Die sechs Yachten des Volvo Ocean Race starten am Sonntag zu einer Etappe durch die Gefahrenzone vor Somalia

Das Volvo Ocean Race ist nichts für ängstliche Gemüter. Das war es noch nie. Ob Eisberge, Orkane, Materialbruch in den entlegensten Revieren der Welt, Schlafmangel, Seekrankheit oder Hunger - den Teilnehmern bleiben diese Qualen kaum erspart. Fünf Menschenleben hat der Klassiker in seiner 38-jährigen Geschichte gefordert. Nun ist eine neue Gefahr hinzugekommen: Piraten!

Diesen Sonntag startet die zweite Etappe des elften Volvo Ocean Race. Nachdem in der ersten Etappe von Alicante nach Kapstadt eine Ausfallquote von 50 Prozent die Flotte der sechs Hightech-Yachten arg dezimiert hatte, haben die Teams inzwischen ihre Wunden geleckt, die gebrochenen Masten und beschädigten Rümpfe repariert und sind wieder startbereit. Der zweite Abschnitt des Meeresmarathons über rund 39 000 Seemeilen (63 000 Kilometer) rund um den Globus führt 66 Segler von Kapstadt nach Abu Dhabi, über 5430 Seemeilen aus dem Atlantik um das Kap der Guten Hoffnung herum in den Indischen Ozean. Ein Blick auf die Weltkarte verrät: Der direkte Kurs würde das Feld geradewegs durch die gefürchteten Piratengewässer entlang der somalischen Küste führen.

Deswegen werden die Teams erstmals auf eine weitgehend geheim gehaltene Route geschickt. Das gefährliche Szenario ist selbst gewählt, denn Abu Dhabi ist ein neuer Zwischenstopp-Hafen des Rennens, das nicht mehr wie früher um die drei Kaps - Kap der Guten Hoffnung (Südafrika), Kap Hoorn (Argentinien) und Kap Leeuwin (Australien) - führt, sondern aus Marketinggründen heute die Arabischen Emirate und einen Hafen in China anläuft. Beide Länder sponsern auch ein Team.

Noch bei der Auflage 2008/2009 segelten die Teams von Kapstadt abseits der Gefahrenzone direkt nach Kochi an der Westküste Indiens. Nun aber ginge es auf eigenem Rumpf hinein in die Piratengewässer. Allein vor der somalischen Küste registrierte das Internationale Schifffahrtsbüro der Internationalen Handelskammer (Köln) in den ersten neun Monaten des Jahres 199 Piratenangriffe.

Ocean-Race-Boss Knut Frostad und sein Beraterstab haben sich entsprechend gerüstet. Sie wollen die Boote am Sonntag in Kapstadt starten lassen, sie dann in einem geheim gehaltenen Hafen an der Ostküste Afrikas und südlich der international definierten Gefahrenzone auf ein Containerschiff verladen, die Zone umschiffen, die Boote dann nördlich von ihr im Emirat Sharjah wieder ausladen und von dort das Rennen im Sprint nach Abu Dhabi beenden lassen. So sollen Geiselnahmen verhindert werden. "Diese Entscheidung ist uns enorm schwer gefallen", sagt Frostad, der selbst viermal die Erde als Teilnehmer umrundet hat, "aber die Ratschläge der Experten waren eindeutig: Riskiert es nicht!"

Alle in die geheime Route eingeweihten Teilnehmer mussten ein Stillschweigeabkommen unterzeichnen und garantieren, dass sie die Details der Route nicht an Dritte weitergeben. Um der Beobachtung durch die technisch gut ausgerüsteten Piraten zu entgehen, wird die Satelliten-Software, mit deren Hilfe auch Fans in aller Welt das Rennen via Internet verfolgen, im relevanten Zeitraum ausgeschaltet. Sportlich wird die Etappe in zwei Teilen gewertet. 80 Prozent der Punkte sind auf dem ersten Abschnitt zu verdienen, 20 Prozent beim Schlusssprint.

Als wäre das noch nicht genug, haben im Etappenhafen Kapstadt drei junge Segler die Gefahr gesucht: Während der einzige deutsche Teilnehmer Michael Müller aus Kiel mit der "Mar Mostro" mit gebrochenem Mast per Frachter noch nach Kapstadt unterwegs war, gingen Zane Gillis (Team Telefónica), Brad Marsh (Groupama) und Jiang He (Sanya) tauchen - mit weißen Haien. Sie vertrauten ihr Leben einem Stahlkäfig an. Danach sagte Marsh: "Wir haben im Qualifikationsrennen Mann-über-Bord-Manöver geübt. Nachdem ich die Haie gesehen habe, ist klar, dass ich keine Yacht mehr in Richtung Wasser verlasse."