PARIS/AJACCIO. Mit der Totalblockade Korsikas und einem Raketenanschlag hat sich der Streit um die Privatisierung der korsischen Reederei SNCM zu einer politischen Krise ausgeweitet. Nationalistische Korsen blockierten am Freitag die Häfen, Flughäfen und Treibstoffdepots der französischen Mittelmeerinsel. Hunderte Touristen saßen fest, Dutzende wurden in der Turnhalle von Ajaccio untergebracht. Die Präfektur setzte einen Krisenstab ein, der die Versorgung der Inselbevölkerung mit Medikamenten, Brot und Treibstoff sicherstellen soll.

Premierminister Dominique de Villepin schloß jedoch Nachbesserungen an seinem umstrittenen Rettungsplan für die SNCM aus. Frankreichs Präsident Jacques Chirac verurteilte den Raketenanschlag auf die Präfektur von Ajaccio scharf und telefonierte mit Präfekt Pierre-Rene Lemas, der die Attacke vom Vorabend unverletzt überlebt hatte.

Der Konflikt um die angeschlagene Fährgesellschaft SNCM eskaliert seit Tagen. Vor allem auf Korsika, aber auch in Südfrankreich kam es zu Zusammenstößen zwischen Streikenden und Sicherheitskräften. Am Donnerstag abend feuerten Unbekannte mit einem Raketenwerfer auf das Regierungsgebäude in Ajaccio; es entstand beträchtlicher Sachschaden. Der Anschlag verschärfte die Spannungen, die zwischen Nationalisten auf der französischen Mittelmeerinsel und der Regierung in Paris ohnehin wegen der SNCM herrschen. In ganz Frankreich sind zudem am Dienstag Sozialproteste gegen die Regierungspolitik geplant.

Aus Protest gegen die geplante Privatisierung der SNCM hatten streikende Seeleute am Dienstag ein Schiff der Fährgesellschaft nach Korsika entführt. Zwei Tage nach dem Sturm der "Pascal Paoli" durch eine Spezialeinheit der Gendarmerie forderte die Staatsanwaltschaft Marseille Haftbefehle gegen zwei der Meuterer. Insgesamt vier korsische Seeleute waren wegen Entführung eines Schiffes und Freiheitsberaubung in Gewahrsam genommen worden. Ihnen drohen bis zu 20 Jahren Haft. Vor dem Justizpalast von Marseille demonstrierten rund hundert SNCM-Beschäftigte für ihre Freilassung.

Die französische Regierung will der Verluste schreibenden SNCM eine Finanzspritze von 113 Millionen Euro verabreichen und die Mehrheit an der Fährgesellschaft an zwei private Unternehmen abtreten. Die Gewerkschaften fürchten Massenentlassungen und ein Ende der regelmäßigen Fährverbindungen zwischen dem Süden des französischen Festlandes und Korsika. Villepin versprach, das Überleben der Reederei werde gesichert.