Berlin. CSU-Chef Markus Söder hat die Bayernwahl gewonnen. Was das Ergebnis für seine Chancen in Berlin bedeutet – und worauf es jetzt ankommt.

Er hat es kommen sehen: Seit Wochen dimmt Markus Söder die Erwartungen. Motto: Das Wahlergebnis wird kein Triumph, aber ein Sieg ist ein Sieg. Und sind nicht Stabilität und Machterhalt wichtiger als ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger? So sieht es der Partei-Chef – und so sollen es auch alle anderen sehen: Wenn die CSU mit Söder nun schon zum zweiten Mal ein historisch schwaches Ergebnis einfährt, dann will der Parteichef wenigstens die Deutungshoheit darüber behalten.

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"Es geht nicht um einem Schönheitspreis. Es geht um eine stabile Regierung." Das ist Söders Mantra, seit feststeht, dass die CSU bei der Bayernwahl keinen rauschenden Sieg erwarten kann, sondern mit einem Ergebnis klar unter 40 Prozent rechnen muss. Der Machterhalt ist Söders Rettungsanker. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ist der erste, der an diesem Abend die Lesart vorgibt: Man könne "zufrieden" sein. Die CSU habe mit "einem guten Ergebnis einen Regierungsauftrag bekommen".

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Söders Machtposition und die Mitsprache bei der K-Frage

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann spricht Minuten später von einem "starken, "tollen" und schließlich sogar von einem "sensationellen" Ergebnis. Die Begeisterung gerade in der CDU hat zwei Gründe: Es hätte noch deutlich schlimmer kommen können. Und: Söders mäßiges Ergebnis könnte die Schlagzahl der breitbeinigen Einmischungen aus Bayern deutlich reduzieren.

Anders als in Hessen, wo CDU-Kandidat Boris Rhein an diesem Abend mit einem schlechteren Ergebnis eindeutig als klarer Gewinner dasteht, geht es bei Söder eben nie nur ums Land und auch nie nur um die CSU: Immer geht es auch um seine Machtposition gegenüber der CDU, und vor allem um die Mitsprache bei der K-Frage. Wer führt die Union in die nächste Bundestagswahl? CDU-Chef Friedrich Merz oder ein anderer? Bringt sich Söder am Ende selbst noch einmal ins Spiel oder lässt sich ins Spiel bringen?

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"Ich bleibe dabei, ich habe einen Regierungsauftrag für Bayern, den möchte ich auch erfüllen", sagt Söder am Abend im ZDF. "Alles andere kommt für mich nicht in Frage." Auf den Einwand der Moderatorin, dass dies kein klares Nein sei, reagiert er einsilbig. "Doch."

Sicher: Ein bayerischer Ministerpräsident, der anders als viele seiner Vorgänger zu Hause keine absolute Mehrheit mehr erreicht, hat es naturgemäß schwer, ernsthaft Anspruch aufs Kanzleramt zu erheben. Bei vielen anderen wäre die Sache damit also erledigt. Söder dagegen schert sich im Zweifel kein bisschen um solche Rechenspiele. Bei der Landtagswahl von 2018 holte er als Spitzenkandidat das historisch schlechte Ergebnis von 37,2 Prozent und brachte sich dennoch gegen CDU-Kandidat Armin Laschet in Stellung.

Die goldenen Zeiten der CSU sind endgültig vorbei

Söders Problem ist diesmal nicht sein mäßiges Abschneiden an sich – immerhin liegt er damit in einem Rahmen, von dem die Schwesterpartei CDU bundesweit aktuell nur träumen kann. Das Hauptproblem ist, dass die CSU ganz andere Zahlen gewohnt ist. Weit mehr als 50 Prozent – das war Jahrzehnte lang vollkommen normal. Doch mit den Freien Wählern und der AfD sind die goldenen Zeiten als machtsatte Staatspartei endgültig vorbei.

Und zwar in einem Maß, wie es sich CSU-Übervater und Brandmauer-Experte Franz Josef Strauß niemals hätte träumen lassen: Rechts von der Union tummelt sich die Konkurrenz – und hat den Christsozialen inzwischen gut die Hälfte des Wählerpotentials abgeknöpft.

Beim Publikum fällt Friedrich Merz weit hinter Söder und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zurück.
Beim Publikum fällt Friedrich Merz weit hinter Söder und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zurück. © AFP | Christof Stache

So groß war die Angst der CSU, ihre Anhänger diesmal erdrutschartig Richtung AfD zu verlieren, dass sie am Ende sogar mit einem posthumen Strauß-Appell in den Wahlkampf zog. Auf Plakaten ließ die CSU ihren Übervater dringend an die Abgrenzung nach rechts erinnern: "Wir wollen mit rechtsradikalen Narren und Extremisten nichts zu tun haben."

