Inhabergeführte “Nachbarschaftscafés“ in Hamburgs Szenevierteln locken Kunden mit individuellen Angeboten und speziellem Flair.

Die Hamburger sind so richtige Kaffeeliebhaber: Wenn das schrille Pfeifen, Rauschen und Dröhnen der Espressomaschine erklingt, ist die Welt für den Hanseaten komplett in Ordnung. Wohl kaum etwas mag seinen Stimmungspegel ähnlich steigen lassen. Kaffeezeit ist eigentlich immer. Wichtig ist auch der Ort, an dem das Getränk genossen wird. Ob der schnelle Espresso beim Portugiesen an der Ecke oder die in aller Ruhe genossene Schale Milchcafé an der bodentiefen Fensterfront mit Blick auf vorbeieilende Passanten. Viele Kunden schätzen auch die persönliche Ansprache inhabergeführter Läden mit einem ganz speziellen Flair. Aber wer bietet was wo, und was passt zu wem? Gar nicht so einfach.

Kinderbüfett mit Schnittchen und Gürkchen in Eimsbüttel

"Vorsicht Bauklötzchenalarm!" - heißt es immer sonntags im Café Osterdeich in Eimsbüttel. Während sich in den vorderen Räumen junge Eltern bei Croissant, Schinken, selbst gebackenem Kuchen und Milchcafé entspannen, werden die munteren Kleinen im hinteren Zimmer von einer ausgebildeten Erzieherin bespaßt. Für die Lütten gibt es ein Kinderbüfett mit Schnittchen und Gürkchen in Herzform, Obst und Apfelschorle oder Babychinos (aufgeschäumte Milch) für nur vier Euro. "Ich wollte ein Café, das es modernen Großstadteltern ermöglicht, auch einmal in Ruhe frühstücken und sich unterhalten zu können", sagt die junge Inhaberin Yasmina Foudhaili.

+++ Hier gibt es Informationen zu den Cafés +++

+++ Daten, Fakten und Historisches über den Kaffee +++

Sie sieht ihr kleines Café an der Müggenkampstraße als eine Art "erweitertes Eimsbütteler Wohnzimmer". "Hier kommen viele Stammgäste direkt aus der Nachbarschaft - in Babyfon-Nähe. "Nach dem gemeinsamen Frühstück bummeln einige Mütter manchmal noch zusammen über den Flohmarkt, die Männer schauen sich hier später ein Fußballspiel an." Seit etwa zwei Jahren gibt es das Café Osterdeich - ihre Idee kommt an.

Man kommt wegen "Gretchen" ins Karoviertel

So legen auch die Stammgäste von Stefanie Margarethe Herbst Wert darauf, dass "Gretchen" selbst auch anwesend ist, sie begrüßt oder auf ein paar Worte kurz an ihrem Tisch verweilt. Die 30-Jährige hat sich mit ihrem Café Gretchens Villa im Karoviertel einen lang gehegten Traum erfüllt. Das Interieur ist in Weiß-Türkis gehalten, mit alten Fliesen und Kacheln, liebevoll mit Accessoires ausgestattet. 32 Innenplätze hat das Geschäft und noch einmal so viele vor der Tür. "Mir gefällt besonders das Publikum hier - es ist cool wie die Läden in der Gegend, sehr speziell und dabei super entspannt", sagt Herbst.

Die ehemalige Verlagskauffrau hat lange nach einem geeigneten Standort gesucht. Die weiße Schürze locker um die Hüfte gewunden, das blonde Haar zum Zopf zusammengebunden, plaudert sie lachend und so, als würde man sich schon viele Jahre kennen. Gretchen eben. "Ich habe auch Gäste aus anderen Bundesländern, die jedes Mal kommen, wenn sie in Hamburg sind", sagt die Gastronomin. Und weil es so gut läuft, eröffnet sie Ende März ihr zweites Café. "Als direkt nebenan eine Ladenfläche frei wurde, habe ich gleich zugeschlagen."

Es ist vor allem die Persönlichkeit der jungen Café-Inhaber, die den besonderen Reiz dieser kleinen Läden ausmacht. "Nachbarschaftlich, freundschaftlich - und sehr stadtteilbezogen", sagt Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbands in Hamburg. "Da gibt es zwei gegenläufige Entwicklungen. Einerseits die Filialen großer Kaffeeshop-Ketten, andererseits kleine inhabergeführte Individualcafés." Wie in anderen Großstädten dominieren auch in Hamburg Starbucks, McCafé und Balzac. "In wohl keiner anderen Stadt in Deutschland gibt es eine derartige Dichte im Innenstadtbereich." Zudem bieten auch immer mehr Bäckereien Kaffee, Kuchen und Snacks an Stehtischen und in kleinen Sitzecken an. "Wer auf dem Café-Markt noch mitmischen will, muss sich eine Nische suchen - etwas, das ihn von anderen unterscheidet."

