Netzwerk: Mit illegalem Zigaretten-Handel verdiente Präsidenten-Sohn Millionen. Seine Mutter schmierte den Zollchef. Selbst der Geheimdienst war eingebunden. Und über die jetzt veröffentlichten Ermittlungsergebnisse wußte der Innenminister seit zwei Jahren Bescheid . . .

Belgrad. Der Name Milosevic wird auch nach dem Tod des Diktators wohl noch lange in aller Munde sein. Sohn Marko sorgt weiter für Gesprächsstoff. Gemunkelt wurde immer schon, daß sich die Familie des früheren jugoslawischen Staatschefs Slobodan Milosevic maßlos bereichert hat. Doch jetzt ist mit Hilfe der Polizei erstmals nachgewiesen, wie der Sproß aus dem kriminellen Zigarettenschmuggel Dutzende und Aberdutzende Millionen Euro gescheffelt hat. Und seine wichtigste Helfershelferin war keine Geringere als seine Mutter, die frühere First Lady Mirjana Markovic.

Zunächst war es der Belgrader TV-Sender B 92, der den umfangreichen Polizeibericht mit dem Codenamen "Netz" publik machte. Dabei kam auch heraus, daß der serbische Innenminister Dragan Jocic bereits seit zwei Jahren dieses Untersuchungsergebnis vorliegen hat. Jocic und die Polizei bestritten tagelang die Existenz des Berichts. Erst als die Zeitung "Blic" titelte: "Jocic schützt die größten Zigarettenschmuggler", besannen sie sich eines Besseren: Ja, die Polizeiuntersuchung liege vor und sei jüngst dem Gericht übergeben worden, teilten die Sicherheitsbehörden jetzt mit.

Wie schon gegenüber anderen Mitgliedern des Milosevic-Clans wollen die Strafverfolgungsbehörden aber auch gegen Marko nicht ansatzweise wegen Schwerstkriminalität ermitteln. Möglicherweise weil zu viele auch heute noch aktive Politiker und Unternehmer selbst in die ominösen Machenschaften verstrickt sind. Der in weiten Teilen der Bevölkerung verhaßte Milosevic-Sproß wurde daher lediglich angeklagt, einem Kritiker mit Mord gedroht zu haben. Dafür wurde er auch verurteilt.

Doch unter undurchsichtigen Umständen hatte das Opfer seine ursprüngliche Aussage widerrufen. Marko wurde freigesprochen. Jetzt liegt offiziell nichts mehr gegen ihn vor. Doch so ganz traut er der Untätigkeit der Justiz doch nicht. "Ich werde niemals nach Serbien zurückkehren", hatte er aus seinem Moskauer Asyl angekündigt.

"Wir wissen, wer Serbien beraubt hat, aber nicht wie", schrieb das Nachrichtenmagazin "Vreme" vor kurzem. Doch das ist jetzt geklärt. "Zigarettenschmuggel in Serbien 1996 bis 2000" sei eine Grafik im Polizeibericht überschrieben, hieß es weiter. "An der Spitze des Diagramms stehen gleichberechtigt Marko Milosevic, Mirjana Markovic und (der Zollchef) Mihalj Kertes."

Und so funktionierte das kriminelle Netzwerk: Der heute 32jährige Marko ließ über seine auf Zypern beheimatete Briefkastenfirma eine Schiffsladung Zigaretten im bulgarischen Schwarzmeerhafen Burgas anlanden. Mit Sattelschleppern kam die wertvolle Fracht nach Serbien. Mutter Mirjana instruierte den Zollchef Kertes, daß die Fahrzeuge am Grenzübergang Gradina ohne Kontrolle durchgewinkt werden. Der wies seine Zöllner entsprechend an. Die Zollpapiere waren ohnehin frisiert. Mal handelte es sich um Zigaretten im Transit, mal um Möbel und Hölzer für Ungarn. Zitiert wird der ehemaligen Belgrader Geheimdienstchef Branko Djuric, nach dem eine Schlepperladung Zigaretten binnen eines Tages in Serbien an den Mann gebracht wurde. Den Reinverdienst beziffert er mit umgerechnet 150 000 bis 200 000 Euro je Ladung.

Ein zweiter Schmuggelkanal verlief zwischen Kroatien und Serbien, obwohl beide Länder im Krieg gegeneinanderkämpften. Nach der Devise "Geschäft ist Geschäft" sollen aus der kroatischen Tabakfabrik TDR in Rovinj monatlich 50 Tieflader voller Zigaretten nach Serbien geschleust worden sein. Geschätzter Gewinn: umgerechnet 12,5 Millionen Euro monatlich!

Daß Marko Milosevic einer der Größten im kriminellen Geschäft war und daß die Mutter stets mit von der Partie war, haben inzwischen auch der ehemalige serbische Geheimdienstchef Radomir Markovic und Zolldirektor Kertes bestätigt. Doch die Eltern zeichneten in der Öffentlichkeit ein ganz anderes Bild von ihrem Kind. "Mein Sohn hat alles, was er im Leben erreichte, mit seinen eigenen Händen erarbeitet", beschrieb Vater Slobodan rührend den wirtschaftlichen Erfolg Markos. "Mit 16 Jahren hat er schon gearbeitet, weil er es nicht ertragen konnte, einfach der Sohn des Präsidenten zu sein. Er ging in unsere Geburtsstadt Pozarevac, trug Kästen mit leeren und vollen Flaschen für eine Kneipe aus und verdient monatlich 55 Euro."

