Polizei gelang Schlag gegen Hintermänner. Firmen-Vorstand Weingarten warnt: “Aber andere aktive Zellen arbeiten weiter.“

Hamburg. Es war eine "Nachricht an die Regierungen von Deutschland und Österreich", die die Sicherheitsbehörden im März alarmierte. Die "Stimme des Kalifats" drohte - erstmals auf Deutsch - per Videobotschaft mit Anschlägen, sollten deutsche und österreichische Soldaten nicht aus Afghanistan abziehen. Am Mittwoch gelang der österreichischen Polizei ein Schlag gegen die Hintermänner dieser mörderischen Aufforderung. In Wien wurden zwei Männer und eine Frau, arabische Einwanderer der zweiten Generation, festgenommen. Wird es auch noch Festnahmen in Deutschland geben?

"Damit ist vielleicht die österreichische Zelle zerschlagen", sagte der Hamburger IT-Experte Bert Weingarten gestern dem Abendblatt, "aber es gibt auch noch eine deutsche Zelle." Seine Firma Pan Amp, die Hochleistungs-Filtertechnologie für das Internet anbietet, hatte nach seinen Angaben im März das Drohvideo im Internet entdeckt und die Sicherheitsbehörden eingeschaltet.

Nach Recherchen von Pan Amp wurde der Propagandafilm über einen Rechner in Erfurt vollendet, der zuvor bereits das Online-Programm der "Stimme des Kalifats" weltweit verbreitet hatte. Inzwischen seien der Server und der Internet-Sender geschlossen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wollte dies gestern gegenüber dem Abendblatt nicht bestätigen. "Wir haben keine Erkenntnis, dass ein Rechner in Erfurt stand, der diese Botschaften verbreitete", sagte er. Zu möglichen Verbindungen aus Österreich nach Deutschland wollte er sich nicht äußern.

Nun seien, so Weingarten, die Kamerafrau und der Sprecher des Videos in Wien verhaftet worden. "Aber andere aktive Zellen arbeiten weiter", warnt er. Es sei ein Al-Qaida-Netz, das bislang Propaganda-Material für den islamistischen Terror herstelle und verbreite. Diese "Global Islamistic Media Front" (GIMF) besteht nach Informationen von Pan Amp weltweit aus mehr als 200 Soldaten. Auch einer der drei österreichischen Verdächtigen soll nach Angaben des US-Forschungsinstituts SITE ein führendes Mitglied der GIMF sein.

Drehscheibe der Verbreitung sei seit Herbst 2005 aber die Landeshauptstadt Thüringens gewesen. "Aus Erfurt wurden weltweit die Dschihadisten mit GIMF-Propaganda versorgt", sagt Weingarten. Das Sendeprogramm zur Sendeaufnahme am 21. Juli 2006 hat Pan Amp aus dem Arabischen übersetzt und auf seiner Homepage veröffentlicht. Von 10.10 Uhr bis 10.15 Uhr wurde danach dort die "Produktion des Paradieses" gesendet, der Tarnname für Eigenproduktionen der Zelle.

Seit Oktober 2005 hatte die Firma Pan Amp wiederholt nach eigenen Angaben auf das gefährliche Treiben der GIMF hingewiesen. "Das sind Aufrufe zu Terroranschlägen", sagt Weingarten. Doch erst acht Monate nach der Sendeaufnahme wurde demnach der Internet-Sender "Stimme des Kalifats" geschlossen. Zu spät, meint er. "Es ist beachtlich, was über einen Erfurter Provider an Dschihad in der Welt verbreitet wurde", sagt er und beklagt, dass die Sicherheitsbehörden zu oft personell am Limit sind.

"Wenn die Fahndung nach den drei jetzt im Sauerland festgenommenen Terrorverdächtigen in Deutschland 300 Beamte eingebunden hat, dann waren für andere Ermittlungsarbeiten keine Spezialisten mehr da", sagt er. Jetzt müsse sich alles darauf konzentrieren, die deutsche Zelle der GIMF zu stellen.

Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte gestern noch einmal, das Internet sei die "Plattform des Heiligen Krieges gegen die westliche Welt" geworden. Weingarten selbst wird seine Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten im Internet weiter den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellen. "Als privates Unternehmen haben wir ein Interesse an einem auch weiterhin anschlagsfreien Deutschland", sagt er.