Nach der Fußball-EM herrscht wieder eine angespannte Lage in der Ukraine. Bei Protesten gegen ein Sprachengesetz kam es zu Ausschreitungen.

Kiew. Tränengas und Tumulte in Kiew: Ein erbitterter Streit um die Aufwertung von Russisch zur zweiten Amtssprache ist in der Ukraine eskaliert. Bei einer Demonstration hunderter Regierungsgegner in Kiew wurde auch Boxweltmeister und Oppositionspolitiker Vitali Klitschko am Mittwoch leicht an der Hand verletzt. Aus Protest gegen das Gesetz reichte Parlamentspräsident Wladimir Litwin seinen Rücktritt ein. Staatschef Viktor Janukowitsch schloss mit Verweis auf die verhärteten Fronten vorgezogene Parlamentswahlen nicht aus.

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Wegen der Tumulte sagte Janukowitsch eine Pressekonferenz ab, auf der er die jüngst zu Ende gegangene Fußball-Europameisterschaft in der Ex-Sowjetrepublik bilanzieren wollte.

„Nach lächelnden Ukrainern bei der EM sieht die Welt erneut das gewohnte Bild der vergangenen Jahre aus Kiew: Polizeihelme, Tränengas und Knüppel gegen friedliche Demonstranten durch eine brutale und undemokratische Regierung“, kritisierte Klitschko den Polizeieinsatz scharf. „Das Land hat keine Zukunft. Die Gesetze funktionieren nicht, die Bürger sind rechtlos, das Vertrauen wird manipuliert.“

Der Boxweltmeister habe eine Schnittwunde erlitten, bestätigte ein Sprecher seiner Partei Udar . Zudem habe der ältere der Klitschko-Brüder nach einem Tränengaseinsatz seine Augen mit Wasser ausspülen müssen. Der Chefredakteur der Zeitung „Serkalo Nedeli“, Sergej Rachmanin, erlitt einen Herzanfall.

Kritiker bemängeln vor allem, dass das Gesetz ohne weitere Diskussion und ohne Berücksichtigung der Änderungsanträge durch den zuständigen Ausschuss sowie unter Verletzung aller Prozeduren und Reglements „durchgepeitscht“ worden sei. Die Opposition kündigte eine Ausweitung der Proteste an. Demonstranten hatten die Polizei mit Flaschen und Stöcken beworfen und auch mit Pfefferspray besprüht.

Die Regierungsgegner hatten sich nach der Verabschiedung des Gesetzes am Vorabend versammelt. Dabei stellte sich Klitschko mit Parlamentsabgeordneten zwischen die rund 1300 Milizionäre und die etwa 600 Demonstranten. Die Sondereinheit Berkut der Polizei vertrieb die Menge mit Tränengas. Mit dem Gesetz habe das Abgeordnetenhaus „Selbstmord begangen“, kritisierte Klitschko. Die renommierte Autorin Oxana Sabuschko sprach vom „Ende der parlamentarischen Demokratie“.

Parlamentspräsident Litwin sagte nach der Abstimmung, die Ukrainer seien nun „ein größtenteils zerrissenes Volk“. Er werde das Gesetz nicht unterschreiben. Nach Ansicht von Experten will Litwin mit dem Rücktritt auch seine Chancen auf ein Direktmandat in der russlandkritischen Westukraine bei den Wahlen im Oktober stärken. (dpa)