Gerade beim seitlichen Aufprall gegen einen Baum sind die Pkw-Insassen gefährdet.

Hamburg. Diverse Airbags und zahlreiche elektrische Helfer, die im Notfall zur Stelle sind - ein modernes Auto bietet so viel Sicherheit wie nie zuvor. Das Problem dabei: Autofahrer lassen sich nicht selten vom Gefühl absoluter Sicherheit einlullen und neigen zu der Überzeugung, dass ihnen im Grunde kaum noch etwas passieren kann. Schließlich sind auch im Fernsehen immer wieder Crashtests zu sehen, die zeigen, dass nicht einmal die rasante Fahrt an die Wand tödlich enden muss. Doch so umfangreich die Vorkehrungen im Hinblick auf Unfallgefahren sind - die Sicherheit im Auto hat ihre Grenzen.

Ein anschauliches Beispiel aktueller Sicherheitstechnik hat der ADAC mit einem ungewöhnlichen Crashtest geliefert. Objekt der geplanten Zerstörung war dabei ein Renault Laguna: Ein Modell also, das bei dem bekannten und üblichen Crashtest nach der Norm EuroNCAP auf "Fünf Sterne" und damit ein hervorragendes Ergebnis kam. Allerdings kracht ein Auto im Rahmen des Normtests mit gerade einmal 64 km/h gegen eine Barriere. Die Tester wollten bei ihrem Crash nun aber wissen, was geschieht, wenn genau so ein Auto diesen Test mit 80 km/h absolviert - was ja auch immer noch eine übliche Geschwindigkeit ist.

Das Ergebnis überraschte: Der Geschwindigkeits-Unterschied von gerade einmal 16 km/h führte dazu, dass die Sicherheitstechnologie dieses modernen Autos an ihre Grenzen geriet. Während beim Norm-Crash die Insassen noch unverletzt geblieben wären, sah es nun gänzlich anders aus: Trotz Gurt, Gurtstraffer und Airbag prallte die Brust des Fahrers hart auf das Lenkrad - denn das war durch den Aufprall in Richtung Innenraum verschoben worden. Auch die Fahrgastzelle blieb bei Tempo 80 nicht mehr stabil, die Möglichkeiten der Knautschzone waren erschöpft. "Die grundsätzliche Botschaft dieses Crashtests bestand darin, dass man sich nicht zu leicht in Sicherheit wiegen sollte", sagt ADAC-Sprecher Christian Buric. Zwar spiegele der EuroNCAP-Test zwei Drittel aller Unfälle wider - aber eben nicht alle. Und bei manch anderem Unfall könne die "passive Sicherheit an ihre Grenzen stoßen", da wesentlich höhere Kräfte auf das Fahrzeug einwirken.

"Es ist eine Tatsache, dass auch Airbags irgendwann nichts mehr nützen", bestätigt Welf Stankowitz vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Dabei geht es im Endeffekt nicht nur um das gefahrene Tempo: "Es sind die konkreten Belastungen und nicht allein die Geschwindigkeit." Was das bedeutet, erläutert Thomas Wolff, Leiter der Sicherheitsforschung im Allianz Zentrum für Technik (AZT): "Große Gefahren bestehen zum Beispiel immer dann, wenn etwas direkt auf die Insassen einwirkt." Ein typisches Beispiel dafür ist der seitliche Aufprall eines Autos auf einen Baum. Gerade zur Seite hin hat die Karosserie keinerlei Knautschzone, die Aufprallkräfte können kaum abgebaut werden - die Verletzungsgefahr ist also hoch. Ein weiteres Beispiel hat ebenfalls mit einem Baum zu tun: Trifft der nämlich bei einem Frontalaufprall nicht auf die schützenden Karosseriestrukturen, sondern dringt zwischen Motor und Längsträger ein - dann nützt selbst modernste Sicherheitstechnik tatsächlich nur wenig.

Hinsichtlich der Verletzungswahrscheinlichkeit der Insassen kommen aber noch weitere Punkte hinzu. "Die körperlichen Grenzen haben auch etwas mit dem eigenen Trainingszustand zu tun", sagt Welf Stankowitz. Zum Beispiel treten durch den - nach wie vor sehr wichtigen - Sicherheitsgurt bei einem Unfall hohe Kräfte am Oberkörper auf. Übersteht ein gut trainierter Körper eine solche Situation vielleicht noch ohne Probleme, kann es bei einem Senioren zu Rippenbrüchen kommen. Alles in allem sind die aktuellen Sicherheitsmerkmale der Autos aber nach Meinung der Experten eine wichtige Sache: Unfälle, die in den 70er-Jahren definitiv tödlich endeten, kann man heute teils sogar ohne ernste Verletzungen überleben. Aber: Jeder Unfall läuft unterschiedlich ab - und deswegen sollte niemand auf absolute Sicherheit im Auto vertrauen.