Für einen erfolgreichen Wandel braucht der Hersteller jetzt einen Treffer in der wichtigen Kompaktklasse. Am VW Golf kommt man aber nicht vorbei.

Frankfurt. Daran lässt man selbst bei Opel keinen Zweifel: "Der König der Kompaktklasse ist der VW Golf", räumt Andreas Marx ein, der das Produktmarketing der Hessen leitet. Doch Bange machen lässt er sich davon nicht. Im Gegenteil: Trotzig bläst Opel Ende November zu Preisen ab 15 900 Euro mit dem neuen Astra zum Sturm auf den Golfplatz und will dort mit innovativer Technik, leidenschaftlichem Design und gesenkten Kosten für Kauf und Unterhalt nicht nur eine Million Astra- und Kadettfahrer bei der Stange halten, sondern immerhin 30 Prozent neue Kunden gewinnen - natürlich vor allem aus Wolfsburg.

Ein hoher Trumpf im Stechen mit dem ewigen Dauerbrenner aus Wolfsburg ist das Fahrverhalten, das von einer neuen Hinterachse und dem variablen Dämpfersystem Flexride lebt. So konnten die Ingenieure die Eigenschaften des Astra weiter spreizen. Ohne die Sportlichkeit des Vorgängers aufzugeben, wirkt der Wagen nun - dank größerem Radstand und breiterer Spur - sehr viel komfortabler und gelassener, wenn man über die Autobahn rollt. Kaum ist man jedoch auf der Landstraße und drückt die Sporttaste, färbt sich nicht nur das Cockpit rot ein. Auch werden Federn und Dämpfern härter, die Lenkunterstützung geht zurück und aus der braven Familienkutsche wird ein Sportwagen für die Westentasche.

Starten soll der Astra zunächst mit acht Motoren. Die vier Diesel decken eine Spanne von 95 bis 160 PS ab und verbrauchen im Mittel 4,6 Liter. Bei den Benzinern beginnt das Programm mit 100 und reicht hinauf bis 180 PS. Hier liegt der Durchschnittsverbrauch bei 6,1 Litern. Besonders stolz sind die Hessen auf den neuen 1,4-Liter-Benziner, der auf 140 PS kommt und 5,9 Liter verbraucht. Weil die Entwickler den kleineren Hubraum mit einem Turbolader kompensieren ("Downsizing"), sind das fast 18 Prozent weniger als beim 1,8-Liter des Vorgängers.

Bei den Testfahrten macht der kleine Turbo eine ganz ordentliche Figur. Zwar fällt er beim Anfahren in das übliche Loch des Laders und verlangt nach reichlich Drehzahl, die mit dem leichtgängigen Sechsganggetriebe freilich mühelos bereitgestellt wird. Aber erst einmal in Schwung, nimmt er zügig Fahrt auf, klingt sonor und läuft kultiviert: 9,7 Sekunden von 0 auf 100 und eine Höchstgeschwindigkeit von 205 km/h sind deshalb ein gutes Ergebnis.

Weil traditionell mindestens jeder zweite Astra als CDTI bestellt wird und der Diesel in der CO2-Bilanz besser abschneidet, stellt Opel auch einen sauberen Selbstzünder in Aussicht. Ab Frühjahr gibt es den Astra 1.3 CDTI ecoFlex mit 95 PS als neues Sparwunder: Eine optimierte Aerodynamik, ein modifiziertes Getriebe und Reifen mit reduzierten Rollwiderstand drücken den Verbrauch auf 4,2 Liter und den CO2-Ausstoß auf 109 Gramm. Das ist zwar für ein Auto dieser Größe mehr als respektabel. Doch weil Opel bislang weder ein Start-Stopp-System vorweisen kann noch überschüssige Energie nutzt ("Rekuperation"), reicht es nicht für das Siegertreppchen.

Beim Sturm auf den Thron der Kompaktklasse setzt Opel zuallererst auf das Design. Deshalb hat das Team viel Schwung aus dem Insignia mitgenommen: Wie der große Bruder trägt er einen scharfen Schmiss in der Flanke, hat weit ausgestellte Hüften und einen schmucken Bogen im Dach. Außerdem zieren die Leuchten vorn wie hinten nun die markanten Lichthaken, die künftig an jedem Opel strahlen sollen.

Innen bereitet der Astra seinen Besitzern einen warmherzigen Empfang: Er nimmt die Insassen buchstäblich mit offenen Armen auf und umschließt sie mit einer Armaturentafel, die weit in den Türen ausläuft. "Diese Stilrichtung haben wir ebenso vom Insignia übernommen wie die in dieser Klasse einmalige Ambiente-Beleuchtung", sagt Designer Uwe Müller. Bei der Formvorlage ist es nicht geblieben: Selbst einzelne Komponenten wie das Lenkrad, die Chromspangen und der Schaltknauf kommen direkt aus dem Flaggschiff. Aber nur mit Emotionen kann man ein Auto ohnehin nicht verkaufen, weiß Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster und rühmt deshalb auch die technische Aufrüstung des Astra. Extras wie das adaptive Lichtsystem mit neun unterschiedlichen Fahrbahnausleuchtungen, die Kamera zur Erkennung von Fahrspur und Verkehrszeichen, den im Heck integrierten Fahrradträger, den ergonomisch ausgezeichneten Sitz oder das beheizte Lenkrad - all das sucht man in dieser Klasse sonst vergebens.

Nicht nur bei der Ausstattung hat der Astra einen Schritt aus der Golf-Klasse gemacht. Auch das Maßband zeugt vom Aufstieg des Hoffnungsträgers: 17 Zentimeter mehr Länge und sieben Zentimeter mehr Radstand lassen den Herausforderer auf 4,42 Meter wachsen und sprengen die Grenzen des Segments. Auf allen fünf Plätzen bietet der Astra genügend Platz. Außerdem gibt es praktische Ablagen und einen pfiffigen Kofferraum. Er fasst nicht nur 370 bis 1235 Liter, sondern glänzt auch mit einem variablen Ladeboden, der in drei Höhen arretiert werden kann.

Natürlich könnten die Zeiten besser sein für den Start eines so wichtigen Autos. Doch wie schon der Insignia, der Hoffnung und Halt in der tiefen GM-Krise gegeben hat, kommt für Carl-Peter Forster auch der Astra genau im richtigen Moment: "Dieses Auto wird zum Boten einer spannenden Zukunft."