Das Auto gibt einen Ausblick auf das Design der nächsten B-Klasse aus Stuttgart, aber auch auf die umweltverträglichen Antriebe der Zukunft.

Stuttgart. Als die Mercedes-Forscher vor ein paar Jahren den "Kofferfisch auf Rädern" präsentiert haben, gab es neben viel Applaus auch reichlich Gespött: Zu schräg und abstrus sah der Kleinwagen aus, der nach dem Vorbild der Natur gezeichnet und auf einen minimalen Strömungswiderstand hin konzipiert war. Doch mittlerweile ist das Konzept ein bisschen gereift, hat von der Forschungsabteilung in die Entwicklung gewechselt und könnte so zum Vorbild für die nächste B-Klasse werden. Denn was einmal als visionäres "Bionic Car" begonnen hat, ist mittlerweile zur zukunftsträchtigen Studie "Blue Zero" geworden. Und weil Mercedes damit offenbar mehr vorhat als nur ein bisschen Show und Schein, stand der giftgrüne Elektroflitzer jetzt sogar zu einer ersten Ausfahrt bereit.

"Die Entwicklung dieses Autos war für uns eine Gratwanderung", räumt Projektleiter Uwe Skrzypek ein, der mit einem Team von 50 Experten neun Monate Zeit hatte, um die Ideen der Designer fahrbar zu machen. Auf der einen Seite sollte die Studie Aufmerksamkeit erregen und musste deshalb entsprechend futuristisch und spektakulär aussehen. Andererseits aber wollten die Schwaben ein seriöses Fahrzeug hinstellen, dem man seine Nähe zur Serie abnimmt. Schließlich ist es für den Blue Zero nur noch ein kurzer Weg vom Wunsch zur Wirklichkeit.

Von außen sieht der B-Zero so unkonventionell aus, dass sich tatsächlich alle nach dem metallisch schimmernden Würfel mit der windschnittigen Hakennase und den markanten Falzen in den Flanken umdrehen - so flott und pfiffig verpackt hat man die B-Klasse schließlich noch nie gesehen. Und die phosphorisierenden Plastikscheiben auf den Alufelgen, die ebenfalls grünlich schimmernde Verkleidung des hinteren Radhauses sowie die LED-Scheinwerfer mit einer leuchtenden Fackel sowie die mit dutzenden LED-Punkten strahlenden Rückleuchten tun ein übriges beim Reiz der Netzhaut.

Aber sobald sich die federleichten Türen öffnen und man unter dem transparenten Solardach auf einem der fünf Sitze Platz nimmt, fühlt man sich auf Anhieb wie zu Hause. Das Cockpit ist ein bisschen bunter als normal, die Sitze glitzern metallisch wie die Haut eines Haifischs. Doch alle Schalter und Hebel sind mehr oder minder direkt aus der Großserie übernommen und sind genau dort, wo man sie erwartet. "Der Einsatz bekannter Komponenten gibt uns die nötige Glaubwürdigkeit und unterstreicht die Nähe zur Serie", rechtfertigt Skrzypek diesen bei Studien eher ungewöhnlichen Schritt.

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Selbst der Antrieb hat beinahe schon den Stand der Serie - zumindest der Kleinserie. Denn vorn unter der Haube steckt der gleiche Elektromotor, der auch die Brennstoffzellen-Variante der B-Klasse in Fahrt bringt: 136 PS stark und mit vollem Drehmoment ab der ersten Sekunde garantiert er einen Kavalierstart, bei dem jeder Sportwagenfahrer blass wird. Und auch wenn dem Stromer kurz nach dem ersten Sprintstück ein wenig die Luft ausgeht, würde es immerhin für Tempo 150 reichen - wenn Skrzypek nicht so viel Sorge um sein millionenschweres Einzelstück hätte.

In diesem Blue Zero setzt Mercedes ausschließlich auf elektrische Mobilität und hat deshalb Lithium-Ionen-Akkus für 200 Kilometer eingebaut und "E-Cell" auf die Motorabdeckung geschrieben. Mit dem gleichen Design gibt es auch die Idee von einer Version mit Brennstoffzelle und Wasserstofftank, die als "B-Cell" dann schon 400 Kilometer Reichweite hat, sowie eine "E-Cell Plus"-Variante, bei der in der Reserveradmulde als Notstrom-Aggregat der Dreizylinder-Diesel aus dem Smart montiert wird: Sobald die Akkus leer sind, wirft er den Generator an und produziert dann Strom für insgesamt 600 Kilometer.

Damit ist die Blue-Zero-Flotte auch eine späte Genugtuung für die Entwickler des nun schon über zehn Jahre alten Sandwichkonzeptes. Dafür wurden die Konstrukteure bislang arg gescholten, weil dieser doppelte Boden die A- und B-Klasse zwar ungeheuer sicher, aber auch unförmig und teuer gemacht hat. Nun aber packen die Ingenieure genau in diesen Zwischenraum die gesamte Antriebstechnik und müssen so nicht mit den Platzproblemen ringen, die bei anderen Elektroautos auftreten: Kopf- und Kniefreiheit, Variabilität und Kofferraum bleiben völlig unbeeinträchtigt.

Wann der Blue Zero oder einzelne Elemente von ihm in welcher Form und welchem Umfang in Serie gehen, kann und will Projektleiter Skrzypek nicht verraten. Doch der Fahrplan ist längst geschrieben. Schon im nächsten Jahr will Mercedes A- oder B-Klasse mit Elektroantrieb zeigen, und bis zum nächsten Generationswechsel in dieser Baureihe dauert es auch nicht mehr allzu lange. Die Prototypenbauer haben sich darauf bereits eingestellt. Nebensächlichkeiten wie Sicherheitsanforderungen, Dauerhaltbarkeit und nicht zuletzt die Kosten werden von ihnen zwar geflissentlich ignoriert, und für manche neuen Materialien würde Skrzypek seine Hand noch nicht ins Feuer legen wollen. Doch im Grunde ist der Weg in die Wirklichkeit bereits geebnet, lässt der Projektleiter durchblicken: "An dieser Studie gibt es nichts, was man nicht auch in Serie machen könnte."