BRÜSSEL/PRISTINA. Die abtrünnige serbische Provinz Kosovo darf nach Auffassung der Europäischen Union (EU) nicht voreilig für unabhängig erklärt werden. Die EU-Außenminister mahnten gestern in Brüssel die Kosovo-Albaner zur Besonnenheit. Ein Sprecher des albanischen Teams bei den erfolglosen Verhandlungen mit Serbien sagte allerdings in Pristina, die Albaner seien nicht bereit, mit der Unabhängigkeitserklärung bis zu den serbischen Präsidentenwahlen zu warten. In jedem Fall werde sich das Kosovo "vor Mai" zum souveränen Staat erklären, sagte Sprecher Skender Hyseni. Die EU-Minister sind bereit, mit den Albanern über eine "koordinierte Unabhängigkeitserklärung" zu sprechen.

Bisher lehnen es mehrere Staaten - vor allem Zypern und die Slowakei, aber auch Griechenland und Spanien - ab, eine einseitige Unabhängigkeitserklärung der Kosovaren anzuerkennen. Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen bei einem Gipfeltreffen an diesem Freitag in Brüssel erneut versuchen, eine gemeinsame Position zu finden. Gestern war die Frist, in der die Kosovo-Troika (EU, Russland, USA) eine Einigung von Serben und Albanern herbeizuführen versuchte, ergebnislos verstrichen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Brüssel: "Wir werden auf die Beteiligten in der Region einzuwirken versuchen, dass es jetzt zu keinen unüberlegten Reaktionen kommen wird." Er bedauerte ebenso wie andere EU-Minister einen Mangel an politischem Einigungswillen auf beiden Seiten. "Ich sehe einen sehr intensiven Diskussionsprozess zwischen der EU und der Führung des Kosovos, der stattfinden muss, bevor sowohl in Brüssel als auch in Pristina Entscheidungen getroffen werden können", sagte der deutsche Botschafter Wolfgang Ischinger, der die EU in der Troika vertreten hatte.

Der Sieger der Wahlen im Kosovo und designierte Regierungschef Hashim Thaci bekundete: "Die EU ist entscheidend. Wir sind für eine koordinierte Erklärung der Unabhängigkeit. Die Anerkennung ist für uns ebenso wichtig wie die Erklärung."

Russlands Außenminister Sergej Lawrow warnte bei einem Besuch auf Zypern erneut vor der Ausrufung der Unabhängigkeit des Kosovos. Dies könne zu Kettenreaktionen auf dem Balkan und anderswo auf der Welt führen, sagte Lawrow nach einem Treffen mit dem zyprischen Staatspräsidenten Tassos Papadopoulos in der Inselhauptstadt Nikosia. "Diejenigen, die solche Pläne hegen, müssen sich der Verantwortung eines solchen Schrittes voll bewusst sein."

Für den geplanten EU-Weisenrat sind unterdessen die lettische Ex-Präsidentin Vaira Vike-Freiberga und der ehemalige Nokia-Chef Jorma Ollila im Gespräch. Einer der beiden könnte auf dem EU-Gipfel am Freitag an die Spitze des neuen Gremiums berufen werden, verlautete am Rande des EU-Außenministertreffens. Die Einrichtung des Rats der Weisen geht auf einen Vorschlag des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zurück. Der Rat soll über Grundsatzfragen wie die Erweiterung der EU beraten.