Praxis-Kursus: Sieben Abendblatt-Gewinnerinnen lernten bei der Dekra, was bei Problemen mit dem Auto zu tun ist.

Hamburg. Frank Böttcher und Siegmar Fröhlich sind guter Dinge. An diesem Sonnabend sind die beiden allein unter Frauen. Aber nicht etwa beim Shoppen in der City, sondern auf dem Gelände der Dekra-Kfz-Prüfstelle in Stellingen. Sie leiten einen Auto-Praxiskursus für Frauen. Abschleppen, Radwechsel und Motoröl an Stelle von Milchkaffee, Einkaufstaschen und Markt. Sieben Frauen haben beim Abendblatt die Teilnahme an dem Kursus gewonnen.

Es ist kurz nach elf. Die Teilnehmerinnen, Kaffee und Saft stehen für den Theorieblock bereit. Brigitte Kölbel (58) greift zur Kanne und schenkt ein - auch den beiden Männern. Die klassische Rollenverteilung? Für die Frauen geht es heute darum, in eine vermeintliche Männerdomäne einzubrechen. "Selbst ist die Frau", heißt der Kursus. Das Ziel: Die Teilnehmerinnen sollen sich in entspannter Atmosphäre mit der Technik anfreunden und alle Fragen stellen können, ohne belächelt zu werden.

Frank Böttger, Chef der Dekra in Stellingen und sein Kollege Fröhlich eröffnen die Fragerunde: "Also, Unfall. Was tun Sie?" Warndreieck aufstellen. "Richtig. Aber in welcher Entfernung?" Brigitte Kölbel schlägt 50 Meter vor. "Das ist zu wenig auf der Autobahn", sagen die Experten. 200 Meter sollten es schon sein. "Aber was ist bei einem Zusammenstoß auf der Kreuzung?", fragt die Hauswirtschaftlerin Karla Nickel (55). "Abwägungssache." Eine Teilnehmerin hat so eine Situation gerade erst erlebt. Sie erzählt von ihrem Unfall: "Ein anderes Auto zog auf meine Fahrbahn, nun habe ich einen Totalschaden." Eine nach der anderen berichtet jetzt von brenzligen Erlebnissen. Doch ein bißchen Kaffeekränzchen. Man tauscht sich aus. Nicht über Klamotten, sondern über Verkehr.

Zwölf Uhr, Abschleppen, immer noch Theorie. Karla hat Angst davor. Und überhaupt: Ihr Vater hat ihr beim Auto immer alles abgenommen - so, wie es heute ihr Mann macht. Einer anderen Frau geht es nicht anders. Sie fährt einen roten Polo, Baujahr 94 - mehr weiß sie nicht. Wo sie Öl einfüllt? Keine Ahnung.

Nach Themen wie Notdienst rufen, Leben retten und dem Verhalten in Streßsituationen geht es auf den Parkplatz. Abschleppen in der Praxis - in dunkelgrünen Mechaniker-Kitteln. Die erste ist Ulrike Schmidt. Die 35 Jahre alte Buchhalterin spannt das gelbe Abschleppseil zwischen ihren schwarzen Toyota Starlet von 1997 und Böttgers grünen BMW 5er Touring. Ulrike kann das. Danach sind Karla und ihr Ford Focus dran. Böttger fährt los, der erste Ruck im Wagen. "Gang raus, nicht die Kupplung treten, nur fest bremsen," ruft Fröhlich durchs Fenster. "Ich stehe jetzt ziemlich unter Spannung", sagt Karla und reckt ihren Hals über das Lenkrad. Sie wird vom Hof gezogen. Ulrike Lehne (48) sitzt auf dem Beifahrersitz und versucht die Fahrerin zu entspannen. "Tief durchatmen", sagt sie. Karla hat das Auto nicht so richtig in ihrer Gewalt und prompt unterschätzt sie, wie schnell es bergab geht. Vollbremsung, alle Mitfahrer rutschen ruckartig nach vorn. Später sagt Karla, daß es eine gute Erfahrung war.

Jetzt die Motorhaube. Fröhlich, Böttger und die Frauen stehen um den Ford herum. Die Arme verschränkt oder die Hände hinter dem Körper, hören sie zu, wie "Motoröl-Einfüllen" geht. Ulrike Lehne erzählt derweil von ihrem blaugrünen Mazda 626. "Die Motorhaube mache ich nie auf. Ich bringe das Auto nur zur Inspektion und fertig." Früher habe sie einen Fiat gefahren. Die Mechaniker bei Fiat seien alles "Machos". "Wenn ich gesagt habe, das Auto hat dieses oder jenes, haben die mich immer belächelt." Ein Grund, warum sie heute Mazda fährt. Und ein Grund, warum sie heute hier ist.

"Ja, viele Männer tun nur so, als wüßten sie es besser", stimmt Renate Gundermann ein. "Die verstehen aber auch nicht mehr von Autos." Sie ist mit 57 Jahren die älteste im Kursus. "Den Kühlwassertank muß man vorsichtig öffnen und ganzjährig mit Frostschutz anreichern", erklärt Böttger und versucht, die Frauen wieder für den Motorraum zu interessieren. "Ist schon merkwürdig, daß die kleinsten Männer immer die größten Autos fahren", sagt Brigitte unbeeindruckt. "Na ja, das liegt wohl in der Natur der Sache." Alle lachen.

Der Motor von unten: Ulrike Schmidts Toyota muß herhalten. Der Wagen steht auf der Hebebühne, die Frauen drunter. Für ihre Scheibenwischer, die Ulrike schon seit acht Jahren nicht mehr gewechselt hat, hatte Böttger sie schon auf dem Hof "ermahnt". Jetzt guckt er wieder kritisch. Die Bremsscheiben sind angerostet. "Die müssen erneuert werden." Ulrike ist ein bißchen traurig, wegen der Kosten.

Es ist etwa 14 Uhr, Räder wechseln. Ulrike Schmidt steht vor ihrem Auto. "Ich weiß wirklich nicht, was ich jetzt tun soll." Sie holt Wagenheber, Werkzeug und Ersatzrad raus. "Und an welcher Stelle setze ich den Wagenheber an?", fragt sie in die Runde. Schweigen in der Halle. Später frustriert sie der Radschraubenschlüssel. Der paßt nicht, obwohl es das Original ist. "Falsche Muttern", seufzt Böttger.

Der erste Ehemann kommt zum Abholen und blickt schüchtern in die Werkstatt. Die sieben Frauen lächeln. Irgendwie ein bißchen triumphierend.