LONDON. Helle Aufregung in Großbritannien: Auf dem Postweg sind zwei CDs mit persönlichen Daten von 25 Millionen Briten spurlos verschwunden. Die britische Regierung geriet gestern massiv unter Druck. Premierminister Gordon Brown entschuldigte sich im Unterhaus in London für die "Unannehmlichkeiten und Sorgen". Er bedauere die Panne "zutiefst". Schatzkanzler Alistair Darling sprach von einem "katastrophalen Vorfall", erklärte jedoch, es bestehe kein Risiko, dass die Datenträger mit Informationen über alle Kindergeldempfänger des Landes in "falsche Hände" gefallen seien. Es gebe bisher keine Anzeichen für einen kriminellen Hintergrund.

Banken riefen ihre Kunden trotzdem dazu auf, ihre Kontobewegungen genau zu prüfen. Kreditschutzexperten warnten, die Betroffenen müssten noch jahrelang befürchten, von Betrügern bestohlen zu werden.

Die Datenträger beinhalten persönliche Informationen wie Namen, Bankdetails, Adressen und Sozialversicherungsnummern von allen Familien, die Kindergeld beziehen - das ist fast der Hälfte der britischen Bevölkerung. Die Daten sind nicht verschlüsselt, sondern nur mit einem Passwort geschützt. Sie sind bereits am 18. Oktober verschwunden: Ein Angestellter der Steuerbehörde hatte die Daten auf CDs gebrannt und per Kurier von der Zweigstelle in Washington, einem Ort in Nordostengland, zum Rechnungshof nach London versandt. Dort kamen sie jedoch nie an. Die Polizei suchte gestern weiter vergeblich nach den verschwundenen Datenträgern. Brown ordnete eine Überprüfung der Datensicherheit in allen Regierungsbehörden an.

Als Konsequenz war am Vortag der Vorsitzende der britischen Steuerbehörde HMRC, Paul Gray, zurückgetreten. Die Opposition sagte, auch Darlings Posten stehe "auf der Kippe". Die Bürger seien "wütend, dass die Regierung in ihrer obersten Pflicht versagt hat, die Öffentlichkeit zu schützen", sagte der konservative Oppositionsführer David Cameron. Darling lehnte einen Rücktritt ab: "Ich werde nicht davonlaufen, wenn es schwierig wird." Brown erklärte bei der hitzigen Debatte im Unterhaus, Darling mache einen "hervorragenden Job".

Darling, ein enger Freund des Premierministers, hatte das Amt Ende Juni von Brown übernommen. Er steht bereits wegen der Krise um die Hypothekenbank Northern Rock massiv unter Druck. Medien sprachen von Darlings "Black Tuesday" (Schwarzem Dienstag), von "Inkompetenz" und einem "Daten-Desaster". Auch Brown selbst ist seit der Absage der Parlamentswahlen im vergangenen Monat schwer unter Beschuss.

Unklar blieb zunächst, wie es dazu kommen konnte, dass die CDs - entgegen den Vorschriften - versandt wurden. Der Angestellte hatte das Paket offenbar zu der normalen Post gelegt, dort sollte es von einem Kurier abgeholt werden. Darling betonte, die sensiblen Daten hätten "niemals" verschickt werden dürfen. Zu dem Vorfall sei es jedoch nicht - wie von Mitarbeitern behauptet - gekommen, weil die Behörde umstrukturiert und Personal gestrichen wurde. Kritik wurde auch daran laut, dass die Öffentlichkeit erst Wochen nach dem Vorfall informiert wurde, der Finanzminister wusste bereits seit dem 10. November von dem Daten-Desaster.