Händler exportieren die angekauften Fahrzeuge über den Hamburger Hafen zumeist nach Afrika.

Hamburg. Sie befallen die Stadtviertel im Morgengrauen wie Heuschrecken. Grüne, gelbe oder orange Kärtchen mit der Aufschrift: "Kaufe Ihr Auto - auch ohne TÜV und Unfallwagen - zahle guten Preis." Skeptisch macht, dass darauf meist Firmenangaben fehlen und oft nur eine Mobilfunknummer notiert ist. "Dahinter verbergen sich zumeist Autohändler, die Fahrzeuge in den Nahen Osten, nach Afrika und Osteuropa exportieren", sagt der Hamburger ADAC-Sprecher Matthias Schmitting.

Einige dieser Händler haben sich in den Automeilen Ausschläger Allee oder Süderstraße angesiedelt. Auf ihren Plätzen findet man vor allem ältere japanische oder deutsche Limousinen, häufiger fünf- als dreitürig, in dunklen Farben, oft mit Klimaanlage und vielen Ausstattungsextras. Dass die Wagen Blechschäden haben und demnächst ablaufende TÜV-Plaketten, ist nicht von Belang. "Fahrzeugschäden werden im Bezugsland mit billigen Reparaturen beseitigt", erklärt Schmitting. Technische Prüforganisationen und Abgasvorschriften existieren dort nicht.

Geringere Kosten für Instandsetzung und Reparaturen könnten der Grund sein, dass besagte Händler Interessenten relativ hohe Angebote für ihre betagten Wagen machen. Adäquate Preise kann der autorisierte Handel nicht zahlen. Hier kostet eine Arbeitsstunde um die 90 Euro, auch Originalteile sind teuer. Gleichzeitig schreitet der Wertverfall von Fahrzeugen rasant voran.

Ein Beispiel: Für einen VW Golf IV, Baujahr 1998, mit 129 000 Kilometer Laufleistung bietet ein großer Hamburger VW-Händler nach kurzer Besichtigung 1800 Euro. Laut Schwacke-Liste beträgt der Händlereinkaufswert für ein solches Fahrzeug in einwandfreiem Zustand jedoch 3750 Euro. Grund für das niedrige Gebot sind Reparaturen und Instandsetzungen, die der Händler vor dem Wiederverkauf durchführen muss. Schließlich weist der Wagen unter anderem Beulen, Lackschäden sowie eine defekte Frontscheibe auf. Auch der Seitenspiegel ist gebrochen. Ein Gutachten der Dekra ergab sogar, dass der Wagen so aufwändig wiederhergestellt werden muss, dass sein Wert nach Abzug aller Kosten quasi gegen Null geht. Kaum zu glauben, denn das Auto ist fahrbereit, besitzt erforderliche Sicherheitssysteme und einige Extras. Warum soll es dann in die Schrottpresse? Da muss mehr drin sein.

Ein Anruf beim Kärtchenhändler scheint dies zu bestätigen. Dieser akzeptiert einen Kaufpreis von 3500 Euro. Ein Lockangebot? ADAC-Experte Schmitting meint: "Ja, das sind gewiefte Autohändler, die den Kaufpreis im persönlichen Verkaufsgespräch dann zumeist deutlich nach unten korrigieren." Der Hamburger Polizei sind kriminelle Machenschaften, die mit dieser Art Verkaufsgeschäfte zusammenhängen, aber nicht bekannt. Trotz aller Vorbehalte ist das hohe Gebot verlockend. Wer auf Nummer Sicher gehen, aber auch kein möglicherweise lukratives Geschäft verpassen will, wagt den Besuch beim Exporteur. Vorher sollte man sich aber über den tatsächlichen Wert seines Autos erkundigen. Dabei helfen Gutachten von Dekra oder TÜV. Dem 1998er VW Golf IV werden dort ca. 2300 Euro Restwert bescheinigt. Mit diesem Wissen wird der Golf bei der Firma Anasko Automobile in der Ausschläger Allee 187c präsentiert. Nach der Abfrage von Fahrzeugdetails wie Baujahr, Kilometerstand sowie Extras bittet der Händler um eine Preisvorstellung. Nach Nennung der zuvor telefonisch vereinbarten 3500 Euro formuliert er ein neues Gebot und will nur noch 2600 Euro zahlen. Das ist weniger als ursprünglich vereinbart. Dennoch: Dieser Preis liegt immer noch 300 Euro über der Dekra-Schätzung.

Bei Mehlan Automobile in der Halskestraße 1 werden für den VW Golf sogar 2700 Euro geboten. Der Händler schlägt vor, das Auto am nächsten Morgen gemeinsam abzumelden. Dazu rät auch Edda Costello von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Der Wagen sollte unbedingt vom Besitzer abgemeldet werden", sagt sie. Denn trotz überwiegend positiver Beispiele könne man nicht ausschließen, dass es unter den Kärtchenhändlern auch solche mit zwielichtigen Geschäftspraktiken gibt.

Um sich davor zu schützen, empfiehlt Edda Costello, den Verkauf schriftlich zu fixieren. Im Kaufvertrag müssen neben der Fahrgestellnummer auch Laufleistung, Kaufpreis und Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe sowie eventuelle Mängel angegeben sein. Hinzu kommen Daten wie Name, Anschrift und Ausweisnummer des Käufers- bzw. Verkäufers. Die Fahrzeugpapiere dürfen erst nach Erhalt der kompletten Kaufsumme übergeben werden. Experten-Tipp: Das Geld für den verkauften Wagen in bar verlangen und die Scheine sicherheitshalber bei einer Bank auf ihre Echtheit prüfen lassen.

Fahrzeugbesitzer, die sich durch die Kärtchenflut an ihrem Fahrzeug belästigt fühlen, können auf Hilfe der Behörden hoffen. "Verteiler, die auf öffentlichen Wegen Kärtchen an Fahrzeuge heften, verstoßen gegen Hamburger Wegerecht", erläutert Dierk Trispel, Dezernent für Steuerung und Service bei der Stadt Hamburg. "Die Nutzung dieser Werbemaßnahme ist erlaubnispflichtig und kann ohne diese mit einem Bußgeld geahndet werden." Allerdings klappt das nur, wenn ein Absender bekannt ist. Ist dieser nicht auffindbar, lassen sich mit einem Stapel bunter Kärtchen zumindest ein paar Kinder glücklich machen. Laut Edda Costello sind diese bei den kleinen Hamburgern ein begehrtes Sammelobjekt.