Berlin. Berichte, wonach der Atomausstieg 2022 trotz Bedenken forciert wurde, belasten das Wirtschaftsministerium. Doch Habeck beschwichtigt.

Für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) endet die Woche unangenehm. In einer Sondersitzung des Bundestagsausschusses für Klimaschutz und Energie musste er sich Vorwürfen stellen, in seinem Ministerium seien im Frühjahr 2022 interne Bedenken zum damals noch für den folgenden Jahreswechsel geplanten Atomausstieg unterdrückt worden. Demnach hätten den Minister wichtige Informationen nicht erreicht. Habeck sagte, die Annahme, es habe eine Art Geheimwissen gegeben, sei falsch.

Auch Kritik an der Entscheidungsfindung zum Atomausstieg wies er zurück. Er selbst und sein Ministerium hätten die Frage nach einem möglichen Weiterbetrieb der AKW sehr frühzeitig von sich aus geprüft, betonte Habeck nach der Sondersitzung. Den Abgeordneten sollen nun weitere Unterlagen zur Verfügung gestellt werden aus denen sich „ein anderes Bild“ ergeben werde, als es derzeit von dem Magazin „Cicero“ dargestellt wird.

„Die Unterlagen erzählen eine andere Geschichte, als es kolportiert wurde, nämlich dass das Ministerium und meine Person, und zwar schon vor dem russischen Angriffskrieg, aktiv auf die Betreiber der Atomkraftwerke zugegangen ist, mit der Frage: Können eure Dinger länger laufen? Und hilft es uns was?“ Diese Beratungen hätten schon kurz vor dem russischen Angriff begonnen, als dieser sich abzeichnete, sagte eine Sprecherin des Ministeriums auf Nachfrage. Russland war zu diesem Zeitpunkt der wichtigste Gaslieferant Deutschlands. Der lange geplante Atomausstieg Deutschlands war für den Jahreswechsel 2022/23 geplant.

Habeck: Ministerium hat „ohne Denkverbote“ gearbeitet

Die Auskunft der AKW-Betreiber sei im Frühjahr gewesen, dass die noch vorhandenen Brennelemente der letzten drei deutschen Atomkraftwerke zum Jahresende ausgebrannt wären, sagte Habeck. „Später im Laufe des Jahres wurde diese Information korrigiert. Da hieß es dann, die können doch noch zwei, drei, vier, fünf Monate länger laufen und entsprechend wurde dann auch noch einmal die Laufzeit verlängert.“ Er versicherte: „Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität und das ganze Haus hat ohne Denkverbote, allerdings natürlich immer auf der Basis von Fakten, von Daten und auch von Rechtsnormen, gearbeitet.“

Im Entwurf eines Vermerks hatten Fachleute des Wirtschaftsministeriums Anfang März die Frage aufgeworfen, ob ein Weiterbetrieb nicht sinnvoll sein könnte, Argumente dafür aufgeführt und eine Prüfung empfohlen. Dieses Papier erreichte Habeck nach eigenen Angaben damals nicht. Es ging aber laut Wirtschaftsministerium später in einen Prüfvermerk ein, in dem Wirtschafts- und Umweltministerium sich gegen eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke aussprachen. Später war der Betrieb von drei Atomkraftwerken zur Sicherung der Stromversorgung doch noch bis Mitte April 2023 verlängert worden.

Habeck sagte, ein Jahr nach dem Atomausstieg hätten sich alle „Unkenrufe“ nicht bewahrheitet. Die Energieversorgung sei komplett gesichert, die Strompreise am Handel seien heruntergegangen. „Wir sind super durch Krise gekommen.“ Dennoch machen die Vorwürfe, über die zuerst das Magazin „Cicero“ berichtet hatte, inzwischen unter dem Hashtag #AKWFiles die Runde – und auch die Opposition hat auf die Berichte reagiert.

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Der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mark Helfrich (CDU), sprach in der „Bild“-Zeitung von einer „Täuschungsaktion“, die in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden müsse. Die Vorsitzende der Unionsmittelstandsvereinigung MIT, Gitta Connemann, sagte: „Der Rückbau der letzten Kernkraftwerke muss sofort gestoppt werden.“ Die Öffentlichkeit habe ein Recht auf lückenlose Aufklärung.

Habeck unter Druck: Erste Forderungen nach Rücktritt

FDP-Bundesvorstandsmitglied Martin Hagen forderte Habeck zum Rücktritt auf. „Entweder Habeck wusste davon oder er hat sein Haus nicht im Griff und wurde von den eigenen Leuten hintergangen. In beiden Fällen wäre ein Rücktritt die logische Konsequenz“, sagte Hagen der „Bild“. Der CSU-Generalsekretär Martin Huber erklärte „Focus Online“, dass „ein Minister, dessen Haus wider besseres Wissen so großen Schaden für die deutsche Wirtschaft und Energieversorgung verursacht, nicht mehr tragbar“ sei.

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Habeck erklärte zu den Vorwürfen, er sei nicht voll informiert gewesen. Entscheidend sei, in den wirklich relevanten Runden immer die richtigen Fragen stellen zu können. Dies sei in den Runden mit den Kraftwerksbetreibern der Fall gewesen. „Das ist auch dokumentiert und schriftlich vorlegbar, dass diese auch beantwortet wurden.“ Im März 2022 hätten die Betreiber der Atomkraftwerke mitgeteilt, dass die Brennelemente „ausgelutscht“ gewesen seien. Auch Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wies Kritik zurück. „Mir geht es darum, dass wir die nukleare Sicherheit in unserem Land jederzeit gewährleisten können.“

Wirtschafts- und Umweltministerium hatten sich im März 2022 in einem Prüfvermerk gegen eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ausgesprochen. Beide Ministerien hatten geprüft, ob und inwiefern eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken – angesichts des Krieges in der Ukraine und der hohen Importabhängigkeit von Russland – zur Energiesicherheit beitragen würde. Später war der Betrieb von drei Atomkraftwerken zur Sicherung der Stromversorgung doch noch bis Mitte April 2023 verlängert worden.