Als Pastorensohn habe er Mitgefühl für Arme entwickelt, sagt Brown. In der Öffentlichkeit gilt er aber als unterkühlt und zugleich cholerisch. Dieses Image will er loswerden - und öfter lachen.

London. "Smile, Daddy!". Das neueste Lieblings-Schlagwort des drei Jahre alten John Brown ist eine überflüssige Aufforderung. Nach 13 langen Jahren des Wartens auf den Top-Job fällt Gordon Brown das Lächeln endlich leicht.

In seinen zehn Jahren als Schatzkanzler ist Brown für die Briten ein Rätsel geblieben; ein Politiker, der für sein professionelles Können respektiert wurde, jedoch wenig beliebt war. Während Freunde von einem charismatischen, humorvollen Mann berichten, hat Brown in der Öffentlichkeit den Ruf eines eiskalten, machtbesessenen Cholerikers. Doch seit ihm sein Seelenverwandter und gelegentlicher Rivale Tony Blair den Schlüssel für die Downing Street Nummer 10 überlassen hat, scheint der grummelige Gordon erst einmal Vergangenheit zu sein.

Der introvertierte Pastorensohn Brown hat gelobt, zuzuhören und zu lernen. Wenn er über sich spricht - unbehaglich -, kommt Brown immer auf seine strikte, aber liebevolle Erziehung in den 50er-Jahren in der kleinen schottischen Stadt Kirkcaldy nahe Glasgow zu sprechen. "Als Pastorensohn siehst du das Leben, du siehst die Trauernden, die Armen und die Bedürftigen, die durch die Tür deines Vaters kommen", sagte Brown in einem Interview. Die protestantische Ethik, die ihm seine Eltern vorlebten, sei der moralische Kompass seines Lebens gewesen. Einer der Lieblingssätze Browns ist, dass der Westen die Pflicht habe, den Armen der Welt zu helfen.

Gordon Brown wurde als einer von drei Brüdern am 20. Februar 1951 in Glasgow geboren. Bereits als Zwölfjähriger half er bei der örtlichen Labour-Partei aus, der er als Volljähriger dann beitrat.

Seine politische Karriere begann mit einer Katastrophe: Mit 17 Jahren hatte er einen schweren Unfall beim Rugby-Spiel, bei dem sich die Netzhäute in beiden Augen lösten. Nach einer Notoperation war Brown ein halbes Jahr in völliger Dunkelheit ans Bett gefesselt. Aus dem optimistischen, jovialen Gordon wurde ein ernsthafter junger Mann, dessen linkes Auge blind blieb. Und aus den Trümmern des Traumes einer professionellen Rugby-Karriere entstand der eiserne Wille, ein berühmter Politiker zu werden.

Schon bald wurde Brown, der promovierte Historiker, brillante Redner und hochintelligente Analytiker als neue Hoffnung der Labour-Partei gehandelt. Doch ihm fehlte eine Eigenschaft, die sein neuer Büronachbar Tony Blair im Überfluss aufwies: durch Charisma getarnte Skrupellosigkeit. Als Parteichef John Smith im Mai 1994 starb, überzeugte Blair Brown, nicht gegen ihn zu kandidieren und so die Partei zu spalten. Brown gab sich grollend mit dem Amt des Schatzkanzlers zufrieden.

Brown ist als Arbeitstier berüchtigt und dafür bekannt, selbst im Urlaub über ernsthafter Lektüre zu brüten. In der Wahlkampagne 1997, aus der die Labour-Partei als Sieger hervorging, soll er durchschnittlich 18 Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche geschuftet haben - nachdem er morgens eine Stunde auf dem Laufband geschwitzt hatte. Es war Politik, Politik, nur Politik, klagte Browns Exfreundin Prinzessin Marguerite von Rumänien, mit der er fünf Jahre liiert war.

Brown blieb Junggeselle, bis er 2000 mit 49 Jahren die erfolgreiche PR-Beraterin Sarah Macaulay heiratete - um endlich mit den Gerüchten aufzuräumen, er sei schwul, und um das publicity-schädigende Image des einsamen Workaholics abzuschütteln.

Das erste Kind des Paares, Jennifer, wurde im Dezember 2001 verfrüht geboren und starb nach nur zehn Tagen. Die Freude des frischgebackenen Vaters, die von dem Bild eines Mannes mit gebrochenem Herzen abgelöst wurde, berührte die Nation.

Mit den Söhnen John (3) und Fraser (11 Monate) scheint heute die brownsche Familienidylle perfekt. Englands neuer Premier hat das Vatersein als die beste Sache der Welt beschrieben und versucht, sein ernstes Image unter anderem durch hellere, legerere Kleidung abzuschütteln.

Doch trotz der äußerlichen Generalüberholung bleibt Brown seinen Überzeugungen treu. Er hält den Appetit der Öffentlichkeit nach Promi-Politikern für erschöpft. "Ich glaube, dass es in den nächsten Jahren in der Politik um Persönlichkeit gehen wird und dass Politiker dafür beurteilt werden, ob sie die großen Themen anpacken können", sagte Brown, der Sicherheit, Terrorismus, Globalisierung und die Beziehungen zwischen Religion und Gesellschaft für die wichtigsten Herausforderungen hält.

Gordon Brown ist das Gegenstück Tony Blairs; ein Mann der detailgenauen Analysen, der Schlagworthülsen verabscheut. Ob er damit Erfolg hat, werden die nächsten Wahlen zeigen. Jedenfalls wird der Mann, der sein Ziel nach der längsten Lehrlingszeit der neueren politischen Geschichte erreicht hat, um seinen Traumjob kämpfen. Lächelnd.