An diesem Wochenende beginnen die Publikumstage der Internationalen Automobil-Ausstellung. Die IAA gilt als Welt-Leitmesse der Autoindustrie. Fast 1100 Aussteller aus aller Welt präsentieren bis zum 22. September ihre Weltneuheiten.

„Was ist denn DAS?!“ Zwischen vielen Hinterköpfen können wir schemenhaft ein Auto ausmachen. Gut, keine wirkliche Überraschung. Schließlich sind wir bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt. Aber schon das wenige, was sich erahnen lässt, führt dazu, dass wir den eigentlich wirklich hübschen Aston Martin Aston Martin sein lassen und uns durch die Menge staunender Menschen arbeiten. An der kniehohen Absperrung angelangt, die verhindert, dass Automobil-Enthusiasten den Wagen stürmen, Handabdrücke, Kussmünder und Speichelfäden auf dem Unikat hinterlassen, erkennen wir: Es ist ein Volvo. Oder vielmehr, es ist ein metallic-blauer Traum auf vier Rädern.

Diese bullige Schnauze mit dem Kühlerschlund, in dem ein Smart verloren gehen könnte. Diese elegante Linie, dieses wunderbare Heck. Wir sind verliebt. Und machen uns auf die Suche nach jemandem, der uns verraten kann, wann man Haus, Hof und Partnerin verscherbeln muss, um dieses Prachtstück besitzen zu können. „Das ist nur eine Designstudie.“ Ein Eimer kaltes Wasser hätte keine nachhaltigere Wirkung haben können. Das Volvo Concept Coupé wird nie über die Straßen rollen, wird nie Objekt des Neides und der Anerkennung dafür sein, dass Autobau auch Kunst sein kann.

Ein Besuch bei der IAA ist von solchen Momenten geprägt. Nicht immer ist es die schiere Unmöglichkeit, die einen aus dem achten Zylinder-Himmel zurück auf den kalten Asphalt der Realität holt. Manchmal sind es auch Kleinigkeiten. In der von Mercedes-Haustuner AMG zur Rennsemmel aufgebohrten A-Klasse versuchen wir vergeblich, den Bordcomputer mit den Fingern zu bedienen. Auch hier bekommen wir eine klare, aber etwas enttäuschende Antwort: Touchscreen bei Mercedes? Fehlanzeige. Zwar hat der freundliche Angestellte gute Argumente (komfortable Menüführung via Steuerrad, Sprachsteuerung und, und, und), aber etwas gestrig wirkt so ein Flachbildschirm, auf dem man keinen bleibenden Eindruck außer Fingerabdrücken hinterlässt, schon. Gerade in einem Wagen, der mehr als 56.000 Euro kostet. Im Opel Adam bekommt man das smartphonige Bedienkonzept schon für 300 Euro Aufpreis. Hier lauert die Enttäuschung woanders. Während man in der ersten Reihe durchaus komfortabel logiert, geht die Rückbank allenfalls als Notsitz durch. Zumindest, wenn man einigermaßen groß gewachsen ist. Mit Menschen jenseits der 1,80 Meter in beiden Reihen hat man hinten jedenfalls die Knie an den Ohren.

So schwankt man den ganzen Tag lang zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, ob nun im Bereich der Wagen, die sich auch Otto Normalfahrer leisten kann oder im Geschoss für den Am-Besten-Verdiener: Maserati hat ein vor Carbon und Kraft strotzendes Monstrum zusammengeschraubt, das auf den klangvollen Namen Gran Turismo MC Stradale hört. Und das Design der Mittelkonsole augenscheinlich einem knauserigen Autohasser überlassen. Graues Plastik, über das man bei einem Dacia großzügig hinwegsehen würde, das bei einem Supersportwagen aber jenseits von deplatziert wirkt. Den Italienern möchte man einen Blick Halle 6 empfehlen.

