Österreich bangt: Thomas Klestil im Koma - beide Frauen sind bei ihm.

Hamburg/Wien. Er ringt mit dem Tod. Als "sehr eingeschränkt und zurückgenommen" beschrieben die Ärzte gestern die Hoffnung darauf, dass der österreichische Bundespräsident Thomas Klestil seine schwere Erkrankung überleben wird. Der 71-jährige erlitt am Montag als Folge akuter Lungenprobleme zwei Herzstillstände und liegt seitdem auf der Intensivstation des Wiener AKH. Klestil wurde in ein künstliches Koma versetzt - drei Tage vor Ablauf seiner Amtszeit.

Gestern Vormittag hatte sich die Situation nochmals verschärft. Wichtige Organe wie Herz, Lunge, Leber und Niere würden nicht mehr richtig funktionieren, erklärte der Leiter des behandelnden Ärzteteams, Christoph Zielinski. Es müsse jederzeit mit einem Versagen aller Organe gerechnet werden. "Dramatischer kann die Situation nicht sein", erklärte er. "Die Überlebenschancen schwinden."

Klestils Familie wacht am Krankenbett: Ehefrau Margot, Ex-Frau Edith sowie die Kinder Ursula, Thomas und Stefan. Aus ganz Europa trafen Genesungswünsche ein. Ex-Bundespräsident Roman Herzog wünschte seinem Duzfreund "von ganzem Herzen eine schnelle und vollständige Genesung".

Der ÖVP-Politiker hat seit Jahren mit Lungenproblemen zu kämpfen. Erstmals musste er wegen einer Lungenentzündung 1996 ins Krankenhaus. Im selben Jahr erlitt er zudem eine Lungenembolie. Klestil war fünf Monate im Krankenhaus. 2003 wurde erneut eine Lungenentzündung diagnostiziert. Dass sich sein Gesundheitszustand aber so verschlechtert hat, sei nicht abzusehen gewesen, berichtet Alfred Worm, Wiener Journalist und Freund Klestils. Er rechne stündlich mit dessen Tod.

Damit würde Österreich einen Mann verlieren, der sein Land auf verschiedene Weise geprägt hat. Unvergessen bleibt wohl Klestils Auftritt am 4. Februar 2000 in der Hofburg: Da überreichte er mit Leichenbittermiene und erkennbarer Abscheu Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und vor allem den neuen Ministern der rechtspopulistischen FPÖ die "Angelobungs-Urkunden". An diesem Tag scheiterte sein wochenlanges Bemühen, den Mitte-Rechts-Pakt von ÖVP und FPÖ noch abzuwenden. Bis heute ist Klestil ein erbitterter Gegner dieser Regierungskoalition.

An diesem 4. Februar 2000 verfestigte sich auch eine tiefe persönliche Abneigung zwischen Klestil und Schüssel. Die führte zwei Jahre später zu einem wüsten Gerangel um Macht und Einfluss auf internationaler Ebene. Karrierediplomat Klestil - unter anderem Botschafter Österreichs bei der UNO sowie anschließend in den USA - wollte als Bundespräsident Österreich international auf höchster Ebene vertreten. Schüssel verbat sich dies.

Zur Posse wurde der Streit, als Klestil dem Außenamt vorwarf, ihn nicht ausreichend zu informieren. Benita Ferrero-Waldner, die ÖVP-Außenministerin, stichelte zurück, seine Gattin würde ihn gewiss ausreichend informieren. Margot Klestil-Löffler arbeitete zu der Zeit noch als hohe Beamtin im Ministerium. Jene Margot Löffler, die 1994 der Grund für einen öffentlich ausgetragenen Rosenkrieg des Präsidenten-Ehepaars war. Höhepunkt: der publikumswirksam inszenierte Auszug von Ex-Gattin Edith aus der gemeinsamen Wiener Villa.

Der Ehestreit ramponierte die Stellung Klestils als moralische Instanz gehörig. Dennoch leistete er aber gerade auf diesem Gebiet Großes: Er holte Österreich aus der internationalen Schmuddelecke, in die es sein Vorgänger Kurt Waldheim wegen seiner Wehrmachts-Vergangenheit gerückt hatte. Und er bekannte sich als erster Präsident bei einem Besuch in Israel zur Mitschuld seines Landes am Holocaust.