RUSSLAND. Duma-Abgeordneter Golowljow erschossen. Steckt Präsident Putin dahinter?

Moskau. Mit zwei Pistolenschüssen hat ein Auftragskiller gestern den Duma-Abgeordneten Wladimir Golowljow ermordet. Boris Beresowski wie Golowljow, Co-Vorsitzender der Partei "Liberales Russland", machte in einem Telefongespräch mit dem Hamburger Abendblatt indirekt Präsident Wladimir Putin für die Tat verantwortlich, die er ein "politisches Verbrechen" nennt. Der Mörder des Duma-Abgeordneten wartete bereits in einem Gebüsch auf ihn, als Golowljow kurz nach acht Uhr morgens im Moskauer Stadtteil Mitino seinen Hund ausführte. Wladimir Pronin, der Chef der Moskauer Miliz, teilte gegenüber der Presse mit, der Mord sei offensichtlich von einem "Profi" verübt worden. Der Abgeordnete sei einmal in die Brust getroffen worden, der zweite Schuss in den Kopf sei ein "Kontrollschuss" gewesen. Pronin zufolge ermittelt die Kriminalmiliz gegenwärtig in zwei Richtungen. Zum einen gehe es um die Tätigkeit Golowljows im Parlament. Der Ermordete, der seit 1993 in der Duma saß und verschiedenen Parteien angehörte, war stellvertretender Vorsitzender des Komitees für Budget- und Steuerfragen und Mitglied des Komitees für die Überprüfung der Haushaltsausgaben für Verteidigung und staatliche Sicherheit. Zugleich war Golowljow einer der fünf Co-Vorsitzenden der Beresowski-Partei "Liberales Russland", die gegenwärtig mit dem Justizministerium über ihre offizielle Registrierung streitet. Eine zweite Spur führt die Ermittlungen nach Tscheljabinsk, wo Golowljow von 1991 bis 1993 Vorsitzender der regionalen Vermögensverwaltung war, bevor er in die Duma wechselte. Der parlamentarische Weg gilt in Russland als probates Mittel, um unangenehme Untersuchungen zu vermeiden. 216 Abgeordnete der Duma, so der Vorsitzende der Partei "Jabloko", Grigori Jawlinski gegenüber dem Abendblatt, würden sofort ins Visier des Staatsanwalts geraten, wenn sie ihre parlamentarische Immunität verlören. Golowljow wurde vorgeworfen, eine kriminelle Gruppierung organisiert und mit deren Hilfe umgerechnet mehr als drei Milliarden US-Dollar unterschlagen zu haben. Golowljow dementierte alles, deutete aber an, dass im Zuge der Ermittlungen hochrangige Politiker aus Moskau ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten könnten - eine kaum verhüllte Drohung. In einem Interview mit der Web-Zeitung Strana.ru im November 2001 nannte er den jetzigen Arbeitsminister Alexander Potschinok und Vizepremier Viktor Christenko. Alte Bekannte aus Tscheljabinsk erinnern sich jetzt, dass Golowljow immer damit gedroht habe, Moskauer Namen zu nennen, sollte man ihn nicht in Ruhe lassen. Vielleicht, so argwöhnt man in der Provinz, hat er in den Verhören der jüngsten Zeit Leute erwähnt, die nun die Zeit zum Handeln gekommen sahen. Diese Ermittlungen gegen seinen Parteifreund, sagt die einstige graue Eminenz des Kreml, Boris Beresowski, gegenüber dem Abendblatt, seien überhaupt erst aufgenommen worden, nachdem Golowljow sich mit ihm in London über die Gründung einer russischen Oppositionspartei verständigt habe. Die "Logik der politischen Entwicklung" zu einem autoritären russischen Staat, der keine Opposition vertrage, so meinte Beresowski, habe zwangsläufig zu einem Mord an einem bestimmten Menschen führen müssen. Die Machthaber wollten damit die Herausbildung einer echten Opposition zum autoritären Regime Putins unterbinden. Beweise dafür konnte er aber nicht nennen. (SAD)