Berlin. Der Kremlchef zieht rote Linien und spricht vom Ende der Zivilisation. Doch davon darf sich der Westen nicht einschüchtern lassen.

Die Rede von Wladimir Putin zur Lage der Nation hat es in sich. Gleich zu Beginn richtet er seine beängstigende Botschaft an den Westen und drohte wieder unverblümt mit dem Einsatz von Atomwaffen. Das hat er seit einem Treffen mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping 2022 nicht mehr so offen getan.

Es ist offensichtlich: Russlands Präsident reagiert damit auf die Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der westliche Bodentruppen für die Ukraine nicht mehr ausschließen will. Und auch auf die großen Sorgen, die Bundeskanzler Olaf Scholz umtreiben und ihn davon abhalten, die deutschen Luft-Boden-Marschflugkörper Taurus an Kiew zu liefern. Sie haben eine so große Reichweite, dass sie auch Ziele in Moskau erreichen könnten.

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Putin sagt deutlich: Wenn ihr Truppen schickt oder auf unser Territorium schießt, schießen wir zurück. Auch mit Atomwaffen. Die westlichen Drohungen schaffen die „reale Gefahr“ eines Nuklearkonflikts. Wenn ihr euch nicht an die roten Linien haltet, werden wir es auch nicht tun. Er spricht von der Vernichtung der Zivilisation.

Mit Putins Erzfeind Nawalny wird eine Hoffnung beerdigt

Das ist natürlich Teil der psychologischen Kriegsführung: Ängste schüren, Vorbehalte stärken, Keile treiben zwischen die Verbündeten. Putin hat keine Skrupel, ohne Rücksicht auf Verluste wirft er Soldaten als Kanonenfutter an die Front. Ein Menschenleben zählt nicht viel. Julija Nawalnaja, die Witwe des in russischer Lagerhaft umgekommenen Alexej Nawalny, nannte ihn am Mittwoch vor dem EU-Parlament ein „verdammtes Monster“, der eine kriminelle Bande anführt.

Gudrun Büscher ist Politik-Korrespondentin in der FUNKE Zentralredaktion.
Gudrun Büscher ist Politik-Korrespondentin in der FUNKE Zentralredaktion. © Berlin | Reto Klar

Solchen Menschen ist alles zuzutrauen – vor allem, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen. Am Freitag soll ihr Mann in Moskau beigesetzt werden. Wer daran teilnimmt, muss sehr mutig sein. Überall rund um den Friedhof wurden Kameras montiert. Dann wird nicht nur Nawalny beerdigt, sondern auch die Hoffnung, dass sich Russland selbst aus dem Würgegriff Putins befreien kann.

Putin: Seine Macht ist zementiert, die Wahl eine Farce

Die Wiederwahl des Präsidenten in zwei Wochen steht außer Frage. Jeden ernstzunehmenden Gegenkandidaten, jeden Oppositionellen, der nicht aus dem Land geflohen ist, hat er kaltgestellt, eingesperrt oder töten lassen. Er muss sich jetzt nur noch fürchten, dass niemand wählen geht. Denn der pseudodemokratische Anstrich seiner Diktatur scheint ihm dann doch wichtig zu sein.

Was heißt das für den Westen? Scholz und Macron müssen ihre Uneinigkeit überwinden und gemeinsam alles tun, damit sich die Ukraine gegen den russischen Aggressor wehren kann. Angst ist dabei ein schlechter Ratgeber.

Russland-Reportagen von Jan Jessen