Markenbindung: Führerscheinneulinge als wichtige Zielgruppe. Der Fahrlehrer gilt bei den Herstellern als Meinungsbildner mit viel Einfluß.

Hamburg. In der Schule lernt man für das Leben - und das nicht nur in jungen Jahren. Denn was in der Jugend für Mathematik, Biologie und Geschichte gilt, das gilt auf dem Weg in die Welt der Erwachsenen auch für die Fahrschule.

Und dort pauken die Prüflinge nicht nur Vorfahrtsregeln und Tempolimits, sondern werden auch dauerhaft in der Wahl ihrer automobilen Präferenzen beeinflußt. "Der erste Kontakt mit einer Marke prägt die Autofahrer für das ganze Leben", sagt Bernd Nentwig, bei Audi für den Vertrieb an Sonderkunden zuständig. Und erklärt damit, warum vor allem die heimischen Hersteller so intensiv um einen Platz im Fuhrpark der Fahrlehrer buhlen.

Schließlich drücken jedes Jahr mehr als 900 000 Fahranfänger die Schulbank und machen auf einem fremden Wagen ihre ersten Erfahrungen im Verkehr. Immerhin vier Prozent davon kaufen zum Führerschein auch gleich ein neues Auto. Und wer nicht sofort als Kunde im Autohaus aufläuft, der könnte ja später als treuer Freund der Marke willkommen geheißen werden, so das Kalkül der Fahrzeughersteller. Bei VW etwa gelten die Fahrlehrer deshalb als Meinungsbildner, die auf den Nachwuchs häufig einen größeren Einfluß haben als die Eltern.

Die Rollen auf diesem kleinen, aber feinen Markt sind allerdings schon lange fest verteilt. "Traditionell stellt der VW Golf den Löwenanteil der rund 35 000 Fahrschulfahrzeuge in Deutschland", sagt Gerhard von Bressensdorf von der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. In 80 Prozent der etwa 17 000 deutschen Fahrschulen, die pro Jahr rund 20 000 Autos kaufen, wird mindestens ein VW eingesetzt, jede zweite Fahrschule setzte sogar auf mehrere VW-Modelle. Dem Golf auf den Fersen sind vor allem die Audi-Modelle A3, A3 Sportback und A4 sowie der VW Polo. Und erst danach folgen "ungefähr auf einem Niveau" BMW, Mercedes, Ford und Opel. Darüber hinaus gibt es rund 100 weitere Fahrschulfahrzeuge aller möglicher Hersteller, die aber nur in kleinen Stückzahlen vertreten seien.

"Theoretisch können sie jeden Wagen für die Fahrschule einsetzen, der die Kriterien der Prüfungsordnung erfüllt", sagt von Bressensdorf. Allerdings nur, wenn er über 130 km/h schnell ist und umgerüstet wurde. Deshalb gibt es in Deutschland rund ein halbes Dutzend Unternehmen, die für den Fahrlehrer eine zweite Pedalerie einbauen, den Fußraum ausleuchten, zusätzliche Spiegel installieren und auch die Magnetschilder mit dem Fahrschulaufdruck liefern. Insgesamt kostet so ein Fahrschulpaket zwischen 500 und 1500 Euro.

Diese zusätzlichen Kosten werden den Fahrschulen aber von den Autoherstellern mit großzügigen Nachlässen versüßt. So räumt Audi den Fahrlehrern auf alle Modelle einen Rabatt von 17 Prozent ein. Genutzt wird der nicht nur für A2, A3 und A4. "Immer wieder setzen Fahrschulen zur Imagepflege ganz bewußt auch mal einen TT, ein A4 Cabrio oder sogar einen sportlichen RS6 ein", sagt Nentwig. Bei VW gelten nach Angaben von Bernd Schlunke aus dem Vertrieb für Sonderzielgruppen ähnliche Bedingungen, und auch bei BMW zahlen Fahrlehrer weniger als Privatkunden. Auf Wunsch liefern die Autohersteller die Fahrschulausstattung gleich mit. VW hat für diese Kundengruppe eigens ein spezielles Cockpit mit zusätzlichen Funktionen im Bordcomputer entwickelt. Und statt eines separaten Fahrlehrerspiegels zum Aufstecken gibt es für den Fahrschul-Golf einen doppelten Rückspiegel mit gemeinsamen Gehäuse.

Auch über die Fahrzeugausstattung hinaus engagiert sich VW für die Bildung der Nachwuchsfahrer. So beliefern die Wolfsburger die Fahrschulen mit Unterrichtsmaterial, Handbüchern, Broschüren und Foliensätzen, unterstützen mit diesen "inzwischen schon traditionellen Sponsoring-Aktivitäten der Marke Volkwagen" die Arbeit der Fahrlehrerverbände und schreiben Führerscheinneulingen im Rahmen des Programms "Junge Fahrer" beim Kauf eines Neuwagens 1000 Euro gut.

Ebenfalls ein besonderes Engagement zeigt derzeit BMW. Schließlich wollen die Münchner ihre 1er Modellreihe auf die Straße bringen und haben dabei die Fahrschulen als aussichtsreiche Mitstreiter entdeckt: "Wenn der Einser für eine Fahrschule fährt, dann ist der Wagen natürlich im Straßenbild sehr präsent", sagt Pressesprecher Wieland Bruch. "Außerdem erreichen wir damit eine neue Zielgruppe und sprechen junge Fahrer an, die sonst vielleicht kein Gefühl für einen BMW bekommen hätten." Selbst wenn sich der Fahrschüler nicht gleich einen Einser kaufe, werde er so an die Marke herangeführt und auf BMW aufmerksam.

Auch bei Audi ist man von dieser Art der Markenbindung überzeugt. "Unsere Studien und die Lebenserfahrung zeigen, daß viele Fahrschüler auf dem Weg zur Prüfung ihren Erstkontakt mit Audi machen und später immer wieder zur Marke zurückkommen", sagt Vertriebsmann Nentwig. Allerdings oft nur über Umwege. Denn häufig sei den Prüflingen die Anschaffung eines Neuwagens schlichtweg zu teuer. "Aber wenn die Ausbildung abgeschlossen und der finanzielle Spielraum groß genug ist, zahlt sich die Investition in die Markenbindung oft genug aus."