Die Wirklichkeit sah allerdings ganz anders aus. "Anfang der 90er Jahre, als der größte Teil Serbiens im wahrsten Sinne des Wortes hungerte, prahlte Marko mit der Zerstörung teurer Autos", schreibt B 92. In der Tat berichtete der Hobby-Rennfahrer in einem Interview: "Vater ärgerte sich über die ersten 15 Wagen (die zu Schrott gefahren wurden). Dann hat er das nicht mehr beachtet."

Das kostspielige Hobby wurde Marko von einem politischen Intimus seiner Mutter finanziert, als er noch nicht zu Geld gekommen war. Vlada Kovacevic, genannt Treff, ließ den Milosevic-Sprößling seine Rennfahrerträume auf dem Flughafen im Belgrader Vorort Surcin ausleben. Für immer neue Autos als Nachschub und fiktive Trophäen war stets gesorgt. Im Gegenzug erfreute sich Treff der besonderen Förderung von Polizei und Zoll beim Zigarettenschmuggel.

Doch irgendwann ließ sich Marko damit nicht mehr abspeisen und rückte zum gleichberechtigten Partner Treffs bei den riesigen Einnahmen auf. Am 20. Februar 1997 wurde Treff ermordet. Bis heute ist der Fall ungeklärt. Marko übernahm das Geschäft mit Hilfe von dessen Witwe. Doch es blieb nicht bei diesem einen undurchsichtigen Mord im Umfeld des Milosevic-Sohnes. Auch die Ermordung des stellvertretenden serbischen Innenministers Radovan Stojicic zwei Monate später soll mit dem Zigarettenschmuggel in Zusammenhang stehen. Und erst im Februar wurde in Sofia der bulgarische Großkriminelle Iwan Todorow ("Der Doktor") ermordet. Bulgarische Medien bringen ihn ebenfalls mit Marko Milosevic in Zusammenhang.

Der Wert der geschmuggelten Zigaretten soll 76 Millionen Euro betragen haben. Marko "investierte" den Reichtum in seiner Geburtsstadt Pozarevac. Die Stadtverwaltung wollte ihm zu Gefallen sein und enteignete verschiedene Grundstücke, die Marko später übernehmen konnte. Er baute sich eine Villa, deren überheizter Swimmingpool für den sinnlosen Luxus des jungen Mannes sprichwörtlich wurde. Er war Eigentümer der mit modernster Technik ausgerüsteten Diskothek "Madona", eines Computervertriebs, einer Pizzeria, einer Rundfunkanstalt, eines Internet-Providers und des Fitnessstudios Bambiland. Im Belgrader Zentrum nannte Marko die Luxus-Parfümerie "Skandal" sein eigen. An den Grenzen war er der Herrscher über eine ganze Kette von Duty-free-Shops. Mit zunehmendem Reichtum und anscheinend grenzenloser Befugnis wuchs auch seine Unverfrorenheit. Mal bedrohte er einen Kritiker mit der Motorsäge, mal marschierte er wegen kritischer Berichte mit vorgehaltener Pistole in die Redaktion einer Zeitung.

Doch trotz allem war er unantastbar, denn er stand unter dem Schutz des allmächtigen Geheimdienstes, der ihn sicherheitshalber gleich als "Mitarbeiter in Reserve" in die eigenen Reihen aufnahm. Im Gegenzug beteiligte er den Geheimdienst an seinen Einnahmen. Milosevic selbst brachte seine Gewinne in Koffern über die Grenze und deponierte sie in den Banken der Nachbarländer.

Mit dem Ende der Herrschaft von Slobodan Milosevic im Oktober 2000 war auch dessen Sohn Marko am Ende. Doch der setzte sich nach Rußland ab. Schließlich konnte er dafür nicht weniger als vier serbische Diplomatenpässe nutzen. In Rußland genießt er inoffiziell den Status eines "politischen Flüchtlings". Sein prall gefüllter Geldbeutel dürfte bei der Erlangung dieses Rechtsstatus nicht hinderlich gewesen sein.

Viele Mitglieder der früher kriminellen Kreise sitzen heute wieder an den Schalthebeln der Macht in Polizei, Justiz, Wirtschaft, den Medien und in der Regierung. Der jüngste Fall ist Ivan Mrkic, der zum Botschafter von Serbien-Montenegro in Japan ernannt wurde, deckte "Blic" auf. Mrkic wird als "Tresorwächter Milosevic'" bezeichnet. Er war von 1992 bis 2000 Botschafter auf Zypern und soll dort beim Verstecken der Milosevic-Reichtümer mitgeholfen haben.

Bis vor kurzem war auch ein anderer Milosevic-Günstling zu Hause eine große Nummer. Bogoljub Karic, der unter dem Diktator vom Provinzmusiker zu einem der reichsten Männer des Landes aufgestiegen war, schickte sich an, eine erfolgreiche politische Karriere zu starten. Seitdem interessieren sich die Steuerbehörden für sein windiges Geschäftsgebaren in der Vergangenheit. Der Mann entzog sich dem Polizeizugriff durch Flucht - nach Rußland.