Vom Spaßmobil zum Alltagsfahrzeug: Die abgasfreien Zweiräder Ferdinand II und Segway holen sich ihre Energie aus der Steckdose.

Hamburg. Das Surren von Ferdinands Motörchen ist einem sofort sympathisch, seine Bedienung kinderleicht, doch an die irritierten Blicke von Passanten und Autofahrern muss man sich erst gewöhnen. Und wer mit Ferdinand II an einer roten Ampel wartet, ist obendrein leichte Beute für vorwitzige Fußgänger. "Dürfen Sie damit überhaupt auf der Straße fahren?" ruft einer, "müssen Sie keinen Helm tragen?" ein anderer.

Ein Kundiger stellt aber auch zielsicher die entscheidende Frage: "Wie hoch ist denn die Reichweite?" 20 Kilometer weit kommt der Elektroroller Ferdinand II mit einer Batterieladung - das genügt in aller Regel für den Pendler-Ritt in die City und zurück. Weil die zehn Kilo schweren Blei-Akkus herausnehmbar sind und nur drei bis vier Stunden Ladezeit benötigen, können sie aber auch an der Steckdose im Büro aufgefrischt werden, ohne dass man den ganzen Roller dorthin wuchten muss. Die Betriebskosten sind fast nicht der Rede wert: ca. 25 Cent auf 100 Kilometer.

Der saubere Flitzer ist das neueste Produkt der Tante Paula GmbH, die am Rödingsmarkt ihren Sitz hat und die Roller im Heide-Örtchen Brackel montieren lässt. Gegründet wurde das Unternehmen 2001 von Julian Köhler, der die Idee von einem Australien-Urlaub mitbrachte. Heute firmiert Tante Paula als TÜV-zertifizierter Kraftfahrzeughersteller, 15 Mitarbeiter in Produktion, Vertrieb und Marketing arbeiten daran, die Scooter unters umweltbewusste Volk zu bringen - übrigens nicht nur in Deutschland. "Die Roller haben eine EU-Zulassung, und wir verkaufen sie auch in die Niederlande, nach Dänemark, Österreich und in die spanischen Urlaubsgebiete", sagt Ole Frerichs von der Tante Paula GmbH.

Zwischen 7000 und 8000 Scooter mit dem Tante-Paula-Logo sind inzwischen unterwegs. Viele davon sind bei der Post, bei Messeunternehmen und Lagereien im Dienst, weil die abgasfreien Zweiräder auch in geschlossenen Hallen eingesetzt werden können. Vor allem aber ordern Privatleute die Roller, die für ca. 1000 Euro nicht nur über die Website www.tante-paula.de, sondern auch über den Otto-Versand und ausgewählte Fahrradhändler zu beziehen sind. Dass Sängerin Sarah Connor und Star-Friseur Udo Walz ein paar Runden auf dem Elektro-Brett drehten, bescherte den Winzrollern aus Hamburg frühzeitig Publicity - dass die Teenie-Band Tokio Hotel damit wüste Rennen in Hotelflurs veranstaltete, hat ihnen nicht geschadet. Allmählich scheinen sich die Scooter aber vom Spaßmobil zum Alltagsfahrzeug zu mausern. "Die ersten Modelle waren eher Trendprodukte für junge Leute", sagt Frerichs. "Inzwischen kauft sie aber auch ein älteres Publikum, und dem trägt Ferdinand II Rechnung - mit einer besseren Federung, mit Scheibenbremsen und einer insgesamt robusteren Ausführung."

Das neue Modell, das im September auf den Markt kommt, ist wie der Vorgänger (und Serien-Testsieger) Ferdinand I in die Fahrzeugklasse der Mofas einsortiert, weil es den knatternden Zweitaktern in Leistung und Geschwindigkeit in etwa entspricht. Roller-Piloten müssen demnach 15 Jahre alt sein, den Mofa-Führerschein haben (den jeder Auto- und Motorradführerschein einschließt) und pro Jahr ca. 55 Euro für die Versicherung hinlegen - das war's. Die Helmpflicht entfällt übrigens, weil die Höchstgeschwindigkeit der E-Vehikel auf 20 Kilometer pro Stunde beschränkt ist - bei diesem Tempo dürfen die Haare noch frei im Fahrtwind flattern.

