Bamberg/Halle. In der Ehe läuft es überhaupt nicht rund? Eine neue Studie zeigt, worauf es bei einer glücklichen Beziehung wirklich ankommt.

Anspannung, Konflikte, Streit – ist die Zeit von Wolke Sieben und rosaroter Brille vorüber und die Hormonflut abgeebbt, gehören sie fast unweigerlich zu Beziehungen dazu. Kritisch wird es erst, wenn eine oder gar beide Partner dauerhaft unzufrieden werden. Dann kann es helfen, nicht nur gemeinsam an der Beziehung und potenziellen Problemen zu arbeiten, sondern auch mitfühlend sich selbst gegenüber zu sein, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Psychologinnen und Psychologen der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben herausgefunden, dass sich Selbstmitgefühl positiven auf die Qualität von Beziehungen auswirkt. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die Forschenden Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift Personal Relationships.

Ehe retten: Wie führt man eine glückliche Beziehung?

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, was Psychologinnen und Psychotherapeuten mit Blick auch auf das eigene Wohlbefinden schon lange betonen: Es ist wichtig, nicht nur mit anderen, sondern auch mit sich selbst freundlich, fürsorgliche und achtsam umzugehen. „Insbesondere im Hinblick auf eigene Unzulänglichkeiten“, wie Robert Körner, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik der Universität Bamberg erläutert.

„Zwei Menschen profitieren davon, wenn sie in der Lage sind, sich selbst gegenüber bei Unzulänglichkeiten, Leid und Schmerz in der Beziehung mitfühlend zu reagieren“, erklärt Körner in einer Pressemitteilung zur Studie. Auf diese Weise könne nicht nur das eigene Liebesleben aufblühen, sondern auch das des Partners oder der Partnerin.

Gemeint sind hier Situationen wie diese: Man wollte nach Feierabend noch die Wohnung oder das Haus aufräumen, ist aber müde und erschöpft vor dem Fernseher versackt. Statt sich innerlich selbst dafür zu niederzumachen, könnte man sich etwa eingestehen, dass die Erholung dringend nötig und verdient war. Gleiches gilt für ein paar Kilos mehr auf den Rippen: Statt sich mangelnde Disziplin vorzuwerfen oder sich gar beim Partner für sein Aussehen zu entschuldigen, wäre Selbstliebe gefragt. Denn die Kilos sind kein Weltuntergang, viel mehr beispielsweise nach der Geburt eigener Kinder völlig normal und okay.

Selbstmitgefühl steigert nachweislich auch die Beziehungsqualität und fördert ein glückliches Liebesleben.
Selbstmitgefühl steigert nachweislich auch die Beziehungsqualität und fördert ein glückliches Liebesleben. © iStock | Halfpoint

Besonders interessant ist laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass insbesondere Männer in heterosexuellen Partnerschaften mit und in ihrer Beziehung besonders zufrieden waren, wenn ihre Partnerin selbstmitfühlend war. Dies betone die Bedeutung von Selbstmitgefühl innerhalb romantischer Beziehungen, heißt es.

Auch für Paare hat Selbstmitgefühl großes Potenzial

Bisherige Forschung zu Selbstmitgefühl hat bereits gezeigt, dass dieses nicht nur das persönliche Wohlbefinden positiv beeinflussen kann. So hat Selbstmitgefühl auch Einfluss darauf, wie Menschen ihre romantischen Beziehungen erleben, wie zufrieden sie in ihrer Beziehung sind und wie sie mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin interagieren. Laut der Forschenden geht hier etwa darum, wie Menschen Konflikte lösen oder mit Eifersucht umgehen.

Das Team um Robert Körner ging in seiner Studie nun noch einen Schritt weiter, indem es nicht mehr nur auf die Einzelpersonen schaute, sondern die Paarbeziehungen bewusst in den Blick nahm. „Wir haben beide Personen in der romantischen Beziehung befragt, um einen tieferen Einblick in das Potenzial von Selbstmitgefühl in Paarbeziehungen zu gewinnen“, erklärt Nancy Tandler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie der MLU.

Insgesamt befragten die Forschenden aus Bamberg und Halle für ihre Studie gut 200 deutschsprachige heterosexuelle Paare mithilfe eines Online-Fragebogens. Dabei ging es um ganz verschiedene Aspekte romantischer Beziehungen, etwa darum, wie zufrieden sie mit ihrem Sexleben sind, aber auch um das langfristige Potenzial, das sie in der Beziehung sehen. Außerdem wurde neben dem individuellen Selbstmitgefühl auch das Selbstmitgefühl innerhalb der Paarbeziehung untersucht.

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    Tipps für eine glückliche Beziehung

    Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich aber nicht nur theoretische Erkenntnisse, sondern auch praktische Handlungsempfehlungen ableiten – insbesondere für Paartherapien. Für Paare, die ihre Beziehung verbessern möchten, könnten laut den Erkenntnissen des Forschungsteams folgende Tipps hilfreich sein:

    1. Trainieren Sie Selbstmitgefühl

    Trainieren Sie sich darin, sich selbst gegenüber bei Unzulänglichkeiten, Leid und Schmerz mitfühlend zu verhalten. Stellen Sie sich die Frage: Wie würde ich mich gegenüber einem Freund oder einer Freundin verhalten, wenn er oder sie sich in einer ähnlichen Situation befände? Übertragen Sie dies auf sich selbst.

    2. Verbessern Sie Ihre Kommunikation

    Teilen Sie Ihre Gefühle und Bedürfnisse offen und einfühlsam mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin. Bieten Sie ein unterstützendes Umfeld für gegenseitiges Selbstmitgefühl.

    3. Suchen Sie gemeinsam nach Lösungen

    Reflektieren Sie gemeinsam über Situationen, in denen Selbstmitgefühl förderlich für Ihre Beziehung sein könnte, und erarbeiten Sie Strategien, um diese in den Alltag zu integrieren. Prüfen Sie zudem auch, wo sich etwa im beruflichen Kontext bereits selbstmitfühlend verhalten und schauen Sie, welche Situationen sich auch auf die Partnerschaft übertragen lassen.

    „Neben den inhaltlichen Ergebnissen ziehen wir den Schluss, dass es wichtig ist, die Wechselbeziehung zwischen den Beziehungspartnerinnen und -partnern zu berücksichtigen, um das volle Potenzial des Selbstmitgefühls als Ressource für glückliche Beziehungen zu verstehen“, sagt Nancy Tandler mit Blick auf die Untersuchungen. Daher ist bereits weitere Forschungsarbeit angedacht. Dabei sollen dann auch gleichgeschlechtliche Beziehungen und Paare aus verschiedenen kulturellen Hintergründen einbezogen werden.