Die neue Generation von Chevrolets Sportwagen ist der Star der Detroit Motor Show. Er wurde seit 1953 knapp zwei Millionen Mal verkauft.

Sie ist eine Legende, hergestellt in den USA und dort wie Burger und Baseball gar nicht mehr wegzudenken. 60 Jahre gibt es sie schon, die Corvette von Chevrolet. Knapp zwei Millionen Mal wurde sie verkauft, weltweit wohlgemerkt. Wie kein anderer Sportwagen verkörpert dieses Auto den American Way of Drive. Kein Wunder also, dass die neue und siebte Generation auf der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit der Star schlechthin ist.

Ihre erste Sensation hatte die Messe schon in der Nacht vor der offiziellen Eröffnung, jedenfalls aus amerikanischer Sicht. Nicht genug damit, dass die C7 ihre Weltpremiere feiern sollte. Nein, als Mark Reuss, der Nordamerika-Chef von General Motors bei der Präsentation für Journalisten verkündete, weil diese Corvette so gelungen sei, werde sie wie 1959 und 1963 den Beinamen Stingray tragen, gab es kein Halten mehr. Die Gäste jubelten und schrien, als hätte ihre Mannschaft gerade den Super Bowl geholt. Die Corvette ist ein Mythos. Ein rollendes Nationalheiligtum, vergleichbar vielleicht mit dem deutschen Porsche 911.

"Sie ist mehr als nur ein Sportwagen", sagt GM-Chefdesigner Ed Welburn, er nennt das Auto "larger than life", größer als das Leben. Manager Reuss gibt zu Protokoll, die Corvette sei der Grund, warum er für diese Firma arbeiten wollte. Als das Wunderauto endlich auf die Bühne rollt, knallrot lackiert und mit Dach sowie Motorhaube aus Karbon, werden Hunderte Handys und Kameras in die Höhe gereckt. Das frisch enthüllte Stück ist fast eine Stunde so umlagert, dass man es aus sicherer Entfernung gar nicht sehen kann.

Was man mit etwas Geduld dann doch sieht, sind die neuen Kanten in der Karosserie - die Designer haben dem legendären Sportwagen die Linien gestrafft. Herrlich obszön ist die Idee, vier Auspuffendrohre unter dem hinteren Stoßfänger zu versammeln, und zwar alle direkt nebeneinander in der Mitte des Autos. Es sind solche Details, für die man sie liebt.

Rückblick, der 30. Juni 1953: Es war der Tag, als die erste Corvette vom Band rollte. Und von Liebe war in den folgenden Monaten nicht viel zu spüren, jedenfalls aus Sicht der Kunden. Denn bis zum Ende des Jahres wurden nicht einmal 300 Stück verkauft. Woran das lag? Im Vergleich zu anderen Hochkarätern wie zum Beispiel dem Jaguar XK 120 sah der Sechszylinder mit 150 PS alt aus. So war das Spitzentempo von knapp über 170 km/h nicht wirklich revolutionär, die elf Sekunden von 0 auf 100 km/h eher träge. Und auch der Preis auf dem Händlerschild, immerhin satte 3513 Dollar, animierte nicht zum Kauf. Erst im dritten Produktionsjahr bauten die Ingenieure der Corvette den legendären "Small Block"-V8-Motor ein, der Standard sämtlicher Generationen war - und die Erfolgsgeschichte maßgeblich mit einleitete.

In puncto Design, Technik und Leistung machte aber erst die zweite Corvette-Generation "Sting Ray" (Stachelrochen), benannt nach einer Rennwagenstudie, einen Riesensprung. Hatte die C1 noch auf einer modifizierten Pkw-Plattform basiert, handelte es sich bei der Zweitauflage um eine eigene, neu entwickelte Architektur mit niedrigerem Schwerpunkt, sportlicheren Sitzpositionen sowie einer neuen Rahmenstruktur mit hinterer Einzelradaufhängung. Die C2 etablierte zudem mit dem geteilten Heckfenster ein völlig neues Coupé-Designelement.

Zwar wartete jede Generation mit markanten Neuerungen und signifikanten Verbesserungen auf, doch den Charakter prägende Merkmale blieben erhalten. So kennzeichnet der Mix aus Moderne und Tradition auch die C7. Die Entwicklungsmannschaft um Chefingenieur Tadge Juechter hat dem Sportwagen ein neues Chassis mit Aluminiumrahmen und Karbonteilen am Unterboden gegeben, zudem wurde ein nagelneuer 6,2-Liter-V8 entwickelt, der nach alter Schule arbeitet, also ohne Turbolader. 450 PS und 610 Newtonmeter maximales Drehmoment sind die Eckdaten, und beim Verbrauch soll die neue Corvette - für ihre Verhältnisse - neue Maßstäbe setzen.

Das Auto kommt in den USA erst im dritten Quartal 2013 auf den Markt, so dass genaue Fahrleistungsdaten noch nicht veröffentlicht werden, aber Juechter verrät, dass die Corvette keine zehn Liter auf 100 Kilometer verbrauchen und in weniger als vier Sekunden auf 60 Meilen (97 km/h) sausen soll.

Neue Corvette-Sitze mit Magnesium-Rahmen, herausnehmbare Dachhälften aus Karbon, dazu ein Schalter, mit dem Fahrmodi gewählt werden können, zwei Achtzoll-Bildschirme im Innenraum - die Sportwagenlegende steckt voller Lösungen, die ihr die Fans europäischer Autos vielfach gar nicht zutrauen würden. Ein Leckerbissen ist zudem die Siebengangschaltung mit aktiver Drehzahlanpassung. GM hat hier sicher auch mit Blick auf die Konkurrenz seine Anstrengungen erhöht. "Wir haben natürlich ein Auge auf Porsche oder den Nissan GT-R", sagt Chefingenieur Juechter, "aber eigentlich gibt es keinen einzelnen Wettbewerber für uns. Die Corvette hat in den USA bei den Sportwagen einen Marktanteil von 30 Prozent, und die USA sind der wichtigste Markt für uns, wir müssen also vor allem auf uns selbst achten."

Will heißen: Das Besondere an dem Auto war immer, dass es ziemlich komplett war, also gleichermaßen schnell, heiß designt, innen gut nutzbar und trotzdem - spätestens seit Generation sechs - mit gutem, überraschend sportlichem Handling. "Die größte Herausforderung war, keine dieser Eigenschaften zu opfern", sagt Juechter.