In den Broschüren und Bedienungsanleitungen der Hersteller tauchen viele Anglizismen auf. Nicht jeder kann damit etwas anfangen.

Hamburg. Die Elektronik ist einer der wichtigsten Technologie-Treiber in der Automobilindustrie. Alles rund ums Fahrzeug wird komplexer, der Fahrer eines Pkw genießt inzwischen immer mehr Annehmlichkeiten. Was früher purer Luxus war, ist heute Normalität. Keine Frage, die Branche zählt zu den innovativsten überhaupt. Doch begreifen die Menschen noch, was ein Auto heutzutage alles bietet? Das fängt schon beim Radio an: Nicht wenige sind angesichts der steigenden Funktionalität schon damit überfordert, es schnell und bedarfsgerecht einzustellen. Sind wir der permanenten Neuerungen nicht überdrüssig? Und vor allem: Kommunizieren die Hersteller die Fähigkeiten beziehungsweise das technische Know-how eines fahrbaren Untersatzes kundenfreundlich, also verständlich? Schließlich stechen einem beim ersten Blick in die Verkaufsprospekte zahlreiche Anglizismen ins Auge, zum Beispiel "Audi pre sense basic", "Snap-In-Adapter Bluetooth" oder wie bei Mercedes das "Drive Kit Plus für das iPhone".

Das Hamburger Abendblatt wollte es genau wissen, durchstöberte mit Dutzenden Hamburgern unterschiedlichen Alters die Hochglanzbroschüren der Hersteller und prüfte sie auf Verständlichkeit. Zudem gaben die Befragten an, was sie für das Autofahren alles benötigen - und was nicht. Das Ergebnis war eindeutig: Zahlreiche Prospektbezeichnungen, zum Beispiel aus dem Bereich der Assistenzsysteme, ließen fragende Gesichter zurück. Auch zeigte sich, dass die Hamburger den technischen Neuerungen gegenüber zwar aufgeschlossen sind, aber viele Ausstattungsvarianten im eigenen Auto gar nicht benötigen.

Ein Musterbeispiel dafür ist Erdal Akim, 28, Systemadministrator aus Rotherbaum, der sich selbst als Auto-Kenner bezeichnet. Er sagt: "Zu viel Technik stört." Beim Blick in die Verkaufsprospekte denkt er unweigerlich an seinen Vater und die Schwester. "Die würden lange Ohren machen. Ich glaube nicht, dass sie viel verstehen." Akim selbst beweist das Gegenteil. Doch auch der technikaffine Mann, ein Carsharing-Befürworter mit dem Drang, sich ab und an einmal einen größeren Pkw wie die Mercedes S-Klasse auszuleihen, kommt einmal ins Grübeln. Auf ESP angesprochen, also das Elektronische Stabilitätsprogramm, rätselt er erst, versucht dann zu erraten, um letztendlich zu scheitern.

Schlimmer ergeht es der Auszubildenden Imke Groß, 21, und ihrer Mutter Susanne, 55, die einen Opel Meriva fährt. "Viele Fragen stellen sich da, wenn man so die Broschüren durchblättert", sagt die erfahrene Autofahrerin. Eine Einparkhilfe sei schon toll, aber viel mehr Extras bräuchte sie eigentlich nicht. Und was ein "active lane assist", adaptives Licht oder die Elektronische Differenzialsperre, kurz EDS, bedeuten? Kollektives Kopfschütteln. "Deutsche Begriffe würden es mir einfacher machen, aber selbst Fachtermini aus unserer Sprache verstehe ich in den Prospekten nicht", sagt Imke.

Für die Hersteller ist es ein Spagat und sehr schwierig, den Kunden einerseits auf Anhieb Klarheit zu verschaffen, andererseits als global agierendes Unternehmen gewisse Standards in puncto Sprache einzuhalten. "In über 100 Märkten entscheiden sich Kunden für Audi-Modelle, die in Design und Technik nahezu identisch sind. Daher bezeichnen wir Technologien wie aus dem Bereich der Assistenzsysteme einheitlich mit englischen Namen, um sicherzustellen, dass Ausstattungsmerkmale international wiedererkennbar und vergleichbar bleiben", sagt Moritz Drechsel, Pressesprecher Marketing und Vertrieb bei den Ingolstädtern, dem Abendblatt.

Richtig ist, dass die komplexen Funktionsweisen der Technologien in der Verkaufsliteratur über ihren Eigennamen hinaus erläutert werden. Komplett aufgeklärt waren die Befragten trotzdem nicht allesamt. Zur Verständlichkeit hat zum Beispiel Audi auf dem Web-Portal für den neuen A3 einen besonderen Service eingeführt: Über eine eigene Assistenzfunktion kann der Besucher per Video- oder Textchat direkt mit einem Kundenberater Kontakt aufnehmen und individuelle Fragen von zu Hause aus klären.

Menschen wie Wolfgang Hölder, Rechtsanwalt aus dem Grindelviertel, die sich partout nicht mit der Innovationskraft der Branche beschäftigen wollen, nehmen diesen Service gewiss nicht in Anspruch. Der 64-Jährige fährt seit zehn Jahren Mercedes S-Klasse. "Das Auto hat Funktionen, die mich gar nicht interessieren", gibt er offen zu. Dass sein Mercedes zum Beispiel dank "Active Body Control"-Fahrwerk satter auf der Straße liegt, wird und will er nicht wissen.

Laut Frank Härtel, Spezialist für Automobilforschung bei der GfK-Gruppe, eines der größten Marktforschungsunternehmen weltweit, werden Menschen wie Hölder immer mehr Funktionen in ihren Neuwagen vorfinden, die sie nicht in Anspruch nehmen. "Wenn ein Autohersteller in einem bestimmten Segment ein neues System einführt, muss es die Konkurrenz ebenfalls integrieren , egal, ob es nachgefragt ist oder nicht." Beispiele sind VW Golf VII und Volvo V40, die von der Spurkontrolle über den Einparkautomaten bis zur automatischen Notbremse ("City Safety System") fast alles bieten, was früher nur die Luxusklasse konnte.

Aus Sicht von Prof. Dr. Angelika Redder, Direktorin des Zentrums für Sprachwissenschaft (ZfS) an der Universität Hamburg, ist das Verwenden von Anglizismen im Deutschen an sich nichts Negatives: "Die deutsche Sprache ist sehr international. Wir haben aus zahlreichen Sprachen Ausdrücke übernommen. Das ist ein ganz normaler und begrüßenswerter Prozess. Zudem zeugt er von Witz, Kreativität und Offenheit, wenn dies zielführend und wohldosiert geschieht", so die Wissenschaftlerin.

Auf die Prospekte der Hersteller bezogen heißt das jedoch: Manchmal ist ein bisschen weniger eben doch mehr.