Tokio und Los Angeles: Zwei Automessen in einer Woche, und die PS-Branche scheint gespalten wie selten. Die Japaner sind findiger als jemals zuvor.

„Wir sind wieder da“, sagt Toyota-Chef Akio Toyoda als Präsident des japanischen Automobilhersteller-Verbandes. Der zurückgewonnene Stolz fußt nicht allein auf soliden Zulassungszahlen, die Japan wieder auf Platz drei der Weltrangliste sehen. Er basiert vor allem darauf, dass die Japaner endlich wieder mal ein paar Neuheiten beisammen haben: Nippon setzt alles daran, von Tokio aus den Amerikanern und ihrer LA Auto Show die Schau zu stehlen.

Zwar zielt auch die Messe in Los Angeles mit ihrer Design Challenge auf wilde Visionen. Doch während die Entwürfe dort nur auf Papier gezeigt werden, sind Autos wie der jetartige, schnittige Nissan BladeGlider mit drei Sitzen in Tokio reale Fahrzeuge. Zu den beeindruckenden Studien gehören das mit Gewichtsverlagerung zu steuernde E-Mobil Toyota FV2 und der fahrende Bürohocker UniCab2 mit E-Motor von Honda. Während diese drei Vehikel wohl am weitesten in eine mögliche Zukunft vorausschauen, wollen andere Visionskraft beweisen, indem sie Showcars für den Verkehr von heute zeigen. Subarus Cross Sport, das aussieht wie eine zu heiß gewaschene Mischung aus Ferrari FF und Porsche Panamera, könnte schon in zwei Jahren in Serie gehen. Und bei Mitsubishi steht mit viel Realitätsbezug der GC. Das SUV mit Plug-in-Hybrid hat das Zeug zum Nachfolger des Pajero, an dem der japanische Hersteller mit Hochdruck arbeitet.

Zudem präsentieren japanische Autobauer viele neue Serienmodelle, die sich von der eher langweiligen aktuellen Flotte abheben und so manche Nische neu entdecken. Bei Daihatsu rotiert ein weniger als der Vorgänger verspielter Mini-Roadster namens Kopen im Scheinwerferlicht und bekommt eine Halle weiter Konkurrenz vom neuen Honda S660, der mit einer Außenlänge von 3,40 Metern und 0,66-Liter-Motor in die japanische Kleinstwagenklasse der Kei-Cars gehört. Beide Modelle, wie auch andere neue Kei-Cars vom Stil des Suzuki Hustler oder des Honda N-Wagon, werden zwar den Japanern vorbehalten bleiben. Lexus, Nissan oder Subaru denken mit ihren Messeautos aber auch an die weite Welt. So hat die Toyota-Tochter das Mittelklasse-Coupé RC enthüllt, das – natürlich mit einem Hybridantrieb – ab nächstem Herbst gegen den 4er von BMW antreten soll. Von Nissan gibt es einen aufgefrischten GT-R, der in der Nismo-Version auf 600 PS kommt. Subaru zeigt die nächste Generation des Legacy, der in Tokio Levorg heißt. Und Honda hat den kleinen Geländewagen Vezel enthüllt, der bei uns 2015 gegen Opel Mokka & Co. antritt. Und was ist mit der Öko-Technik, mit der die Japaner in den vergangenen Jahren mühsam ihren Ruf als Technologie-Nation verteidigt haben? Die ist auf der Tokio Motor Show kaum ein Thema. Das heißt nicht, dass die Japaner alle Umweltsorgen vergessen hätten. Vielmehr sind Hybridautos dort so alltäglich wie bei uns der Diesel. Auch Elektroautos haben ihren Exotenstatus fast verloren – und müssen sich auf keiner Messe mehr in den Vordergrund drängen. Nur Mazda hat offenbar noch Nachholbedarf. Der Hersteller aus Hiroshima präsentiert den Dreier mit Hybridantrieb und eine elektrische Studie des Zweiers mit Wankel-Range-Extender. Toyota und Honda denken dagegen schon wieder weiter und starten ihr Rennen um die Brennstoffzelle: 2015 wollen beide endlich mit Wasserstoffautos auf den Markt kommen.