Etwas mehr Gewöhnung verlangt die Alternative zum Scooter: der Segway. Denn wer einen der futuristischen Elektro-Stehroller aus den USA bewegt, muß Haltung beweisen - in jeder Beziehung. Schließlich kommen sie einem schon merkwürdig vor, diese Menschen, die aussehen, als seien ihre Füße zu monströsen Rädern mutiert. Das Fahren selbst setzt zudem Körperbeherrschung voraus, weil das Mobil einzig durch Gewichtsverlagerungen des Piloten gesteuert wird: Vorbeugen - Vorwärtsfahrt, Zurücklehnen - Rückwärtsfahrt. Drückt man die Lenkstange nach links oder rechts, dreht sich eines der Räder schneller als das andere. So schlägt das Maschinchen nicht nur die gewünschte Fahrtrichtung ein, es kann regelrecht Pirouetten drehen - etwas Routine beim Fahrer vorausgesetzt. Ein paar Minuten, um sich mit dem Segway vertraut zu machen, muss man auf jeden Fall investieren. So wurde US-Präsident George W. Bush bei seinem ersten Versuch, auf das Gerät zu steigen, glatt abgeworfen - allerdings nur, weil er den Segway nicht eingeschaltet hatte und die Gleichgewichtssensoren deshalb nicht aktiv waren. Auch Stefan Raab brauchte einen zweiten Anlauf, doch nach zwei Minuten fegte der TV-Moderator schon durchs Studio, als hätte er nie etwas anderes getan - ganz wie's der Hersteller verspricht.

Entwickelt wurde der Akku-Roller von Erfinder Dean Kamen, der damit die Fortbewegung im urbanen Raum revolutionieren will. 2002 begann er mit der Produktion, doch der erhoffte Boom blieb bisher aus. "Weltweit dürften heute um die 50 000 Exemplare im Einsatz sein", sagt Peer Pubben von der Hamburger Segway-Niederlassung (im Internet: www.segwaypoint-hamburg.de), und er schätzt, dass jährlich 20 000 hinzu kommen. Pubben selbst arbeitet mit Hochdruck daran, den Stehroller im Straßenbild zu etablieren, indem er zum Beispiel Touristen in kleinen Segway-Karawanen mit Tempo 20 durch die Hansestadt führt. Einzelpersonen war die Nutzung auf öffentlichen Verkehrsflächen dagegen bisher verwehrt. Inzwischen hat aber der Landesbetrieb Verkehr in Hamburg der "elektronischen Mobilitätshilfe", wie der Segway im Amtsdeutsch heißt, eine Sondergenehmigung zugebilligt - nun darf ihn jedermann mit Führerschein, einer persönlichen Betriebserlaubnis und einem Versicherungskennzeichen am Lenker auf Hamburgs Rad- und Gehwegen bewegen.

Doch solange die Preisliste bei rund 7000 Euro fürs Grundmodell beginnt, wird der Segway wohl auch künftig eher von Firmen wie Airbus oder Lufthansa geordert, die ihre Mitarbeiter auf weitläufigen Arealen mobil machen wollen. Als ideales Einsatzgebiet hat sich immerhin der Polizei- und Securitydienst herausgebildet. In vielen US-Städten patrouillieren Cops auf dem Segway nach dem Motto: Mehr Bodenfreiheit, mehr Überblick - und mehr Autorität.

Auch in Hamburg cruisen bereits einige Ordnungskräfte am Neuen Wall auf Segways über die Nobelmeile. Und die saarländischen Polizisten, die im vergangenen Jahr eine Segway-Flotte in einem Pilotprojekt testeten, wollten die Geräte nach drei Monaten eigentlich überhaupt nicht wieder hergeben.