Streetart-Torten vom "jungen Wilden" aus der Schanze

Auch Herr Max aus dem gleichnamigen Café in der Schanze hat aus seiner Leidenschaft und seinem Können eine Geschäftsidee gemacht. Am Schulterblatt ist sein kleiner Laden, den er gemeinsam mit seiner damaligen Freundin aufgebaut hat. "Seit Kurzem gibt es nun auch eine Frau Max", sagt er gut gelaunt. Die beiden haben vergangenes Jahr geheiratet. Matthias Max ist gelernter und passionierter Konditor. Dabei gehört er quasi zu den "jungen Wilden" seines Fachs. "Ich liebe Comics und Streetart, lasse mich stark davon inspirieren", sagt er.

Für Nena hat er eine ausgefallene Geburtstagstorte gebacken, für das Hard Rock Café eine riesige Gitarre. Seine tollen Torten kosten ab 42 Euro aufwärts. Einige legen dafür schon mal ein paar Hundert Euro auf den Tisch. Die Kunden seines Cafés sind sehr gemischt - wie das Publikum der Schanze eben. Der Laden war vor mehr als 100 Jahren einmal ein Milchgeschäft, daher stammen die alten Kacheln an den Wänden. "Als wir das erste Mal in den Räumen standen, dachte ich spontan, der Laden sieht von innen aus wie eine Hochzeitstorte von außen", erzählt Max. "Herr Max un sin Fru" heißt es auf der Internetseite.

Familienbetrieb für Traditionalisten mit Lust auf Streuselkuchen

Wie der Stadtteil so auch seine Cafébar-Landschaft. Im Petit Café in Eppendorf wird schon am Morgen blechweise köstlich duftender Streuselkuchen aus der Backstube herangeschleppt. Apfel, Butter, Erdbeer, Pflaume oder Kirsch für 2,80 Euro das Stück. Die Einrichtung ist gemütlich und stilvoll. Den Familienbetrieb gibt es bereits seit mehreren Generationen - ein echtes Traditionscafé.

Seit Kurzem wird auch das neue Petit Café Hohe Bleichen mit dem Streuselkuchen beliefert. In Eppendorf befindet sich gleich gegenüber das Café Hegeperle. Vier Frauen - zwei Mütter, zwei Töchter - und oft auch deren Freundinnen schmeißen den kleinen Laden, der auch ein paar Außenplätze hat. Besonders an den Wochenenden bekommt man kaum noch einen Tisch. Wer den schwäbischen Käsekuchen oder die "Haustorte Schneewittchen" kennt, weiß auch, warum. "Diese Cafés mit Vintage-Charakter gibt es auch in anderen deutschen Städten", sagt Antje Schünemann vom Trendbüro Hamburg. "Die alten Möbel, das Handgemachte und Selbstgebackene sowie das oft auch ein wenig Unperfekte machen den liebreizenden Charme dieser Läden aus. Das hat etwas mit Tradition und Sicherheit zu tun und kommt besonders bei jungen Leuten gut an."

Leseratten und "Tatort"-Fans kommen am Schulterblatt auf ihre Kosten

Traditionell ist auch die Verbindung von Literatur und Kaffeehaus. Auf diese Kombination haben sich einige Stadtteilcafés konzentriert. Einen Service der besonderen Art bietet das Cafelarigo am Schulterblatt, gleich neben dem Café Stenzel, einem der ältesten Kaffeehäuser der Hansestadt Hamburg. Im hinteren Teil des Cafelarigo kann man Bücher tauschen: Man bringt eins mit, ein anderes darf man dafür aus dem Regal nehmen. Gelesen wird vorzugsweise gleich direkt vor Ort.

Auch das Café-Bar-Restaurant Mathilde an der Bogenstraße beim Schlump hat sich einiges einfallen lassen. Es gibt Lesungen, Autoren- und Themenabende, und in der kalten Jahreszeit wird der Kamin beheizt. Es soll halt gemütlich zugehen. Der Clou: Das Café bietet fast alle Möbelstücke zum Kauf an. Das gilt auch für zahlreiche neue und gebrauchte Bücher sowie für die Musik, die im Laden gespielt wird. Ein weiteres Highlight, das sich bei den Gästen großer Beliebtheit erfreut: Am Sonntag wird im Mathilde gemeinsam der "Tatort" geschaut.