Fahrzeugs ausgeführte Geste erkennt der Helfer und ordnet ihr unmissverständlich die richtige Anweisung zu. Das funktioniert im Testlabor bereits verblüffend fehlerfrei. Schiebedach auf, zu, gekippt: eine lässige Wischbewegung Richtung Dach genügt.

Komplizierter wird es technisch bei der nächsten Generation von Head-up-Displays. Die werden in acht bis zehn Jahren die ganze Windschutzscheibe einnehmen und dort wichtige Informationen anzeigen. Die gestochen scharfen Bilddarstellungen und Infografiken, die vor den Augen der Insassen schweben, erweitern erheblich den Blick auf die vor dem Fahrzeug liegende Straße. Navigationspfeile, aktuelle Geschwindigkeit oder mögliche Gefahrenpunkte bleiben stets im Blick.

Und wer sportliche Ambitionen hat, dem malt die Superwindschutzscheibe virtuell eine Ideallinie auf eine Rennstrecke und zeigt perfekte Schalt- und Bremszeitpunkte an.

Ins Kombiinstrument hinter dem Lenkrad schaut der Fahrer künftig eher, wenn er überholen oder rückwärts fahren will: Ein System analysiert nämlich ständig seine Kopf- und Augenbewegungen – und erzeugt so ein verblüffend natürliches 3-D-Bild im Kombiinstrument. So lassen sich Entfernungen verlässlich einschätzen, die die Kameras nach hinten oder zur Seite einfangen. Rück- und Seitenspiegel werden überflüssig. Zumindest, wenn der Gesetzgeber dabei mitspielt.