In Los Angeles wird man darüber wohl (noch) schmunzeln. Weil nirgends so viele teure, starke und schnelle Autos verkauft werden wie in Kalifornien, ist diese Messe traditionell eine große PS-Party. Das stärkste Stück ist der Galpin GTR1 aus Kalifornien. Konzipiert als Neuinterpretation des legendären Ford Mustang GT, stiehlt er der eiligen Elite aus der Großserienproduktion die Schau: Sein getunter V8-Motor mit 5,4 Litern Hubraum wird von zwei Turboladern beatmet und leistet gewaltige 1024 PS. Der GTR1 beschleunigt laut dem Hersteller in etwa drei Sekunden auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei über 360 km/h. Da kommen die anderen Sportwagenneuheiten aus Los Angeles nicht mit. Doch während es den GTR1 nur in Kleinserie gibt und Kunden für den Boliden rund eine Million US-Dollar locker machen müssen, sind Modelle wie die 340 PS bis 550 PS starke Coupé-Version des Jaguar F-Type (ab 67.000 Euro), der offene Porsche 911 Turbo und der Mercedes SLS AMG in der „Final Edition“ (ab 225.505 Euro) für eine breitere Käuferschicht gedacht. Beim SLS AMG allerdings müssen Interessenten nicht nur reich, sondern auch schnell sein: Nach insgesamt rund 12.000 gebauten Exemplaren gibt es nur noch die finale Sonderserie mit 350 Einheiten – dann ist der aktuelle Flügeltürer Geschichte.

Neben den Sportwagen stehen auf der LA Auto Show vor allem SUV und Pick-ups im Rampenlicht. Zwar muss man auch in Kalifornien recht weit fahren, bis man in die Wildnis kommt. Doch bei den miserablen Straßen in der Millionen-Metropole kann man den Einwohnern ihre Vorliebe für Geländewagen nicht verdenken. Die wird in den nächsten Wochen mit einer Reihe Neuheiten bedient, allem voran mit dem Generationswechsel in Amerikas wohl wichtigster Offroader-Familie: Nachdem General Motors vor Kurzem schon die Neuauflage des Cadillac Escalade enthüllt hat, feiern auf gleicher technischer Basis nun die Chevrolet-Modelle Tahoe, Suburban und Colorado sowie die SUVs GMC Yukon und Denali Premiere. Sie alle wirken noch größer und protziger, sind vornehmer ausgestattet – und fahren auf Wunsch wie gehabt mit einem Achtzylinder. Zwei Nummern kleiner ist der neue Ford Edge, der in Amerika im nächsten Sommer in den Handel kommt und 2017 auch in Europa erwartet wird. Er schreibt die Designlinie von Kuga & Co. fort, hat eine betont bullige Statur und will mit intelligenten Assistenzsystemen überzeugen. Über die Motorisierung redet auf der Messe noch niemand – dafür über die Einparkautomatik, die sich außerhalb des Fahrzeugs per iPad steuern lässt.

Nicht nur die US-Autobauer sind im SUV-Fieber. Auch die europäischen Hersteller mischen kräftig mit: Land Rover präsentiert auf der Messe die Langversion des neuen Range Rover, die rund 130.000 Euro kosten wird. Mercedes gibt einen Ausblick auf den kompakten GLA 45 AMG, der 2014 in Serie geht. Dazwischen rangiert der Porsche Macan, der im nächsten Frühjahr zu Preisen ab 57.930 Euro startet (das Abendblatt berichtete). Zwischen all den Gelände- und Sportwagen sind wichtige Messepremieren in anderen Segmenten rar gesät: Die nächste Generation des Mini (siehe Beistück) zählt dazu, ebenso das 4er Cabrio von BMW.

Wer durch und durch visionäre Konzeptfahrzeuge sehen will, ist in Los Angeles fehl am Platz. „Hier sind die Leute so ungeduldig, dass sie nicht mal grüne Bananen kaufen“, sagt Mercedes-Verkäufer Vinnie Mandsack. „Sie wollen auf ein Auto nicht jahrelang warten – selbst wenn es ein Traumwagen wird.“ Sämtliche Showcars auf der Messe haben eine gehörige Portion Bodenhaftung – selbst der spektakuläre Mercedes Vision Gran Turismo ist mehr als nur ein Schaustück: Der für ein Computerspiel entworfene und für die Messe ins Blech gepresste Wagen dient nach Angaben eines Mercedes-Sprechers als Stilvorlage für den Nachfolger des SLS AMG – und der kommt schon im nächsten Herbst.