Auch bei Kleidung geht der Trend zum Selbermachen. Darauf haben sich viele Anbieter bereits eingestellt

Nähen lernen ist gar nicht so schwierig, wie man vielleicht denkt. Der Trend zum Selbermachen, zum Do-it-Yourself, kurz DIY genannt, hat neben der neuen Lust am Stricken auch die Lust am Nähen wieder zum Leben erweckt – und das ohne den strengen Blick einer Handarbeitslehrerin von früher.

Denn Nähen lernen geht auch anders: mit fröhlichen Schneiderinnen, Modedesignerinnen, Gewandmeisterinnen und Kostümbildnerinnen, die mit viel Spaß und Elan bei der Sache sind und oft neben ihrem Hauptbroterwerb Kurse für eine Handvoll Teilnehmerinnen anbieten. Dabei wird neben den Nähversuchen viel erzählt und oft gelacht. Wer merkt, dass auch alle anderen mit dem Reißverschluss zu kämpfen haben, verzweifelt nicht so schnell und versucht es leichter noch einmal.

„Viele fangen mit Babybekleidung an und machen später mit eigenen Sachen weiter“, sagt Jessica Hogrebe, die zusammen mit Anne Hahn das Atelier Levi Schütz führt. „Bei Babystramplern ist es nicht so furchtbar wichtig, ob eine Naht vielleicht ein klein wenig schief geworden ist – das sieht man beim Baby nicht. Doch man trifft Gleichgesinnte, kann sich austauschen und leicht dabei lernen.“ Man benötigt bei Babysachen nur wenig Stoff und ist relativ schnell mit einem Teil fertig – ideal für Einsteiger.

Der Laden an der Schützenstraße ist eine wahre Fundgrube für verspielte Stoffe und charmante Accessoires von „Treuepfand“ und „Kolema“, den jeweiligen Eigenlabels von Jessica Hogrebe und Anne Hahn. „Treuepfand“ umfasst Kissen, bezogene Knöpfe, bezogene Haarspangen, Kulturbeutel und Taschen – wunderschöne Geschenke „die man auch gerne zurückgeschenkt bekommen möchte“, wie Jessica Hogrebe sagt. Anne Hahns Leidenschaft für Druck zeigt sich auf Windlichtern, auf Taschen, T-Shirts und Kissen.

Manche kommen, weil sie eine Nähmaschine geschenkt bekamen

Ebenfalls im Sortiment sind Schnittmuster von der „Erbsenprinzessin“. Wie wäre es mit „Schmalhans“, einem Schnitt für ein Shirt für schlanke Jungs? Oder dem „Lieblingskleidchen“? Wer wirklich noch keine eigenen Ideen hat, bekommt hier viele Anregungen. Bei den Nähkursen machen die Grafikdesignerin und die Glaskeramikdesignerin Platz auf dem großen Tisch im Atelier. Eine der beiden ist immer dabei, wenn die professionellen Schneiderinnen und Modedesignerinnen hier ihre Kurse geben. Sie unterstützen hier und helfen dort. „Ungefähr 40 Prozent der Teilnehmer kommen immer wieder“, sagt Anne Hahn. Dabei bringt jeder der fünf bis acht Nähwilligen seine eigene Nähmaschine mit, damit er diese auch zu Hause einfädeln kann. Manche kommen auch, weil sie eine Maschine geschenkt bekommen haben. Viele kommen mit einer Freundin. „Die Nähkurse bei uns sind oftmals sehr kommunikative Runden“, sagt Jessica Hogrebe. „Besonders die Kompaktkurse am Sonnabend sind sehr beliebt und schnell ausgebucht.“ Manche von denen, die immer wiederkommen, steigern sich bis zur Jacke. Das beansprucht allerdings doch etwas mehr Zeit als eine Kurseinheit.

Im Atelier von „eingefädelt“ an der Großen Bergstraße ist gerade alles in riesige Taschen und große Kisten verpackt, denn der Raum wird aufgrund der großen Nachfrage vergrößert. Katharina Sachsenweger, Damenschneiderin und Gewandtmeisterin, Nina Schwerdtmann, Herrenschneiderin, und Paula Wichmann, Schneiderin und Directrice, haben sich im Stoffladen „Frau Tulpe“ nebenan kennengelernt und sich gemeinsam selbstständig gemacht. Die sieben verschiedenen Nähmaschinen stehen auf dem Boden bereit zum Abtransport, die Stühle sind schon weg. „Bei uns soll jeder die Möglichkeit haben, verschiedene Nähmaschinen auszuprobieren“, sagt Paula Wichmann. Bei „eingefädelt“ kann man anfangs einen Einstufungstest machen: „Absolute Beginners“ ist für all diejenigen, die eine Nähmaschine vor sich sehen und sonst gar nichts darüber wissen. Hier wird Grundlegendes wie Einfädeln und Funktion erklärt. Im Einführungskurs wird den maximal fünf Teilnehmerinnen auch noch zugeschnitten, danach wird empfohlen, diesen langwierigen Vorgang zu Hause oder aber in der offenen Besprechung vorzunehmen, denn schnell benötigt man eine ganze Kurseinheit nur für den Zuschnitt und geht dann vielleicht enttäuscht nach Hause.

Viermal die Woche dreistündige Kurse und sogar Jahresabonnements

Die sechs bis acht Nähkurse pro Woche umfassen unter anderem einen Jerseynähkurs, einen Kinderbekleidungsnähkurs, einen Kurs für Röcke und einen für „Täschchen und Tüddelüt, der Spaß macht“. Daneben gibt es offene Kurse, die meist von Stammschülerinnen besucht werden. Im Kurs „Lieblingskleid“ kann endlich das heiß geliebte Stück in einer weiteren Farbe nachgenäht werden – wer hat sich das nicht schon einmal gewünscht.

Am 10. Mai wird „eingefädelt“ im umgebauten Atelier seine Türen wieder öffnen und dann auch einen Marktplatz für Selbstgemachtes und Schnittmuster integrieren.

Im Norden und Süden Hamburgs steigt die Lust auf Selbstgenähtes ebenfalls. „Wir bieten viermal die Woche dreistündige Kurse an“, sagt Nina Gildhoff, die zusammen mit Claudia Siebrecht den Laden „Fräulein Zwirn“ in Volksdorf führt. „Doch die Nachfrage ist größer.“ Die Kurse sind fortlaufend, einige der Teilnehmer haben sogar ein Jahresabonnement gebucht. In Wilhelmsburg werden beim „Stoffdeck“ Kurse angeboten. Auch hier hat sich die Kombination Stoffladen plus Nähkurse bewährt.

Schneidermeisterinnen und Modedesignerinnen bieten zudem in zehn Einrichtungen der Evangelischen Familienbildung ihren nähbegeisterten Teilnehmern Unterstützung an. Die Experten helfen beim Schnitt, stecken ab, zeigen, wie Taschen, Reißverschlüsse und Ärmel gemacht werden. Und nicht zuletzt unterrichten viele gelernte Schneider und Designer an der Volkshochschule Hamburg und lassen den Traum vom selbst genähten Einzelstück wahr werden.

www.fbs-hamburg.de, www.vhs-hamburg.de, www.eingefaedelt-hamburg.de, www.fraeuleinzwirn.de, www.stoffdeck.de