Leck: Schwerstes Atomunglück seit 13 Jahren. Über Monate 83 000 Liter radioaktive Flüssigkeit ausgetreten.

Ein Plutonium-Leck in der umstrittenen britischen Atomanlage Sellafield ist nach Informationen der Zeitung "Independent on Sunday" bis zu neun Monate lang unbemerkt geblieben. Aus einem Untersuchungsbericht über den kürzlich bekannt gewordenen Zwischenfall gehe auch hervor, daß es die schwerste Panne in einem britischen Atomkraftwerk seit 13 Jahren gewesen sei. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien hat den Vorfall als "ernst" eingestuft, was selten vorkomme.

Die britische Regierung erwäge nun, die vorläufig stillgelegte Wiederaufbereitungsanlage von Sellafield gar nicht mehr zu öffnen. Die Reinigung eines abgedichteten Raums, in den ein hochaktives Uran-Plutonium-Gemisch geflossen ist, gilt als äußerst schwierig. Voraussichtlich müssen dafür erst Spezialroboter gebaut werden. Dennoch denkt die Regierung nach Angaben von Premierminister Tony Blair über den Bau einer neuen Generation von Atomkraftwerken nach.

Die Betreibergesellschaft British Nuclear Group hat zugegeben, daß in der Wiederaufarbeitungsanlage durch ein gerissenes Rohr viele Tonnen uran- und plutoniumhaltige Salpetersäure ausgelaufen sind. Neu ist, daß das Rohr dem "Independent" zufolge möglicherweise schon seit August vergangenen Jahres leckte, dies aber erst am 19. April entdeckt wurde. Nach Angaben der Zeitung bestätigt die Betreibergesellschaft auch dies. Die radioaktiven Abfälle, um die es geht, stammen demnach aus Deutschland.

Sellafield (früher Windscale) an der Nordwestküste Englands und das französische La Hague sind die größten Wiederaufarbeitungsanlagen für Atombrennstäbe in Europa. 1957 ereignete sich in Sellafield einer der größten nuklearen Unfälle vor Tschernobyl: Ein Brand konnte erst nach drei Tagen gelöscht werden, eine atomare Wolke zog über Großbritannien hinweg.