Technik: Durch höheres Gewicht steigt der Kraftstoffverbrauch. Die Kraftverteilung auf beide Achsen lohnt sich nur dann, wenn man sie wirklich braucht - also eher selten.

Hamburg. Matsch und Geröll bekommen sie kaum noch unter die Räder. Allradfahrzeuge sind heute meist in Großstädten oder auf gut ausgebauten Fernstraßen unterwegs: als komfortabler Geländegänger, als Sportwagen oder als Familienlimousine. Nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) in Flensburg hat die Zahl der zugelassenen Autos mit Allradantrieb in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Waren es im Jahr 1994 noch rund eine Million Fahrzeuge, wurden 2004 schon rund 1,6 Millionen Allrad-Autos gezählt.

Doch nicht immer ist der Vierradantrieb sinnvoll - neben manchen Vorzügen gibt es auch Nachteile, die Käufer bedenken sollten. "Der Normalfahrer wird den Allradantrieb auf trockener Straße kaum bemerken", erklärt Maik Jeschor vom Dekra Technology Center in Klettwitz (Brandenburg). Im täglichen Straßenbetrieb können die vier angetriebenen Räder kaum glänzen. Helmut Schmaler vom ADAC-Technikzentrum in Landsberg (Bayern) sieht das ähnlich: "Wenn man einen Allradantrieb braucht, kann er wirklich von Nutzen sein - die Frage ist nur, wer den Allradantrieb wirklich braucht."

Immerhin gibt es einige typische Szenarien, in denen die vier angetriebenen Räder ihre Stärken ausspielen können. "Durchaus angebracht ist ein Allradantrieb, wenn man oft in bergigen Regionen mit schneereichen Wintern fährt", so Schmaler. Steile und verschneite Straßen könnten besser bewältigt werden. Auch das Ziehen von schweren Anhängern kann sich mit einem Allrad-Zugfahrzeug angenehmer gestalten.

Vorzüge lassen sich ebenso bei stark motorisierten Autos und sportlicher Fahrweise erkennen - beispielsweise in Kurven. "Der Antrieb hat den Vorteil, daß jedes Rad gegenüber einem herkömmlichen Antrieb nur die Hälfte der Kräfte übertragen muß. Dadurch gibt es Reserven für die Seitenführung", sagt Audi-Sprecher Josef Schloßmacher über den "quattro"-Antrieb des Ingolstädter Herstellers.

Johannes Hübner vom Automobilclub von Deutschland (AVD) bestätigt, daß der Allradantrieb mehr Sicherheit bei schneller Kurvenfahrt bieten kann. Denn die Neigung zum Über- oder Untersteuern ist bei diesem System weniger ausgeprägt. Der Wagen bricht also nicht so schnell aus. Während normale Autos ihre Grenzen durch leichtes Ausbrechen ankündigen, erreichen Fahrzeuge mit Allrad ihr Limit allerdings eher abrupt und ohne Vorwarnung.

Mittlerweile kommen unterschiedliche Varianten des Allradantriebs zum Einsatz. Es gibt Systeme, bei denen dauernd alle Räder angetrieben werden, andere schalten die zweite Antriebsachse bei Bedarf zu. Teilweise wird auch je nach Bedarf unterschiedlich viel Leistung auf die einzelnen Achsen geleitet.

Allen Systemen gemein sind aber einige konstruktionsbedingte Nachteile: "Ein Allradantrieb bringt mehr Gewicht und auch mehr bewegte Teile in das Auto", sagt Johannes Hübner. Das macht sich an der Tankstelle bemerkbar. "Gegenüber einem vergleichbaren Fahrzeug ohne Allradantrieb muß man mit einem zusätzlichen Verbrauch von mehr als einem Liter rechnen." Selbst wenn der Allradantrieb nur bei Bedarf zugeschaltet wird, ist ein Mehrverbrauch da. "Das zusätzliche Gewicht des Allradantriebs verschwindet dadurch ja nicht", erklärt Schmaler. Auch die sogenannten Reibungsverluste durch die zusätzlichen Bauteile würden so nicht gänzlich beseitigt.

Obwohl Hersteller gerade die sportlichen Vorzüge von vier angetriebenen Rädern preisen, macht der Allradantrieb ein Auto nicht in jeder Situation schneller. Laut dem Dekra-Experten Maik Jeschor ist eher das Gegenteil der Fall. "Wenn der Nachbar das gleiche Auto mit gleich starkem Motor und herkömmlichem Antrieb hat, kann man davon ausgehen, daß die Allradversion weniger stark beschleunigt und langsamer ist." Das sei ebenfalls eine Folge des Gewichts und der vielen anzutreibenden Teile.

"Ein Problem ist, daß Allradfahrer zu oft vergessen, daß auch andere Autos mit allen vier Rädern bremsen", warnt Johannes Hübner. Soll heißen: Beim Bremsen bietet Allrad keine Vorteile. Außerdem nützen die vier in Schmutz und Schnee wühlenden Räder wenig, wenn die falschen Reifen montiert sind. "Wer im Winter in kritischen Situationen wirklich Vortrieb haben will, braucht dafür die richtigen Winterreifen." Das gilt natürlich auch für jene Mode-Geländewagen, die bestenfalls im Winterurlaub eine Steigung abseits der Autobahn sehen.