Für das Wohnen im Hospital zum Heiligen Geist entscheiden sich etwa 70 Prozent der alten Menschen aus eigenem Antrieb

Eine der schwierigsten Entscheidungen im Leben eines Menschen ist es, seine gewohnte Umgebung aus gesundheitlichen Gründen aufgeben zu müssen und in ein Altenheim zu ziehen. Im Hospital zum Heiligen Geist in Hamburg-Poppenbüttel leben über 1000 Bewohner – im Pflegebereich, in der Kurzzeitpflege und in den Seniorenwohnungen. Rund 300 pflegebedürftige Menschen ziehen hier pro Jahr auf Dauer ein. Sylvia Benke kennt die Gefühle der Neuankömmlinge und hat viele von ihnen in der schwierigen Phase des Einlebens begleitet. Die 47-Jährige hat vor 32 Jahren im Hospital mit einer Ausbildung zur Altenpflegerin begonnen, sich zur Stations- und Pflegedienstleitung hochgearbeitet und leitet heute das Kundenzentrum.

Hamburger Abendblatt:

Frau Benke, wie viele Bewohner entscheiden sich selbstständig für einen Umzug ins Altenheim?

Sylvia Benke:

Bei uns ziehen etwa 70 Prozent selbstständig ein. Die Menschen haben sich über Jahre damit beschäftigt, wie ihr letzter Lebensabschnitt aussehen könnte. Viele von ihnen haben sich bereits verschiedene Einrichtungen angesehen, um selbstbestimmt eine Entscheidung für einen Umzug treffen zu können. Dann gibt es einen konkreten Anlass. Die Senioren spüren ganz genau, wann der richtige Zeitpunkt für so einen Umzug gekommen ist. Manchmal ist für Alleinlebende die Einsamkeit kaum noch zu ertragen. Andere schaffen Haus und Garten nicht mehr, wollen Ballast abwerfen und spüren Erleichterung durch das „All-inclusive-Paket“ hier im Haus. Wer rechtzeitig umzieht, kann auch mitgestalten und sich ein Appartement zur West- oder Ostseite aussuchen. Es werden neue Möbel gekauft und viele Bewohner freuen sich darauf, neu zu planen.

Wie lange dauert das Einleben?

Benke:

Es dauert etwa ein gutes halbes Jahr, bis sich neue Bewohner eingelebt haben. Zunächst lernen sie die Wege in ihrer Wohngruppe und auf dem Gelände, unsere Mitarbeiter und die Nachbarn kennen. Wenn ich sie nach ein paar Wochen in ihrem Appartement besuche, sagen sie bereits: „Gucken Sie mal, das sieht hier wie bei mir zu Hause aus.“

Wie ist das bei den Menschen, die direkt aus dem Krankenhaus umziehen?

Benke:

Viele Menschen wissen genau, wie es um ihre Gesundheit steht, dass sie zum Beispiel nie wieder so laufen können wie früher und deshalb auf den Rollstuhl angewiesen sind. Doch eigentlich bekommen sie diesen Übergang ganz gut hin. Ein Problem ist, dass sie sich nicht von zu Hause verabschieden konnten. Eine Bewohnerin hat neulich zu mir gesagt: „Lassen Sie mich bitte noch einmal nach Hause in meinen Garten. Einmal Tschüs sagen, ich komme auch wieder.“ Es hat viel mit der Einstellung zu tun. Ich bewundere, wie manche Menschen diesen Neuanfang meistern – nach dem Tod von Ehepartner oder Kindern. Zur Lebenserfahrung vieler gehört wohl auch die Erkenntnis: Es muss weitergehen.

Reicht es eigentlich im Altenheim, dass die Schwester nett ist?

Benke:

Wir sind gute Zuhörer, Beobachter und Blitzableiter. Manchmal sind wir Freunde und der einzige Kontakt zur Außenwelt. Zur Kompetenz der Pflegeheime gehören jedoch auch umfangreiche Kenntnisse in Krankenbeobachtung, Dementenbetreuung, Hospizarbeit, Psychologie, Wundversorgung, Medikamentenkunde, Ernährung und vieles mehr.

Warum wird das Altenheim oft so negativ bewertet?

Benke:

Die Öffentlichkeit empfindet Altenheime häufig als negativ, weil die in ihnen lebenden alten Menschen oft krank und pflegebedürftig sind und hier auch versterben. Wir nehmen die Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation an und versuchen, für unsere Bewohner eine gute Lebensqualität zu erhalten, damit sie sich wohl und gut betreut fühlen.