Berlin.

Auf vier Seiten hat die schwarz-rote Koalition ihr „Konzept für saubere Luft“ zusammengefasst. Damit soll die seit Jahren bestehende Diesel-Krise endlich gelöst sein. Die Minister Svenja Schulze (Umwelt, SPD) und Andreas Scheuer (Verkehr, CSU) lobten die Vereinbarung. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sprach von einem „sehr, sehr wichtigen Konzept für die Gesundheit der Menschen, für die Zukunft des Diesels und für das Gerechtigkeitsempfinden der Bürger“. Die Opposition nannte das Konzept „heiße Luft“. Es helfe nicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Für wen gilt das Diesel-Konzept?

Das Konzept der Bundesregierung zielt auf Städte, in denen mehr gesundheitsgefährdende Stickoxide in der Luft sind als erlaubt. Eine EU-Richtlinie von 2008 gestattet im Jahresmittel nur maximal 40 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter Luft. In 65 deutschen Städten liegen die Werte darüber, in 14 Städten sogar deutlich. Die Städte, in denen der Jahresmittelwert 2017 höher als 50 Mi­krogramm war, sind: München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg/Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum, Ludwigsburg. Wer dort wohnt oder arbeitet, soll von dem Diesel-Konzept unmittelbar profitieren.

Was soll das Konzept bewirken?

Es soll die Stickoxid-Werte stark senken. So sollen weitere Fahrverbote vermieden werden. Auch die EU-Kommission soll zufriedengestellt werden: Die Brüsseler Behörde hatte Deutschland und weitere fünf Staaten im Mai verklagt, weil sie zehn Jahre lang zu wenig getan haben, um die Luft zu verbessern.

Wer profitiert von den Prämien der Autohersteller?

Die Prämien und Rabatte für Umtausch-Aktionen in Höhe von mehreren Tausend Euro sollen nur für Dieselfahrer gelten, deren Auto die Schadstoffklassen Euro 4 oder Euro 5 haben und die in den 14 besonders belasteten Städten oder in den angrenzenden Landkreisen wohnen oder in diesen Städten arbeiten. Auf wen das zutrifft, der kann schon in den nächsten Tagen zu einem Autohändler seiner Wahl gehen und sich ein Angebot für seinen alten Diesel-Pkw machen lassen. Mit der Prämie oder dem Rabatt kann man dann einen Neu- oder Gebrauchtwagen kaufen, der wenig Stickoxide ausstößt. Wie hoch der finanzielle Vorteil ist, hängt allein von Händler und Hersteller und dem eigenen Verhandlungsgeschick ab. Jeder Dieselfahrer kann selbst entscheiden, ob er das Angebot annimmt und sich ein neues Auto kauft.

Kommt die technische Nachrüstung?

Wer in einer der 14 stark belasteten Städte lebt und arbeitet, kann eine Werkstatt auch bitten, in seinen alten Diesel einen SCR-Katalysator einzubauen. Damit sinkt der Ausstoß von Stickoxiden. Technisch möglich ist dies nur für Euro-5-Diesel. Die Bundesregierung „erwartet vom jeweiligen Autohersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich des Einbaus übernimmt“. ­Sicher ist die Kostenübernahme nicht: Die meisten Hersteller wollen sich der Nachrüstung verweigern. Jeder Dieselfahrer kann entscheiden, ob er sein Auto nachrüsten lässt.

Wer bekommt die technische Nachrüstung vom Staat bezahlt?

In den 65 Städten, in denen die Stickoxid-Werte oberhalb des Grenzwerts liegen, sollen „schwere Kommunalfahrzeuge“ wie Müllabfuhr, Straßenreinigung und Feuerwehr nachträglich einen SCR-Katalysator bekommen. Das soll insgesamt rund 28.000 Fahrzeuge betreffen. Die Bundesregierung will 80 Prozent der Kosten für diese Hardware-Nachrüstung übernehmen, die Kommunen zahlen 20 Prozent. Auch Handwerker und Lieferanten, die in den 65 Städten unterwegs sind, werden ermuntert, einen SCR-Kat einbauen zu lassen. Die Bundesregierung will 80 Prozent der Kosten übernehmen. Ob die Autohersteller den Rest tragen, ist offen, die Regierung will noch mit ihnen verhandeln. Gelten soll das Angebot für rund 190.000 gewerblich genutzte Dieselfahrzeuge mit einem Gewicht von 2,8 bis 7,5 Tonnen. Voraussetzung auch hier: Die Firmen haben ihren Sitz in einer der 65 Städte oder in den angrenzenden Landkreisen oder sie haben „nennenswerte Aufträge in der Stadt“. Der Nachweis dafür ist unklar.

Warum sollte man ein neues Auto kaufen oder den alten Diesel nachrüsten?

Die Bundesregierung glaubt, dass Bürger freiwillig mithelfen, die Luft sauberer zu machen. Sie könnten außerdem ein Interesse daran haben, auch dann mobil zu sein, wenn Fahrverbote für alte Euro-4- oder Euro-5-Diesel gelten sollten.

Wird es weitere Fahrverbote geben?

Die Bundesregierung schließt weitere Verbote nicht aus. Niemand kann genau sagen, in welchem Maß die Luft durch das Diesel-Konzept besser wird. Falls es doch Fahrverbote gibt, dann sollen auch die Euro-4- und Euro-5-Diesel weiter fahren dürfen, die weniger als 270 Mi­krogramm Stickoxide produzieren. Dafür will die Bundesregierung sorgen. Welche Autos fahren dürfen, soll über das Kennzeichen ermittelt werden. Eine blaue Plakette soll es nicht geben.