Im September rollt die kleinste Mercedes-Reihe als neues Modell zu den Händlern. Die Preise beginnen bei knapp 24 000 Euro.

"Kein Auto in diesem Segment ist so progressiv wie die neue A-Klasse", behauptet Gordon Wagener. Der Mercedes-Designchef gibt sich selbstbewusst, auch dafür wird er gut bezahlt. Tatsächlich wirkt das Design der A-Klasse, die im September zu den Händlern rollt, nicht nur im Vergleich zu den Konkurrenten Audi A3 und BMW 1er sehr mutig. Auch vom Vorgänger wendet sich das neue Auto radikal ab. Wer hätte das von den Schwaben erwartet? Mercedes wagt etwas!

Streng genommen war es Designer Mark Fetherston, der sich traute, von einer Jahrzehnte überdauernden goldenen Regel abzuweichen. Der zufolge müsse nämlich jeder Mercedes-Personenwagen aktuellen Modeströmungen trotzen. Mercedes Designer-Urgestein Bruno Sacco hatte das Postulat einst erhoben. Seine Exponate wirken bis heute nicht abgenutzt, wenngleich aus ihnen die Behutsamkeit der Elterngeneration spricht. Wohl auch deshalb wurde der heutige Mercedes-Chefästhet Gordon Wagener von Konzernchef Dieter Zetsche zur Verjüngung der Marke "verdonnert", ihr mehr Leichtigkeit in den formalen Ausprägungen der Fahrzeuge zu verpassen.

+++ Dieser Mercedes ist fast zu schade fürs Gelände +++

So treibt Wagener die Bedeutungsschwere des Mercedes-Designs jetzt in etwas flachere Gewässer. Hier ergreift Designer Fetherston nun die Gunst der Stunde. Er beschleunigt die Konturen der kompakten Karosserie der neuen A-Klasse-Generation, verpasst ihr mit großen Lufteinlässen vorn ein wenig Aggressivität und eine Form, die durch die lange Motorhaube eher an einen Hecktriebler erinnert, wenngleich es sich weiterhin um ein frontgetriebenes Fahrzeug handelt. Übrigens gestaltete Mark Fetherston auch den modernen Flügeltürers Mercedes SLS.

Die neue A-Klasse duckt sich 16 Zentimeter tiefer (Höhe 1,43 Meter), streckt sich um 41 Zentimeter (Länge 4,29 Meter), behält aber ihre Breite bei (1,78 Meter). "Unser Neuer fährt sportlicher als seine Konkurrenten", sagt Hans-Georg Engel über "seine" A-Klasse. Das begründet der Chefentwickler dieser Baureihe mit dem völlig neu aufgebauten Fahrwerk. Der einfache Fahrzeugboden (der Vorgänger besitzt einen doppelten, um im Zwischenraum die Antriebstechnik aufnehmen zu können) für einen 40 Millimeter tieferen Schwerpunkt als bisher stützt sich auf eine Vierlenker-Hinterachse aus leichtem Aluminium und vorn auf eine McPherson-Achse, deren Räder eine elektromechanische Lenkung dirigiert. Die Abstimmung aller Komponenten dient nicht - wie bisher - vorrangig dem Ziel, das komfortabelste oder gar funktionellste Angebot im Kompaktsegment bereitzuhalten, sondern das sportlichste - optisch als auch fahrdynamisch.

"Die neue A-Klasse hat mit der bisherigen Generation so wenig gemein, dass wir sogar überlegt hatten, sie mit einem eigenständigen Namen zu taufen", erinnert sich Gordon Wagener. Doch offenbar gingen den Marketing-Strategen die Buchstaben aus. So blieb das A die einzige Konstante.

Für Vorfreude auf diesen Flitzer sorgt ab Jahresende der A 250 Sport. Seine 211 PS aus dem aufgeladenen 2.0-Liter-Vierzylinder sollen die Leistungslücke zu den ab der Markteinführung erhältlichen Aggregaten stopfen. Alle Benziner kommen mit Direkteinspritzung und Turbolader für hohe Leistung bei gleichzeitig minimiertem Verbrauch. Im A 200 und A 250 stellen sie 156 bzw. 211 PS bereit. Dazu gesellt sich der A 180 mit 122 PS aus 1,6 Liter Hubraum. Das Diesel-Angebot umfasst zunächst den A 180 CDI und A 200 CDI mit 109 bzw. 136 PS aus 1,8 Liter Hubraum. Wer eine gemütliche Fahrweise bevorzugt, greift zum Sparmeister dieser Baureihe. Er kommt Ende des Jahres als A 180 CDI mit 109 PS und emittiert nur 98 g CO2/km.

Wie radikal die Verjüngung von Baureihe vorangetrieben wird, lehrt die Integration der Mercedes-Tuningabteilung AMG bereits in die Produktentwicklung. AMG-Chef Ola Källenius: "Dadurch konnten wir Wünsche für einen echten AMG auch in diesem Kompaktwagen-Segment einbringen." Ab 2013 wird der A45 AMG die Baureihe toppen. Stolze 340 PS aus einem aufgeladenen 2,0-Liter-Vierzylinder treiben alle vier Räder an. Mehr als 400 Newtonmeter Drehmoment dürften, begleitet von künstlich erzeugtem "Backfire" (akustisches Auspuffblubbern bei Gaswechseln), für Vortrieb auf dem Niveau des schnellen Audi TT RS+ sorgen, der bekanntlich dem Porsche Boxster fahrdynamisch sehr nahe kommt.

Trotz aller Sportlichkeit verzichtet Mercedes-Benz auch in der neuen A-Klasse selbstverständlich nicht auf zeitgemäße Sicherheitstechnik und ein ganzes Bündel von Fahrer-Assistenzsystemen, die man bereits aus den nächsthöheren Fahrzeugklassen kennt. Sie dienen dem Fahrer sowie dem Unternehmensprofit gleichermaßen. Denn zum Einstandpreis von 23 979 Euro dürfte wohl keine neue A-Klasse den Mercedes-Händler verlassen.

Die Ernsthaftigkeit des konsequent auf die Karte "Sportlichkeit" setzenden Projekts mündet indes nicht nur in die Wuchtbrumme A45 AMG. Ab 2014 kommt auf Basis der neuen A-Klasse ein viertüriges Coupé mit nochmals schärferem Profil hinzu. Und bietet das Comand-System durch eine umfassende Zusammenarbeit mit Apple schon heute umfassende Vernetzung mit sozialen Netzwerken, eigenen Mercedes-Apps und Cloud-Computing an, so wird der kommende Mercedes CLA zu einer Art iPhone auf Rädern. Vorwiegend für Stadtmenschen gedacht, die in den Schluchten der Metropolen unter Einsamkeit leiden. Spätestens dann sollte klar werden, dass Gordon Wagener seinen Mund nicht zu voll genommen hat.