Eine erneute Koalition mit den Freien Wählern gilt nun als wahrscheinlich

Strauß wusste noch nichts von der AfD. Er stand auch nicht vor der Frage, ob Hubert Aiwanger als Vize-Ministerpräsident zu halten wäre, nachdem die Sache mit dem antisemitischen Flugblatt in dessen Schulranzen bekannt geworden war. Söder entschied sich, an Aiwanger festzuhalten. Zu groß war seine Sorge vor den Folgen eines Rauswurfs kurz vor der Landtagswahl.

Machttaktisch mag das plausibel sein, im Ergebnis aber ist die CSU am Ende dadurch nicht stärker geworden. Eine erneute Koalition mit den Freien Wählern gilt nun als wahrscheinlich. Ein schwarz-grünes Bündnis hatte der CSU-Chef im Wahlkampf dagegen vehement ausgeschlossen – und die Grünen als Fremdkörper im Söderland attackiert. "Bayern und die Grünen, das ist wie Oktoberfest und Kamillentee."

Um die Stimmung in der CSU zu verstehen, ist jedoch noch etwas anderes wichtig: Bei einem Ergebnis unter 40 Prozent läuten gleich aus zwei Gründen die Alarmglocken. Nicht nur wegen dieser Landtagswahl, sondern wegen der nächsten Bundestagswahl. Durch das neue Wahlrecht, das die Berliner Ampel-Koalition beschlossen hat, rückt die CSU in die Gefahrenzone: Sie muss 2025 die Fünf-Prozent-Hürde erreichen, um in den Bundestag zu kommen – die traditionell hohe Zahl der CSU-Direktmandate allein reicht dafür nach den neuen Regeln nicht mehr aus.

Für die CSU kann es auf einmal lebensgefährlich knapp werden

Wenn nun aber die Freien Wähler demnächst auch auf Bundesebene im politischen Feld der CSU wildern sollten, kann es für die Christsozialen, die ausschließlich in Bayern antreten, auf einmal lebensgefährlich knapp werden. Bei der Bundestagswahl 2021 kam Söders Partei bezogen auf alle Wähler gerade einmal auf 5,2 Prozent. Die CSU hat gegen die Wahlrechtsreform inzwischen Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Ausgang offen.

Kommt Söder unter diesen Umständen überhaupt noch in Frage als potenzieller Kanzlerkandidat der Union? Die Entscheidung soll erst in einem Jahr fallen, im Spätsommer 2024. Strittig ist aktuell jedoch, ob dieser Zeitpunkt vor oder nach den drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September liegt. Söder hatte sich bereits für eine Entscheidung nach den Wahlen im Osten ausgesprochen – man konnte das als Votum gegen Parteichef Merz verstehen. Sollte die CDU deutlich verlieren und die AfD noch stärker werden, könnte das Merz parteiintern angelastet werden und ihn als Kanzlerkandidaten aus dem Rennen nehmen. Beim Publikum fällt der Parteichef ohnedies weit hinter Söder und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zurück.

NameMarkus Söder
Geburtsdatum5. Januar 1967
AmtMinisterpräsident (Bayern)
ParteiCSU
Parteimitglied seit1983
FamilienstandVerheiratet, vier Kinder
Größe1,94 Meter
WohnortNürnberg

Friedrich Merz kann sich auf Markus Söder nicht verlassen

Vieles wird nun davon abhängen, ob es Friedrich Merz nach seiner jüngsten Serie unglücklicher Auftritte gelingt, das Ruder herumzureißen. Die missverständlichen Äußerungen zur Zusammenarbeit mit der AfD in den Kommunen, die Etikettierung der CDU als "Alternative für Deutschland mit Substanz", die viel zu pauschalen Vorwürfe zum Missbrauch von Zahnarztbehandlungen durch abgelehnte Asylbewerber – alles das hängt Merz nach. Ein ums andere Mal mussten Parteifreunde die Äußerungen ihres Chefs geraderücken, einordnen, richtigstellen.

Auf Markus Söder kann er sich nicht verlassen. Zwar beteuerten die beiden zwei Wochen vor der Bayernwahl ihren Schulterschluss: "Uns bringt hier nichts und niemand mehr auseinander." Doch das ist im Zweifel so viel Wert wie Söders wiederholte Absagen in Richtung Kanzlerambitionen.

Söder hat Merz im Wahlkampf zwar ein überdimensionales Lebkuchenherz geschenkt. Doch jeder, der Lebkuchen kennt, weiß wie schnell das Zeug knallhart wird.