Mit welchem Getränk verführe ich am besten eine Frau? Weinseminare lehren die wichtigsten Dinge fürs Leben

Viva! Die Schweizer taugen nicht immer als Vorbild, aber ihr Trinkspruch hat Charme. Auf das Leben! „Viva“ klingt viel angenehmer als das harte deutsche „Prost“. Es kommt jedoch auch darauf an, was man im Glase führt. Unterschiedliche Alkoholika fordern unterschiedliche Formulierungen: „Prost“ passt am besten zu Bier, „Cheers“ zu Longdrinks, „Viva“ zu Wein, und Schnäpse begründet man am besten mit „Auf dein Wohl“. Nein, sagt eine Dame und haut auf den Tisch. Sie sitzt am Kopfende und schüttelt den ihrigen. „Santé“ sei allgemeingültig und als Trinkspruch ein echter Allrounder.

Bei einem Weinseminar gerät man ins Philosophieren und Diskutieren. Allein das wäre schon Grund genug für einen Besuch. Zusätzlich kommen noch Weine und Wahrheiten auf den Tisch, sodass aus ein paar Trauben ein denkwürdiger Abend entstehen kann. Wir sitzen an einer Tafel in der Weinhandlung Guter Wein in Eppendorf (www. guter-wein-hamburg.de). Gastgeber Torsten Tesch hat Flammkuchen zubereitet und schenkt Weißweinklassiker aus. Zehn verschiedene Proben werden wir an dem Abend degustieren, von deutschem Riesling und Grauburgunder über italienischen Cortese bis zu spanischem Verdejo. Dazu berichtet der Fachmann über Rebsorten, Regionen, Klima und Aromen. Das Training am Glas vermittelt nicht nur Wissen, sondern fördert einen emanzipierteren Umgang mit Wein. Welche Farbe hat das Getränk? Welchen Geruch? Welche Viskosität? Wie viel Säure und Tannin? Auf welchem Boden sind die Trauben gewachsen? Wie ist der Abgang? Wer weiß, worauf es ankommt, hat letztlich mehr Spaß an der ganzen Thematik.

Die Seminarteilnehmer versuchen, den Wein zu beschreiben, was schwerer ist als gedacht. Ein gesunder Mensch könnte mehr als 10.000 verschiedene Duftnoten unterscheiden. Doch je älter man wird, desto schwächer wird der Geruchssinn. Durch Rauchen, häufigen Kontakt mit Chemikalien oder Schmutz wird die Fähigkeit weiter vermindert, und ohne Geruch kein Geschmack. Doch man kann seine Sensorik schulen. Manche Teilnehmer meinen Vanille, Pfirsich oder Pfeffer zu schmecken, andere spüren Kirschen oder sogar Seife auf der Zunge. Jede Beschreibung ist erlaubt; Geschmack kennt keine Bewertungen. Die Weingemeinde heute ist viel entspannter als früher und weniger elitär und ritualisiert. Keiner steckt seine Nase mehr metertief in ein Glas und legt seine Stirn dazu in ernste Denkerfalten. Man riecht, lässt die Flüssigkeit ein paar Sekunden im Mund hin und her tanzen und schluckt sie schließlich runter oder spuckt sie wieder aus. Je nachdem, wie es einem am nächsten Morgen gehen soll. Am Ende von je zwei Verkostungen wird aufgeklärt, was wir getrunken haben und wie viel die Flasche kostet. Schnell stellen wir fest, dass die teureren Weine den meisten besser gefallen. „Es ist in der Tat so, dass der Preis etwas über die Qualität aussagt“, sagt Tesch. „Für 3,80 Euro kann ich keinen guten Tropfen erwarten.“

Die Kunst des Genießens hat ihren Preis, doch die Deutschen sind bereit, ihn zu zahlen, stellt das Deutsche Weininstitut fest. Seit 2007 sind die Ausgaben für Wein stetig gestiegen. Bei der Auswahl gibt es regionale Unterschiede. Der Weinkonsum im Süden Deutschlands ist patriotisch geprägt: Getrunken wird, was die Region hergibt. Die Norddeutschen gehen offener auf die große Auswahl zu und trinken internationaler. Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut erklärt, dass es außerdem einen kleinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt: „Tendenziell trinken etwas mehr Frauen als Männer überhaupt Wein. Frauen präferieren stärker Roséweine als Männer. Die greifen dafür öfter zum Rotwein“. Der Experte beobachtet zudem ein „verstärktes Interesse der Verbraucher am Thema Wein“ und geht davon aus, dass die Zahl der Weinseminare in Deutschland sowie die der Anbieter in den letzten Jahren gestiegen sind.

Kein Wunder, denn hier werden die wichtigsten Dinge des Lebens gelehrt. Ein Teilnehmer möchte wissen: „Mit welchen Getränken erobere ich eine Frau?“ Seminarleiter Torsten Tesch empfiehlt für das erste romantische Dinner vorweg ein Glas Champagner, danach einen deutschen Riesling, zum Hauptgang schließlich einen Rotwein aus Spanien. „Möglichst weich und rund, einen echten Frauenversteher. Wenn der Wein überzeugt, ist die Liebste schon fast verführt.“

Keine Angst übrigens vor Kork. Nur ein bis zwei Prozent der Flaschen sind verdorben. Wenn man denkt, ein Wein sei verdorben, kann es auch sein, dass man einfach nur einen schlechten Tag hat. Weintrinken ist immer emotionsabhängig. Der Sommelier Matthias Fahrig (www.wein-in-hamburg.de) sagt: „Die Begegnung mit Wein ist wie die mit einem Menschen. Sie ist vielschichtig, von äußeren Einflüssen und eigenen Stimmungen abhängig. Mit manchen Menschen geht man in ein Konzert, mit anderen lieber an den Strand.“ Fahrig weist bei seinen Seminaren darauf hin, dass die Trinktemperatur bislang zu wenig beachtet wird (Weißweine werden wie Sekt bei zehn bis zwölf Grad kredenzt, Rotweine bei 16 bis 18 Grad) und erklärt auch, was den Unterschied zwischen Wein und Biertrinkern ausmacht: „Weintrinker sind die schöneren, intelligenteren Menschen.“

Nach einem Weinseminar fühlt man sich jedenfalls so. Ein bisschen klüger und mit roten Wangen, die kein Rouge mehr benötigen, geht man beschwingt und dichtend nach Hause: „Es tut mir so im Herzen weh, wenn ich vom Glas den Boden seh.“