Der deutsche Europa-Abgeordnete Hans-Gert Pöttering (61) ist gestern zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt worden. Das Abendblatt sprach mit dem CDU-Politiker.

STRASSBURG. Der deutsche Europa-Abgeordnete Hans-Gert Pöttering (61) ist gestern zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt worden. Das Abendblatt sprach mit dem CDU-Politiker.

ABENDBLATT: Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Arbeit als Parlamentspräsident setzen?

HANS-GERT PÖTTERING: Ich möchte, dass die Substanz des EU-Verfassungsvertrages verwirklicht wird. Dabei geht es um die notwendigen Reformen in der Europäischen Union und den Wertekanon. Ich werde in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel als EU-Ratspräsidentin meinen Beitrag leisten, dass im Juni 2007 ein Fahrplan beschlossen werden kann, wie es mit der Verfassung weitergeht. Vorher wird es schon am 25. März die Berliner Erklärung geben. Europäischer Rat, Europäisches Parlament und EU-Kommission werden sich gemeinsam äußern. Diese Erklärung könnte die Richtung weisen für die Zukunft, indem wir uns zu unseren Werten, zu notwendigen Reformen und zu Solidarität in Europa bekennen. Außerdem möchte ich Herz und Verstand der Bürger für Europa gewinnen und den Dialog der Kulturen, insbesondere mit der islamisch-arabischen Welt, vorantreiben.

ABENDBLATT: Geht es auch darum, die Rolle des Europäischen Parlaments zu stärken?

PÖTTERING: Das ist das ständige Arbeitsprogramm eines jeden Abgeordneten. Und dieser Punkt ist ja auch im EU-Verfassungsvertrag enthalten. Zurzeit hat das Parlament ein Mitentscheidungsrecht in 75 Prozent der EU-Gesetzgebung, zum Beispiel in den Bereichen Haushalt, Umwelt und Verkehr. Der Entwurf zum Verfassungsvertrag sieht nahezu 100 Prozent vor, zum Beispiel auch in Fragen der Inneren Sicherheit, Einwanderung und Asyl. Das wäre ein weiterer Kompetenzsprung für das Europäische Parlament und würde mehr Demokratie bedeuten.

ABENDBLATT: Wie sehen Sie die gerade gegründete rechtsextreme Fraktion im Parlament?

PÖTTERING: Mit äußerster Skepsis. Ich bedauere, dass es zu einer Fraktion der europäischen Rechten gekommen ist. Wir müssen uns mit aller Kraft inhaltlich und politisch mit der Gruppierung auseinandersetzen. Ich erwarte nicht, dass der Zusammenschluss die Mehrheiten im Europäischen Parlament spürbar verändern wird, denn die Abgeordneten waren vorher schon da. In Einzelfällen kann die Gruppe allerdings durchaus Bedeutung entwickeln.

ABENDBLATT: Sie sind seit 1979 EU-Abgeordneter und waren seit 1999 Vorsitzender der EVP-Fraktion. Ist Ihr neues Amt Anerkennung und Krönung Ihrer Arbeit für Europa?

PÖTTERING: Eine Krönung ist etwas sehr Monarchisches, und das Amt des Präsidenten ist etwas Demokratisches. Aber im übertragenen Sinne ist das Amt ein Höhepunkt meiner Arbeit, auch wenn meine bisherige Tätigkeit als Fraktionsvorsitzender schon sehr herausfordernd und anspruchsvoll war.