Charakterlich verbogene, wahnsinnige religiöse Fanatiker aus dem islamischen Ausland - so lautete das häufig bemühte Stereotyp für Terroristen in...

Hamburg. Charakterlich verbogene, wahnsinnige religiöse Fanatiker aus dem islamischen Ausland - so lautete das häufig bemühte Stereotyp für Terroristen in westlichen Staaten, darunter auch Großbritannien. Die Briten, die im Juli 2005 von verheerenden Anschlägen mit 56 Toten betroffen waren, räumen nun mit dieser Vorstellung gründlich auf.

Der britische Inlandsgeheimdienst MI5, Gegenstück zum legendären James-Bond-Auslandsdienst MI6, kam in einer aufwendigen Studie, bei der Hunderte Terroristen und Terror-Verdächtige psychologisch unter die Lupe genommen wurden, zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Terroristen weisen keine typischen Merkmale auf, im Grunde kann jeder zum extremistischen Attentäter werden. Damit ist die "mad and bad"-Theorie, die Annahme, Terroristen seien isolierte Soziopathen und wiesen in der Regel pathologische Profile auf, nicht mehr haltbar.

Die angesehene Londoner Zeitung "The Guardian", ein "quality paper", zitierte aus der bislang streng geheim gehaltenen Studie, die von der Abteilung für Verhaltensforschung beim MI5 erstellt wurde. Deren wichtigsten Ergebnisse lauten:

Die meisten Extremisten sind britische Bürger, der Rest hält sich legal in Großbritannien auf. Ausländer spielen also im Terrorprofil kaum eine Rolle.

Eine große Zahl der Extremisten ist nicht übermäßig religiös und praktiziert den Islam nicht regelmäßig. Nur wenige kommen aus streng religiösen Familien. Der MI5 kommt sogar zu dem Ergebnis, dass ein solider religiöser Hintergrund eher gegen eine militante Radikalisierung schützt.

Die Terroristen in Großbritannien sind ethnisch so unterschiedlich wie der gesamte muslimische Bevölkerungsanteil. Der MI5 stellt klar, dass man keine Aussagen treffen kann bezüglich Hautfarbe und Nationalität.

Die meisten Extremisten sind zwar erst Anfang bis Mitte Zwanzig, wenn sie sich radikalisieren, aber ein erheblicher Teil ist bereits jenseits der Dreißig. Vor allem von diesen besteht die Mehrheit keineswegs aus sozial Wurzellosen, sondern lebt in festen Beziehungen, fast alle haben Kinder. Dies steht im totalen Gegensatz zur bisherigen Annahme, dass es sich bei Terroristen um junge, von sexueller Frustration getriebene Männer handelt, die Märtyrer werden, weil sie das Versprechen lockt, im Paradies warteten wunderschöne Jungfrauen auf sie.

Die meisten Terroristen sind Männer, aber auch Frauen spielen eine wichtige Rolle.

Die in Großbritannien tätigen Extremisten sind nicht sonderlich unintelligent oder einfältig, es gibt unter ihnen welche ohne jede Ausbildung, aber auch mit hochwertigen Abschlüssen. Doch fast alle arbeiten in untergeordneten Tätigkeiten.

Die Studie des MI5 konstatiert, dass es sich bei jenen, die Terroristen werden, um eine "verschiedenartige Ansammlung von Individuen" handelt, "die in kein einheitliches demografisches Profil passen, und die keinem typischen Weg in den militanten Extremismus folgen."