Der Wagen mit dem dämlichsten Namen steht hier

Dort, an einem kleinen Stand ohne das übliche Brimborium aus gleißenden Leuchten und lächelnden Hostessen, stehen zwei Autos, die von außen gefällig, aber nicht außergewöhnlich wirken. Und es dennoch sind. Der amerikanische Autobauer Tesla hat sein Flaggschiff, das Model S mit nach Frankfurt gebracht. Eine Limousine, deren Mittelkonsole kein Knopf verschandelt. Stattdessen prangt dort ein 17 Zoll großer Touchscreen, mit dem man alles Mögliche bedienen und anzeigen kann. Noch spannender als der Bildschirm ist allerdings der Antrieb. Tesla baut ausschließlich Elektroautos - und befindet sich damit auf der IAA in guter Gesellschaft.

Ob BMW i3, VW E-Up und E-Golf, diverse Mercedes Electric Drive-Modelle vom Smart bis zum 751 PS starken SLS AMG (den man zum Spottpreis von 416.000 Euro nicht mehr erwerben kann – die gesamte Kleinserie ist bereits verkauft) oder der in der hinterletzten Ecke der hinterletzten Halle versteckte Wagen mit dem wohl dämlichsten Namen der letzten Jahre, dem Mitsubishi i-MiEV: Elektromobilität ist das Thema des Jahres. Die Antriebskraft der am enthusiastischsten präsentierten Modelle kommt bei vielen Herstellern nicht mehr aus dem Zapfhahn. Sondern aus der Steckdose.

Besonders BMW hat sich 2013 ganz der neuen alten Technik verschrieben, seine gesamte Messehalle ins Zeichen der vollelektrischen i-Reihe, der Hybride und Spritsparer gestellt. Die automobile Unvernunft, beim bayerischen Autobauer leicht am Buchstaben M zu erkennen, wird verschämt in die Ecke gedrängt, in schummriges Licht getaucht. Nichts soll von der Probestrecke für das Strom-Mobil, die auf Stelzen quer durch die Halle führt und beweist, dass Elektroautos tatsächlich flüsterleise sind, ablenken. Zwischen den Hallen düsen der eigenwillig designte Stromer i3, der Opel Ampera und andere lautlose Gefährte als Shuttle durch die Gegend. Und nachdem wir uns zum x-ten Mal erschrocken haben, weil auf einmal etwas an uns vorbeiflitzt, ohne dass es sich vorher durch das Grollen eines Benzinmotors angekündigt hat, beginnen wir, uns Fahrassistenz-Systeme auch für Fußgänger zu wünschen.

Bis zum selbst fahrenden Auto dauert es noch

Die elektronischen Helfer nämlich werden immer intelligenter. Brems-Assistenten, Spur-Assistenten, Park-Assistenten, Kameras, die Fußgänger, Verkehrsschilder und alles andere erkennen, was einem so auf der Straße begegnet. Verschiedene Hersteller haben darüber hinaus ein Feature entwickelt, das wir, um uns nicht noch mehr merkwürdige Buchstabenkürzel merken zu müssen, kurzerhand auf den Namen Traktorstrahl taufen. Ein vollautomatischer Abstandshalter. Einmal eingegeben, hält der Computer die Entfernung zum Vordermann, ganz gleich, ob der nun bremst oder beschleunigt. Privatdetekteien werden sich freuen.

Bis zum wirklich selbst fahrenden Auto dauert es aber trotzdem noch. Autonom, also ohne Einfluss des Fahrers durch die Gegend rollende Wagen sind noch im Entwicklungsstadium. Mercedes hat eine S-Klasse mit diversen zusätzlichen Sensoren vollgestopft. Der S 500 Intelligent Drive hat es geschafft, selbstständig auf den Spuren von Bertha Benz von Mannheim nach Pforzheim zu fahren, 125 Jahre, nachdem die Ehefrau des Erfinders Carl Benz die erste automobile Fernfahrt auf ebendieser Strecke unternahm. Auf uns wartet nach sieben Stunden Messe ebenfalls noch eine Fernfahrt. Die zurück nach Hamburg. 500 Kilometer mit 15 Baustellen. Ein Auto, das diese Aufgabe auch ohne unser Zutun lösen könnte, käme uns jetzt ganz recht.