Berlin. Der Thüringer AfD-Politiker tritt gegen CDU-Mann Mario Voigt an. Höcke darf seine rechtsextremen Parolen verbreiten. So lief das Duell.

Der Moment, der Björn Höcke ins Straucheln bringt, ist eine Passage aus einem Buch – seinem eigenen Buch. Der Moderator liest eine Passage vor. Aydan Özoğuz, SPD-Politikerin, in Hamburg aufgewachsen und amtierende Vizepräsidentin im Bundestag, habe „in Deutschland nichts verloren“, zitiert der Moderator. Seite 188, ergänzt seine Co-Moderatorin. Höcke, AfD-Chef in Thüringen, sagt, er kenne die Passage nicht mehr genau, brauche den Kontext, es sei für ihn nicht mehr „nachvollziehbar“. Höcke weicht aus.

Es ist eine der wenigen Augenblicke in dem Duell mit Thüringens CDU-Vorsitzendem Mario Voigt beim Sender Welt TV, in denen Höcke nicht durchdringt mit seinen Parolen. Ein Schlagabtausch, der stark umstritten ist. Björn Höckes AfD ist vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Höcke selbst fällt immer wieder mit völkisch-nationalistischen und extrem rechten Inhalten auf – auch an diesem Abend.

Die Moderatoren schlagen drei Themen vor: Europa, Migration und Erinnerungskultur. Es sind keine Themen, die bei einer Landtagswahl eine große Rolle spielen. Es sind aber Kernthemen, mit denen die AfD seit Jahren auf Wählerfang geht. Warum hier ausgerechnet dieser Fokus von der Moderation gewählt wurde, bleibt unklar.

Björn Höcke: 20 bis 30 Prozent der Menschen in Deutschland müssten das Land verlassen, sagt Höcke.
Björn Höcke: 20 bis 30 Prozent der Menschen in Deutschland müssten das Land verlassen, sagt Höcke. © DPA Images | Michael Kappeler

TV-Duell: Höcke rudert bei „Remigration“ zurück

In vielen Abschnitten des TV-Duells bekommt Höcke Raum, seine Thesen zu erklären, auszubauen – und ihnen einen bürgerlichen Anstrich zu geben. Vor allem am Anfang drängt er Voigt in die Ecke, etwa wenn er der CDU verfehlte Migrationspolitik vorwirft oder ihr die Schuld für das Aus des Verbrennungsmotors durch die EU gibt.

Höcke nennt die EU eine „Globalisierungsagentur“, er will die EU in ihrer jetzigen Form abschaffen. Er wettert gegen illegale Migration und will „das Welt-Sozialamt Deutschland“ schließen. Was Höcke nicht sagt: dass die meisten Menschen auf der Flucht in ihren Heimatländern als Binnenvertriebene unterkommen müssen – nur die wenigsten der 2022 weltweit 100 Millionen Geflüchteten schaffen es überhaupt nach Europa. Das neurechte Konzept der „Remigration“, mit dem ein ethnisch homogenes Europa geschaffen werden soll und das sich vor allem gegen Muslime richtet, relativiert Höcke im TV-Duell, nennt es lediglich ein Konzept für Abschiebungen ausreisepflichtiger Ausländer.

Mario Voigt: Der CDU-Spitzenkandidat für Thüringen schließt eine Koalition mit Höckes AfD nach der Wahl aus.
Mario Voigt: Der CDU-Spitzenkandidat für Thüringen schließt eine Koalition mit Höckes AfD nach der Wahl aus. © DPA Images | Michael Kappeler

Wahl in Thüringen: AfD in Umfragen noch vor der CDU

Kritiker warnen, dass Höckes rechtsextreme Thüringen-AfD mit dem TV-Duell „normalisiert“ werde, und damit auch Höckes Politik. Andere argumentieren, dass ein „Ausgrenzen“ der AfD nicht helfe, man müsse sie stattdessen auf einer Bühne mit Argumenten schlagen.

In fünf Monaten wählen die Menschen in Thüringen einen neuen Landtag. In jüngsten Umfragen lag die AfD mit Werten zwischen 29 und 31 Prozent im Land auf Platz eins. Voigts CDU rangiert in Umfragen mit Werten zwischen 20 und 21 Prozent auf Platz zwei. Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow schwächelt in den Umfragen. Ramelow aber war nicht zum TV-Duell eingeladen.

Umstritten war schon der Termin des TV-Duells: Am 11. April 1945 befreiten die Alliierten die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora. An so einem Gedenktag einer der „bekanntesten Galionsfiguren rechtsextremer Hetze“ einen Auftritt zu ermöglichen, mute Überlebenden des Holocaust „politisch völlig instinktlos und makaber an“, hatte das Internationale Auschwitz Komitee vor dem TV-Duell kritisiert.